Sonntag, 8. Dezember 2002

WEGE DURCH DIE WÜSTE


Liebe Mitbrüder, liebe Mitfeiernde!

„Wir machen den Weg frei!" sagt eine bekannte Bank und zeigt uns in der Werbung ganz ungewöhnliche Wege, die sich in scheinbar unendliche Weiten öffnen, diese verheißen: mit Geld und guten Zinsen können sie einen guten Weg zu einem glücklichen Leben ermöglichen. Wir wissen: „Geld allein macht nicht glücklich", das sagt nicht nur ein Sprichwort. Und trotzdem beschäftigen wir uns mit den vielen Möglichkeiten des Geldes: Geld gewinnen, Geld anlegen, Geld vermehren und Geld ausgeben. Das Weihnachtsgeld ist längst in der Tasche – und vielleicht auch schon wieder heraus - , und viele sind wieder unterwegs, um für jung und alt Geschenke einzukaufen. Alle Jahre wieder! - Warum überhaupt?

Die heutige Botschaft, mitten im Advents, gibt uns den entscheidenden Hinweis, worauf es eigentlich ankommt: Der Evangelist Markus zeigt in der bilderreichen Sprache des Propheten Jesaja, wie wir uns auf das Kommen des Herrn vorbereiten, worauf es ankommt; sie haben es gerade noch gehört: „Bahnt für den Herrn einen Weg durch die Wüste! Baut in der Steppe eine ebene Straße für unseren Gott! Jedes Tal soll sich heben, jeder Berg und Hügel sich senken. Was krumm ist, soll gerade werden, und was hügelig ist, werde eben" (Jes 40, 3. 4). Es geht also um eine „Flur- und Wegbegradigung“. Es geht darum, all das aus dem Weg zu räumen, was Gott hindert, zu uns zu kommen. Schutt und Stolpersteine müssen weggeräumt, Krummes begradigt und Unebenes geglättet werden. Mit „Arbeit an sich selbst“ hat das zu tun, oder wie es der „Hardliner“ Johannes d. T. nennt: mit „Umkehr und Sünden bekennen".

Wie das heute gehen kann, zeigt uns die rasante und markante Persönlichkeit des Johannes selbst. Dazu möchte ich das Wort WEGE einfach nur durchbuchstabieren um auch vier konkrete WEGE nennen, die wir im Lebensweg des „Wegweisers“ Johannes wiederentdecken können:

W - Der erste Buchstabe des Wortes WEGE und ein erster Weg:
Wahr leben, - d. h. ich achte darauf, was jetzt ist - und nicht was sein sollte. Dabei lasse ich mich nicht so sehr von dem bestimmen, was andere erwarten, was man oder frau so tut, sondern ich bemühe mich darum, ich selber zu sein. Auf meine innere Stimme, mein Gewissen zu hören und danach zu leben, auch wenn das weh tut, wenn es schwierig wird, ich sozusagen gegen den Strom schwimmen muß. Wahr lebe ich, wenn ich meine Maske ablege, nicht irgendeine Rolle spiele, sondern ehrlich bin und keine Angst habe, meine Schwächen zu zeigen. In jedem von uns gibt es da viele Abgründe, die überwunden werden müssen, damit wir dem Herrn den Weg bereiten.

E - Der nächste Buchstabe des Wortes und ein weiterer Weg:
Einfach leben, d.h. mein Leben zu vereinfachen und es mit anderen zu teilen. Geben und Nehmen gehört dazu - und der Grundsatz: „weniger ist mehr". Ich habe es – wenn auch nicht unbedingt mit Heuschrecken - immer wieder auch probiert und erfahren: Verzichten können, sich einschränken, - das bringt ein mehr an Freiheit, das tut gut. Bei der Fülle der Angebote heute und der Vielfalt der Möglichkeiten mein Leben auf das Wesentliche zu konzentrieren ist heute schwer und ist eine bleibende Aufgabe in jeder Lebensphase. Fernsehen, Radio und Internet ermöglichen mir hunderte von Programmen. Da kann ich ständig hin und her klicken, rund um die Uhr. Ich selbst kann aber nur ein Programm leben. Vor dem riesigen Berg der Möglichkeiten nicht zu resignieren, sondern einfach mein Lebensprogramm zu entdecken und zu gehen.Mein Gebet ist dabei eine wichtige Möglichkeit. Nicht auf die Vielzahl der Worte kommt es an, sondern auf die Zeit, die ich mir nehme: - Für die Stille, einfach da zu sein, um Gott in den leisen Stimmen zu entdecken.

G - Gelassen leben, ist eine weitere Form der Wegbereitung. Aber oft steht, mein eigenes Lebenstempo im Gegensatz zu dieser Lebensweise: alles mitnehmen, ja nichts verpassen. – „Man lebt ja nur einmal!“ – Gelassen leben, das sagt sich so leicht. Aber das kann mir gelingen aus dem tiefen Vertrauen heraus, daß Gott mit mir auf dem Weg ist; es hängt nicht alles von mir ab. Ich brauche auch nicht perfekt zu sein und darf Fehler machen. „Da kommt einer, der stärker und größer ist als ich .“ Das kann dieser selbstbewusste Johannes sagen. Wenn ein Mensch so etwas sagen kann, ist er weit gekommen in seiner menschlichen Reife.

Wir alle werden wahrscheinlich Erinnerungen und bestimmte Erfahrungen haben, wo es uns mehr oder weniger gelungen ist, andere größer sein zu lassen. Für etliche Männer steigert sich dieses Problem noch einmal, wenn es sich dabei um eine Frau handelt, die sie überrundet. Da kommt jemand, der bzw. die, größer ist als ich: ein kleiner Schmerz für das Selbstwertgefühl, aber eine große Befreiung, wenn man sich loslassen und den anderen Menschen größer sein lassen kann. Wenn ich bereit bin mich – wie Johannes der Täufer - selbst loszulassen, d. h. mich von und für andere in Anspruch nehmen zu lassen, dann werden manche Schlucht und viele Hügel zum ebenen Weg. Wer gelassen leben, sich selbst nicht so wichtig nimmt und sich selbst auch einmal an den Rand stellen kann, ist großherzig. Ein weiterer Weg.

E - Entschieden leben heißt der vierte und letzte Begriff, der das Wort WEGE ausfüllt. Mann oder Frau will im Leben so vieles erreichen, miterleben, auskosten u. v. m. Hier heißt für mich Wegbereitung mich zu entscheiden und mir nicht alles offen zu halten. Ich kann nicht alle Wege gleichzeitig gehen. Woran orientiere ich mich? Wieviel Mut habe ich Neues zu wagen? Wie groß ist meine Sehnsucht nach Vertrautem, Bekanntem? Wo suche ich Sicherheit?

Bei der Beantwortung solcher Fragen muß ich mir bewußt sein, daß der Preis hoch sein kann, weil Entscheidungen auch Abschied und Trennung bedeuten können.– Welchen Preis bin ich bereit zu zahlen? – Johannes hat seine Entschiedenheit, sein klares „das ist falsch“ - in der Palastaffäre des Herodes „den Kopf“ gekostet. Er nahm keinerlei Rücksicht auf seine private Sicherheit. Aber gerade diese Entschiedenheit ist es wohl am Ende, die den Herrn selbst so beeindruckt haben mag, als er zu seinen Jüngern sprach: „Unter allen Menschen hat es keinen größeren gegeben als Johannes den Täufer“ (Mt 11, 11).

Liebe Brüder und Schwestern!
Wahr – einfach – gelassen – entschieden:
4 WEGE, die uns der Wegbereiter Johannes durch sein Leben und seine Botschaft beispielhaft vor Augen stellt. Es sind Wege, die heute oftmals im Widerspruch zum modernen Zeitgeist stehen.

„Wir machen den Weg frei" verspricht die Bank. Aber wenn wir ehrlich sind, wissen wir: Die Bank schenkt uns keinen Cent! – Arbeiten müssen wir selbst an uns, wenn wir wirklich im Leben weiter kommen wollen. Mit Gottes Hilfe: Schritt für Schritt - und manchmal in kleinen Schritten. Adventliche Menschen legen selbst Hand an, wenn es darum geht Wege zu bereiten. Und das bedeutet Hand anlegen an die Steine , an den Schutt, der unser Leben niederdrückt und unfrei macht. - Hand anlegen, damit die Wege unseres Lebens begehbar werden, - für uns und für den HERRN, den wir erwarten. Amen

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Predigt für den 2. Adventsonntag (B) am 8. XII. 2002 (Konventamt, St. Ottilien)
L 1: Jes 40,1-5.9-11; L 2: 2 Petr 3,8-14; Ev: Mk 1,1-8

Samstag, 8. Juni 2002

Diakonenweihe

„Diakonaler Dienst ist Gütezeichen der Kirche"

Bischof Dr. Viktor Josef Dammertz weiht in St. Ottilien einen Diakon

Augsburg, 09.06.2002 (IBA). „In der Diakonenweihe wird die Dienstgesinnung Jesu auf eine ganz besondere Art und Weise öffentlich erfahrbar. Es wird deutlich: Der diakonale Dienst gehört zum unaufgebbaren Grundbestand kirchlichen Handelns; er ist ein Erkennungsmerkmal, ein Gütezeichen der Kirche. Ohne das diakonale, das dienende Element würde die Kirche ihr Gesicht verlieren, ja sie wäre nicht mehr die Kirche Jesu Christi!" Mit diesen Worten hat der Augsburger Bischof Dr. Viktor Josef Dammertz OSB seine Predigt bei der Diakonenweihe am Samstag, 8. Juni 2002, in St. Ottilien beendet. Außerdem wünschte er dem Weihekandidaten, Frater Siegfried Wewers OSB, das es ihm gelingen möge, diesen selbstlosen Dienst glaubwürdig und voller Freude zu leisten. „Dann werden Sie reiche Frucht bringen und Ihre Frucht wird bleiben."



Frater Siegfried wurde am 3. Mai 1967 in Recklinghausen geboren und nahm 1987 sein Studium an der Westfälischen Wilhelm-Universität in Münster auf, das er an der Ludwig-Maximilian-Universität in München fortsetzte. Im Jahr 1994 schloss er wiederum in Münster mit dem Diplom in Theologie ab. Danach war er zunächst Novize bei den Prämonstratensern in Hamborn, studierte dann zwei Jahre lang Musikwissenschaft in Duisburg und trat im Oktober 1997 in die Benediktiner-Erzabtei St. Ottilien ein. Im März 1999 legte er die zeitlichen und im März 2002 die ewigen Gelübde ab. Seit 1999 leitet Frater Siegfried die Klosterbibliothek in St. Ottilien und ist seit Januar 2000 als  Stellvertreter des Gastpaters im Gästehaus tätig. Zudem ist er auch seit 2001 der Webmaster der Erzabtei.
Bischof Dammertz war in seiner Predigt zunächst auf das dem Diakonat zugrundeliegende griechische Wort eingegangen, das „Diener" bedeutet. Der Dienst des Diakons müsse verstanden werden von seiner doppelten Ausrichtung her: auf Gott hin und auf den Menschen hin. Beides gehöre zusammen. Um in rechter Weise dienen zu können, müsse man selbstlos sein, über sich selbst hinaus wachsen, eigene Interessen hintanstellen können, um die anderen in den Blick zu nehmen: die „Armen und Kranken", die „Heimatlosen und Notleidenden", das heißt alle Menschen, die in Not sind und unsere Hilfe brauchen. „Ein solches Zurücktreten ist freilich nicht nur bloßer Verzicht. Vielmehr geht es darum, Raum zu geben für das Eigentliche. Ziel unseres Dienstes ist es ja, Menschen zu Christus zu führen. Darum dürfen wir die Menschen – und das ist entscheidend – nicht an uns binden! Wir haben Ihm den Weg zu bereiten."

Das Diakonat, so Bischof Dammertz, sei eine Zwischenstation auf dem Weg zum Priestertum. Das dürfe aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Weihegrad des Diakons durch die spätere Priesterweihe – und auch durch eine Bischofsweihe – nicht aufgehoben wird. „Diakon bleibt man für immer! Die Hauptaufgabe des Diakons und eines jeden kirchlichen Amtsträgers ist es, den dienenden Grundbezug zwischen Jesus Christus und den Menschen ein Leben lang zu verdeutlichen – in seinem ganzen Dasein!"

Bischöfliche Pressestelle, Peutingerstr. 5, 86152 Augsburg



Donnerstag, 2. Mai 2002

Martin Goller OSB: MISSA SOLENNIS IN D


VORWORT

Nachdem die Benediktinerabtei auf dem St. Georgenberg im Jahre 1705 zum vierten Mal dem Brand zum Opfer gefallen war, entstand in den folgenden Jahrzehnten im Tal das Stift Fiecht, wo mit der Errichtung der Klosterschule und dem Bau der Orgel 1759 - 1761 ein reiches Musikleben erblühte.

Martin Goller OSB (1764 - 1836) trat im Jahre 1780 als ein bereits gewandter Organist ins Kloster ein und prägte dieses Musikleben auch durch sein kompositorisches Schaffen mit. Im Jahre 1800 ist er als Regens chori an der Fiechter Stiftskirche nachgewiesen. Von seinen kirchenmusikalischen Werken sind 17 deutsche geistliche Lieder, 12 Tantum ergo, 10 Gradualien, zwei Vespern, ein Te Deum und 11 Messen erhalten.

Zwei dieser elf Messen sind im Vokalpart mit Sopran, Alt und Bass nur dreistimmig besetzt: die Missa brevis pastoralis in D und die vorliegende MISSA SOLENNIS IN D. Beide Messen enthalten kein Agnus Dei, die MISSA SOLENNIS endet sogar bereits im Sanctus nach dem ersten Hosanna, ohne ein Benedictus anzuschließen. Ebenso ist beiden Messen die satztechnisch einfache und volkstümliche Komposition gemeinsam: der Bass bewegt sich vornehmlich auf den Grundtönen der drei Hauptdreiklänge, während Sopran und Alt darüber in Terzen und Sexten fortschreiten. In der Pastoralmesse tendieren die Oberstimmen aber stärker zu sprunghafter Dreiklangsmelodik, in der MISSA SOLENNIS mehr zu schrittweiser Bewegung.

Die Handschrift des Komponisten wurde wahrscheinlich beim Brand des Stiftes Fiecht 1868 zerstört, eine 32 Seiten umfassende Abschrift mit dem Vermerk „ad me Johann Zimmermann 1836“ aber blieb erhalten und wird nun im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum in Innsbruck unter der Signatur M 2493 aufbewahrt.

Sankt Ottilien, im September 2002

P. Regino Schüling OSB

Download der Partitur (PDF, 84 S., 605k)
Download der Chorstimmen (PDF, 16 S., 106k)