Sonntag, 2. Mai 2004

Herbert Huber: Kleines Handbuch für Ministranten und Gottesdienstbesucher

Zur Einleitung

Das hier vorgelegte Handbüchlein will keine äußeren und technischen Hinweise auf den Ministrantendienst geben (also etwa wie man eine Kniebeuge macht, wie man das Weihrauchfass schwingt, wie man richtig inzensiert und dergleichen mehr), sondern es will – vor allem Ministranten, aber auch anderen Gottesdienstbesuchern – zu einem besseren Verständnis der Heiligen Messe behilflich sein.

Erste Fassungen der folgenden Blätter sind anlässlich der Ausbildung neuer Ministranten entstanden. Mancher mag sich fragen, ob nicht vieles darin für Ministranten, die, wenn sie ihren Dienst beginnen, meist gerade die Erstkommunion hinter sich haben, zu schwierig ist. Das ist zweifellos bei manchen Abschnitten der Fall. Aber zum einen versehen Ministranten ihren Dienst in der Regel über viele Jahre hinweg, und mit zunehmendem Alter wird das Verständnis auch für die schwierigeren Teile wachsen. Ab dem elften oder zwölften Lebensjahr wird es normalerweise kaum mehr Verstehensprobleme geben. Zum anderen ist das Büchlein nicht nur für das selbstständige Lesen gedacht, sondern vor allem auch als Grundlage für Ministrantenstunden, in denen die angesprochenen Themen von Mesner, Kaplan, oder wer immer mit den Ministranten arbeitet, behandelt und zusammen mit den Ministranten erschlossen werden. Dabei sind ganz unterschiedliche Ansatzpunkte, Perspektiven und Methoden denkbar, je nach der persönlichen Zugangsweise des Verantwortlichen und der konkreten Situation der Ministrantengruppe. Auf diese Weise kann man die Sachen ganz unabhängig von den gegenwärtigen Blättern präsentieren: Diese dienen dabei dann lediglich als Leitfaden, Zusammenfassung und Erinnerungsstütze. Außerdem ist auch daran gedacht (und es ist tatsächlich geschehen), dass ältere Geschwister, Eltern oder sonstige Gottesdienstbesucher sich einmal die Blätter ansehen und so etwas mehr über den Hintergrund dessen erfahren, was die Ministranten tun. Das gegenwärtige Büchlein ist jedenfalls der Versuch, den Kindern etwas an die Hand zu geben, das sie auch in späteren Jahren als älter und reifer gewordene Menschen noch mit Gewinn lesen können. Es gibt nichts Nutzloseres als Texte, die man nur im Augenblick gebrauchen kann, weil man in zwei Wochen oder Jahren schon über sie hinausgewachsen ist. Über wichtige Dinge braucht man Texte, mit denen man nicht auf Anhieb „fertig“ ist, sondern die auch dann noch Gehalt besitzen, wenn man sie mit mehr Wissen, mit weiter gewordenen Kenntnissen und mit größerer Lebenserfahrung wiederliest.

Derzeit gibt es innerhalb der katholischen Kirche mancherorts Verständigungsprobleme hinsichtlich der Heiligen Messe. Die einen möchten die „alte“ tridentinische Messe, wie sie vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil war, weiterhin gelesen wissen, die anderen halten die Liturgiereform des genannten Konzils, den sogenannten Novus Ordo für eine große Errungenschaft, die sie gegen „vorkonziliare“ konservative Katholiken durch ein Verbot der tridentinischen Messe verteidigen zu müssen glauben. Das vorliegende Büchlein geht davon aus, dass die tridentinische Messe wie auch die Messe nach dem Novus Ordo, sofern er nach den römischen Vorschriften vollzogen wird, auf gleich legitime Weise dasselbe katholische Messopfer feiern. Man mag darüber streiten, in welchem der beiden Riten der sakramentale Inhalt sowie die ihm geschuldete Ehrfurcht deutlicher und durchdachter zum Ausdruck kommen. Diesen Streit möchte ich hier jedoch in keiner Weise führen. Ich halte mich vielmehr daran, dass in beiden Riten dasselbe Kreuzesopfer Christi unblutig vergegenwärtigt wird. Den Opfercharakter der Heiligen Messe hat nicht allein die gesamte Überlieferung bis zum Konzil von Trient ganz deutlich festgehalten, sondern auch das Zweite Vatikanische Konzil , das Messbuch des Novus Ordo und besonders eindringlich der Katechismus der Katholischen Kirche bekennen sich eindeutig dazu. Man soll die beiden Riten nicht vermischen, denn das würde zu Brüchen und Missverständnissen führen. Aber man sollte sich immer darüber klar bleiben, dass Christus durch den Priester in der tridentinischen Messe dieselbe Wandlung von Brot und Wein in sein göttliches Fleisch und Blut vollzieht wie im Novus Ordo. Deshalb müssen alle Messdiener – die Ministranten der tridentinischen Messe genauso wie die Ministrantinnen und Ministranten des Novus Ordo – zu einem Verständnis dieses Opfers hingeführt werden. Dazu möchte dieses Büchlein ein wenig helfen. Da der Opfercharakter der Heiligen Messe seit längerem weder im Religionsunterricht noch in der Erstkommunion- und Firmvorbereitung in angemessener Weise behandelt wird, wäre vielleicht auch daran zu denken, die gegenwärtigen Blätter für den Religionsunterricht und zur Vorbereitung der Betreuer von Erstkommunionkindern zu verwenden. Denn in diesen Bereichen ist es genauso wichtig wie für Ministranten, zu verstehen, worum es beim Messopfer geht.

Die Heilige Schrift führe ich nach dem Text des hl. Hieronymos, der sogenannten Vulgata (der „Weitverbreiteten“), an, weil das der klassische katholische Text der Bibel ist, der seit dem fünften Jahrhundert in allen Messen gelesen wurde, auf den sich alle Konzilien bezogen, und der bis heute im tridentinischen Ritus verwendet wird. Die gegenwärtig üblichen Bibelausgaben, wie etwa die Einheitsübersetzung weichen teilweise in der Psalmenzählung und im Titel alttestamentlicher Bücher von der Vulgata ab. Das hängt damit zusammen, dass die Texte schon in der Antike bei ihrer Übersetzung in’s Griechische teils neu abgeteilt, teils neu betitelt wurden. So bildeten beispielsweise die beiden Samuelbücher ursprünglich nur ein Werk, das man aber auf zwei Schriftrollen verteilt hatte, was dann Anlass gab, sie als zwei Bücher zu zählen. Ihr Name rührt daher, dass die jüdische Überlieferung sie für ein Werk des Propheten Samuel hielt. Da das jedoch nicht stimmt und außerdem die Samuelbücher mit den Königsbüchern darin übereinkommen, dass sie einen Abschnitt der Geschichte des jüdischen Reiches darstellen, hat man in der griechischen Fassung des Alten Testamentes die beiden Samuelbücher mit den zwei Königsbüchern zusammengestellt und damit vier „Bücher der Könige“ erhalten. Diese Namen und Zählweise hat der hl. Hieronymus deshalb auch aus der griechischen Bibel übernommen. Für den Text seiner lateinischen Übersetzung hat er aber das hebräische Original zugrunde gelegt. Die heutigen Ausgaben gehen hingegen auch auf den alten hebräischen Namen der Samuelbücher zurück, der eine (falsche) Verbindung mit dem Propheten Samuel andeutet. Ich folge hier, wie gesagt, dem hl. Hieronymus und vermerke an den wenigen Stellen, wo das nötig ist, die Abweichung zu anderen Bibelausgaben in eckigen Klammern (bei den Psalmen) oder in einer Fußnote (bei den Buchnamen).

Das Verständnis dessen, worum es in der Heiligen Messe geht, lässt sich nur durch eine Verschränkung philosophischer, religionsgeschichtlicher und theologischer Gesichtspunkte erschließen. Ich habe mich bemüht, diese Dinge möglichst einfach und leicht nachvollziehbar darzustellen. Damit man sich beim persönlichen Nachdenken wie auch bei Gesprächen über diese recht vielschichtige Materie leichter orientieren kann, habe ich meine Überlegungen in Paragraphen eingeteilt, die durch das ganze Büchlein hin fortlaufend numeriert sind.

Türkheim, im Frühjahr 2004

Herbert Huber

Download des kompletten Ministrantenhandbuchs als PDF-Datei (57 Seiten, 481k)