Mittwoch, 23. Oktober 2024

Buchtipp: "Unter Heiden - Warum ich trotzdem Christ bleibe" von Tobias Haberl

TOBIAS HABERL: 
UNTER HEIDEN 
WARUM ICH TROTZDEM CHRIST BLEIBE - 
WAS KANN DAS 21. JAHRHUNDERT EIGENTLICH VON GLÄUBIGEN MENSCHEN LERNEN? 

Über sein Buch schreibt der Autor folgendes: Ich bin katholisch. In meiner Kindheit war das eine Selbstverständlichkeit. Heute muss ich mich dafür rechtfertigen, ja manchmal komme ich mir vor wie ein Tier, das im Zoo angegafft wird: Wie kann man im 21. Jahrhundert an Gott glauben? Und wie kann man immer noch in der Kirche sein – nach allem, was ans Licht gekommen ist? Es ist tatsächlich so, dass ich in meinem Viertel (gentrifiziert), meiner Branche (Medien) und meinem Job (linksliberale Zeitung) von Menschen umringt bin, die, wenn es um den Glauben geht, oft nur noch an Missbrauch und Vertuschung denken. 

Leider haben viele von ihnen keine Ahnung davon, was das bedeutet: Christ sein. Sie kritisieren etwas, das sie nie kennen gelernt haben, und vergessen, worauf es ankommt: den Halt, den Trost, die Hoffnung. Glaube ist mehr als Schlagwörter (Zölibat, Missbrauch, Frauenpriestertum), mehr als eine Kirche, mit der ich auch hadere, auch mehr als eine Auszeit vom stressigen Alltag. Gläubige Menschen suchen keine Befriedigung, sondern Erlösung, nicht zuletzt von einer Welt, die aus den Fugen geraten scheint, zerrissen zwischen Zukunftsängsten und (gespenstischen) technologischen Visionen. 

Ständig wird gefordert, dass sich die Kirche verändern muss, um im 21. Jahrhundert anzukommen. Ich drehe die Frage um: Was kann das 21. Jahrhundert eigentlich von gläubigen Menschen lernen? Welche vermeintlich aus der Zeit gefallenen Rituale können die spätmoderne Gesellschaft von ihrer Atemlosigkeit erlösen? Denn eines ist offensichtlich: Der Mensch, der sich von Gott verabschiedet hat, findet nicht, was er sucht. Die große Freiheit stellt sich nicht ein. Stattdessen: neue Zwänge, neue Ängste, Ablenkung statt Trost, weil Google jede Frage beantworten kann, nur nicht die, wozu wir leben und was uns Halt gibt. Im Moment sind viele verunsichert, suchen Orientierung, etwas, woran sie sich festhalten können, aber: da ist nichts. 

Ich bin ein mittelmäßiger Christ, ganz sicher sind viele, die nicht an Gott glauben, bessere Menschen als ich. Aber ich versuche jeden Tag mit großer Ernsthaftigkeit, Gott zu gefallen – es gelingt halt nicht immer. Und deshalb erzählt dieses Buch davon, wie der Glaube mein Leben nicht nur verschönert, sondern vertieft, wie ich ein „zeitgemäßes Leben“ mit einem vermeintlich „unzeitgemäßen Glauben“ verbinde, weil Freiheit eine grandiose Sache ist, man aber schon eine Idee haben sollte, was man mit ihr anstellen will. Ich glaube, dass der moderne Mensch darunter leidet, dass er seinen Glauben verloren hat, ohne dass er es merkt. Ich glaube, dass sein Glück in falschen Dingen und an falschen Orten sucht. Ich glaube, dass er Sehnsucht nach etwas hat, das er sich nicht erklären kann. Was das sein könnte, steht in diesem Buch.

"Die Tagespost" über "Unter Heiden": 
"Tobias Haberl, Bestseller-Autor und Redakteur beim „Süddeutsche Zeitung Magazin“ hat ein neues Buch geschrieben. In „Unter Heiden – Warum ich trotzdem Christ bleibe“ – erzählt Haberl, wie es ist, als Katholik in einem Umfeld zu arbeiten und zu leben, in dem Gott keine Rolle mehr spielt. Das meisterhaft geschriebene Buch, das schon rein sprachlich betrachtet, einen Leckerbissen für literarische Feinschmecker darstellen dürfte, basiert auf einem gleichnamigen Essay, für den Haberl im vergangenen Jahr mit dem „Reporterpreis“ ausgezeichnet wurde."

Samstag, 19. Oktober 2024

Von der Faszination historischer Aufnahmen (6) - Tristan und Isolde mit Lauritz Melchior und Kirsten Flagstad unter Fritz Reiner (1936)

Tristan - Lauritz Melchior; Isolde - Kirsten Flagstad; Brangäne - Sabine Kalter; Marke - Emanuel List; Kurwenal - Herbert Janssen; 
Covent Garden Opera Chorus; London Philharmonic Orchestra
Fritz Reiner (Dirigent)
Naxos Historical 8.110068-70 

Kirsten Flagstad und Lauritz Melchoir sind archetypische Wagner-Interpreten, die nicht nur das nötige Gewicht zeigen, um über ein großes Orchester hinweg zu singen, sondern auch über reichlich Leidenschaft, Verständnis und körperliche Ausdauer verfügen. 

Diese berühmte Aufführung, die 1936 live in Covent Garden aufgenommen wurde, ist ein mitreißendes Denkmal ihrer Kunstfertigkeit. Der gegenwärtige Mangel an Wagner-Sängern hat Tristan und Isolde zu einer Dirigentenoper gemacht, aber trotz der aufregenden und anspruchsvollen Leitung von Fritz Reiner stehen Flagstad und Melchoir hier im Mittelpunkt. Man wird von der Schönheit ihres Klangs ebenso mitgerissen wie von ihren ekstatischen Ausdrucksformen der Lust. Selten war das Liebesduett im zweiten Akt so berauschend. 

Es ist bemerkenswert, wie viele Details durchkommen, wenn man das Alter der Aufnahme bedenkt. Naxos hat den Wagner-Fans einen unermesslichen Dienst erwiesen, indem es diese klassische Aufführung erneut veröffentlicht hat. Es ist ein unbezahlbares Dokument aus einer besonders glanzvollen Ära der Wagner-Interpretation.

Dienstag, 8. Oktober 2024

Der Geheimtipp: Fantastischer Tristan aus Australien

Stuart Skelton (Tenor) – Tristan: Gun-Brit Barkmin (Sopran) – Isolde: Ekaterina Gubanova (Mezzosopran) – Brangäne: Boaz Daniel (Bariton) – Kurwenal: Ain Anger (Bass) – König Marke: Angus Wood (Tenor) – Melot: Paul O'Neill (Tenor) – Junger Seemann, Hirte: Andrew Foote (Bariton) – Steuermann: WASO Chor: St. George's Cathedral Ensemble: West Australian Symphony Orchestra: Asher Fisch (Dirigent)
Perth Concert Hall, Australien, 16. und 19. August 2018 
ABC CLASSICS ABC 481 8518 [3 CDs, 77,24 + 73,33 + 71,04] 

Diese Aufnahme – live im Konzert im August 2018 aufgenommen – bietet eine bemerkenswerte Besetzung von Sängern, darunter Stuart Skelton, einer der größten Wagner-Sänger unserer Zeit, der als Tristan seine lang erwartete Debütaufnahme gibt. Skelton hat den Tristan, eine seiner Paraderollen, mit großem Erfolg auf der ganzen Welt gesungen, von der Metropolitan Opera in New York über die English National Opera bis hin zu den deutschen Festspielen in Baden-Baden und an meinem Stammopernhaus, der Bayerischen Staatsoper in München. Er wurde als „ein Tristan für die Ewigkeit“ gefeiert , seine Interpretation sei „ein unermüdlicher, glorreicher Leuchtturm des Wagner-Gesangs, mit unerschöpflicher Kraft, lebendiger Resonanz gepaart mit Wärme, Subtilität und Anmut sowie engagiertem dramatischen Ausdruck“. 

Isolde wird von der deutschen Sopranistin Gun-Brit Barkmin gesungen, die im Laufe ihrer schillernden Karriere für ihre Interpretation von Hauptrollen in Werken von Janáček, Britten, Berg, Wagner und Richard Strauss gefeiert wurde. Ihre Isolde wurde als „aufregend“ gefeiert, als „außerordentlich vollständige Darstellung“, die „eine Offenbarung“ sei. 

Auf dieser Aufnahme werden sie von einer Starbesetzung begleitet, zu der unter anderem Ekaterina Gubanova, Boaz Daniel und Ain Anger gehören, sowie vom West Australian Symphony Orchestra unter der Leitung ihres Chefdirigenten Asher Fisch, einem der bedeutendsten Wagner-Interpreten der Gegenwart. 

Tristan und Isolde veränderte für immer die Regeln darüber, was Musik sein sollte und konnte, und führte Konzepte ein – darunter Chromatik, Dissonanz und sogar Atonalität –, die die Entwicklung der Musik im 20. Jahrhundert bestimmen sollten. 

Vor allem aber ist es ein Werk von atemberaubender Schönheit, von unerfüllter Liebe, in dem Sänger und Orchester in einer der erhabensten Musiken zusammenkommen, die je geschrieben wurde. „Leben und Tod, die ganze Bedeutung und Existenz der Außenwelt“, schrieb Wagner selbst, „hängen hier von nichts anderem ab, als von den inneren Regungen der Seele.“

Dieses ganze Set ist weit mehr als nur ein Andenken an ein Live-Konzert; es ist ein sehr ernsthafter Anwärter darauf, eine der großartigsten Aufnahmen von Tristan und Isolde auf CD zu sein.