Porath,
Silke:
Gottes Weber : das Leben des
heiligen Antonio Maria Claret ; Roman / Silke Porath. - Waldsolms:
Gipfelbuch-Verl., 2006. - 425 S.
ISBN
3-937591-21-4
Passend
zum 200. Geburtstag Clarets (1807-1870) schrieb die junge deutsche
Journalisten Silke Porath (Jahrgang 1971) ihren ersten biografischen
Roman „Gottes Weber“. Ein in unserer Zeit recht
ungewöhnliches Unternehmen, da Heiligenbiografien in Romanform heute
nicht mehr zeitgemäß zu sein scheinen: Es ist ein
Wiederbelebungsversuch des Historienromans. Man fühlt sich etwas an
die bekannten hagiografischen Romane wie beispielsweise „Der
Pfarrer von Ars“ oder „Der Bettler von Granada“ von
Wilhelm Hünermann erinnert, der es in den 50er und 60er Jahren
bestens verstand, fesselnde „Lebensbilder“ großer
Persönlichkeiten zu zeichnen.
Und
auch in „Gottes Weber“ stehen somit nicht in erster Linie
Zahlen, Daten und Fakten im Vordergrund, diese werden als Anhang in
tabellarischer Form am Endes des Buches korrekt nachgeliefert,
sondern die „Lebensgeschichte“ Clarets. So schreibt die Autorin:
„Mein Anliegen war es, den Menschen Claret zu zeigen. Um dies
möglich zu machen, habe ich zum Mittel der Fiktion gegriffen. So
stimmen Zeitenfolge und die Begegnungen mit Menschen, die mir als
Vorlage für die literarischen Figuren dienten, nicht immer mit der
Realität überein. Einige Personen in meinem Buch haben wirklich
gelebt. Manche sind meiner Phantasie entsprungen ... Dieses Buch ist
der Versuch, eine Vision und einen Visionär zu zeigen, der bis heute
Vorbild sein kann.“
Die
Autorin erzählt die Geschichte des hl. Antonio Maria Claret, eines
jungen spanischen Webers zur Zeit Napoleons, der gegen den Widerstand
seines Vaters den Familienbetrieb in Sallent verlässt und die
berufliche Ausbildung aufgibt um Priester und Ordensmann zu werden.
Auf
„Ratschlag“ der Gottesmutter Maria, die ihm seit seiner Kindheit
bis zu seinem Tode immer wieder regelmäßig erscheint, gibt er aber
seinen Wunsch Kartäuser zu werden schließlich auf und möchte von
den Menschen von nun an als Wanderprediger helfen: "Mehr
Menschen erreichen, alle erreichen, die Armen überall, ihnen
beistehen“, das ist sein
sehnlichster Wunsch. Und das schreibt er 1839 nieder und sendet sein
Gesuch schließlich an den Bischof. Sein Gesuch wird erhört. Claret
wird zu einem begnadeten Volksmissionar in seiner Heimat Katalonien.
Von dort aus beginnt er seine entbehrungsreiche Reise durch
das zerrissene Land, später durch halb Europa.
1847
gründet er mit fünf Brüdern die „Kongregation vom Hl.
Unbefleckten Herzen Mariens“ und 1849 die „Bruderschaft von der
christlichen Lehre“ (Claretiner). Kurze Zeit darauf wird er zum
Bischof von Kuba ernannt und muss seinen Konvent verlassen. Gleich
nach seiner Ankunft begreift er, dass eine Erneuerung des
christlichen Lebens unbedingt notwendig ist. Er organisiert eine
Reihe Missionskampagnen, an denen er sich selbst beteiligt, um das
Wort Gottes in alle Ortschaften zu tragen. Nach
einem Attentat ist er lange Zeit mit schweren Verletzungen ans Bett
gefesselt. Seine Genesung geschieht aber wundersamerweise mit Hilfe
der Jungfrau Maria binnen einer einzigen Nacht. Obwohl Claret
in seiner asketischen, nach innen gerichteten Lebenswelt nie nach
Einfluss, Rang und Stellung strebt, führt sein Weg weiter nach oben.
1857 wird Antonio Claret an das spanische
Königshaus als persönlicher Beichtvater der jungen Regentin
Isabella II. gerufen, dessen Kinder er in der Theologie erzieht und
auch für Isabella selbst bald zu einer Vaterfigur wird. Die
Dienste am Hof füllen weder die Zeit noch den apostolischen Geist
Clarets aus. Darum weitet er seine Aktivität auf die Stadt aus. Er
predigt und hört Beichte, schreibt Bücher, besucht Gefängnisse und
Krankenhäuser.
Infolge
der Septemberrevolution von 1868 geht er mit der Königin ins Exil.
Zur Feier des goldenen Priesterjubiläums von Papst Pius IX begibt er
sich nach Rom und nimmt an der Vorbereitung des Ersten Vatikanischen
Konzils teil. Nach dem Ende der Sitzungen ist Claret gesundheitlich
so stark angeschlagen, dass er sich in die Gemeinschaft, die seine
Missionare in Prades (Südfrankreich) hatten, zurückzieht. Selbst
dort erreichen ihn seine Verfolger, die ihn gefangennehmen und nach
Spanien bringen wollen, um ihn dort vor Gericht zu stellen und
abzuurteilen. Claret muss wie ein Straftäter fliehen und sucht im
Zisterzienserkloster Fontfroide Zuflucht, wo er, umgeben von der
Zuneigung der Mönche und einiger seiner Missionare am 24. Oktober
1870 im Alter von 63 Jahren stirbt. - Am 25. Februar 1934 wurde er
von Papst Pius XI. seliggesprochen. Pius XII. sprach ihn am 7. Mai
1950 heilig.
Silke
Porath gelingt es, die „Lebensgeschichte“ Clarets mit einer
flüssigen, intensiven und sehr bilderreichen Sprache umzusetzen und
zu einem angenehm zu lesenden Gesamtwerk zusammenzufügen. –
Allerdings ist ihr Sprachstil aber vielleicht manchmal doch etwas „zu
bilderreich“, was besonders bei den Visionen, beispielsweise bei
der Marienerscheinung nach dem Attentat an Clarets Krankenbett
auffällt:
»Ich
schlafe nicht«, will Claret sagen, doch der dicke Verband legt sich
kühl auf sein Gesicht. »Ich fürchte mich«, denkt er und sieht
hinter seinen geschlossenen Augen das lächelnde Gesicht seiner
Schwester. Langsam schwebt die Mädchengestalt höher und höher,
erhebt sich in die Luft. Nebel umgibt die Gestalt, Rosa verblasst,
ihre warme Stimme wird leiser, verstummt und aus dem Nebel formt sich
das lächelnde Antlitz der Heiligen Jungfrau.
»Fürchte dich nicht, Antonio Claret«, lächelt Maria den
Kranken an. »Fühlst du denn nicht mehr das Feuer der Gnade, das
Glück, dass dein Blut im Namen meines Sohnes vergossen wird?«
Die Erscheinung hebt die Hand, als wolle sie
den schlafenden Claret streicheln. Heiß und wohlig durchströmt
eine Welle aus Liebe und Glück den Körper des Erzbischofs, wärmt
seinen Magen, sein Herz und legt sich wie ein Schleier auf die
pochende klaffende Wunde in seinem Gesicht. Sanft scheint die Heilige
Jungfrau ihre Hand auf die Wange des Priesters zu legen. Wie tausend
Stiche fährt die Berührung Claret ins Gesicht, er kann sich selbst
sehen, wie er wund und schwach im Bett liegt, er sieht den weißen
Kieferknochen, der durch das Fleisch seiner Wange schimmert, den
Riss, der quer über sein Gesicht geht.
»Vertraue
mir«, flüstert die Jungfrau. Dann wabert der Nebel hoch, sanft
streicht die Erscheinung über den aufgeschnittenen rechten Arm des
Bischofs, seine Hand zuckt, will nach der Gestalt greifen. Doch der
Nebel wird dichter und es bleibt nur noch ein Gedanke für Antonio
Claret — der Glaube an die Hilfe und
Gnade der himmlischen Mutter.
(S. 300)
Solche
Textpassagen bleiben natürlich „Geschmackssache“. - Aber
vielleicht fehlt es dem Rezensenten hier aber auch einfach etwas an
Fantasie (und Erfahrung), weil er zu „verkopft“ denkt? -
Biographische Romane sind für jeden Autoren eine schwierige Übung,
gilt es doch möglichst genau bei den historischen Fakten zu bleiben
und trotzdem noch Spannung zu erzeugen. Wenn dann die handelnden
Personen dann auch noch fest im Glauben verwurzelt sind und dazu auch
noch Visionen haben, erhöhen sich diese Probleme nochmals
zusätzlich.
Letztendlich
hat Silke Porath diese Probleme aber sehr gut zu bewältigen gewusst.
„Gottes Weber“ bringt uns den hl. Antonio Claret als einen
Menschen und eine faszinierende Persönlichkeit nahe, der seinem
Glauben und seiner Berufung - trotz der vielfältigen Versuchungen
und versuchten Einflussnahmen - treu bleibt und darin die Erfüllung
seines Lebens findet. Darüber hinaus erfährt man, dank
hervorragender Hintergrundrecherchen, viel über die Zeit und die
Lebensumstände der Menschen im Umkreis des Heiligen: Ein sehr
detailreicher, spannender und beeindruckender Historienroman, den man
auch den jungen Menschen nicht vorenthalten sollte, die es heute noch
wagen, einen Roman mit über 400 Seiten in die Hand zu nehmen.
P.
Siegfried Wewers OSB
(Rezension für die ORDENSKORRESPONDENZ)