Montag, 13. Mai 2024

Notker Wolf - Mönch, Erzabt, Abtprimas, Mensch

Er zählte zu den bekanntesten Ordensleuten Deutschlands: Notker Wolf, Benediktinermönch und 16 Jahre lang Abtprimas des weltweiten Zusammenschlusses der Benediktinerklöster, ist am 2. April, im Alter von 83 Jahren überraschend in Frankfurt gestorben. 

Wenn er sich selbst mit 30 Jahren begegnen würde, was würde er sich raten, wurde Abt Notker anlässlich seines 80. Geburtstages gefragt. Seine Antwort: „Nimm dein Leben ernst, aber nicht zu ernst. Freu dich auch des Lebens. Das ist die beste Medizin, um alt zu werden.“ Irgendwann sei auch sein Leben zu Ende, „aber so tragisch ist das nicht“. Humor war Abt Notker  immer wichtig. Auch, weil man manches eben nur mit Humor, der "kleinen Schwester des Glaubens", ertragen könne.


In den letzten Wochen sind viele Artikel und Nachrufe in der Presse erschienen. Den m.E. lesenswertesten möchte ich an dieser Stelle verlinken. Er stammt von P. Markus Muff von der "Foundation Benedict" und ist hier zu finden: LINK ZUM ARTIKEL


Sonntag, 12. Mai 2024

Robert Spaemann über den Tauf- und Firmzeitpunkt

Wie beurteilen Sie die seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil auch unter getauften Eltern zunehmend verbreitete Auffassung, Kinder sollten sich selbst für oder gegen die Taufe entscheiden, sobald sie zur Vernunft gelangt sind?

Robert Spaemann: Hier liegen ein paar tiefsitzende Irrtümer zugrunde. Jesus sagt zu seinen Jüngern: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern Ich habe euch erwählt.“ Das heißt: Gott hat mich gefunden, nicht ich habe Gott gefunden. Die Kindertaufe drückt das sehr gut aus: Zunächst empfangen wir. Dass das Kind in Freiheit den Glauben annehmen muss ist klar; aber um den Glauben überhaupt annehmen zu können, muss man ihn von innen kennengelernt haben. Wer glaubt, dass Jesus Christus sein Erlöser ist, der wird doch seinen Kindern das nicht vorenthalten. Alfred Grosser, der selbst ungläubig war, schickte seine Kinder in ein katholisches Internat damit sie, wie er es ausdrückte, sich einmal frei entscheiden können. 

Um sich frei entscheiden zu können, sollten sie erst einmal die gelebte Praxis des Glaubens kennenlernen. „Verlieren“, sagte er mir einmal „kann man den Glauben sehr schnell. Viel schwerer ist es, ihn zu erwerben.“. Im Übrigen ist die Firmung das Sakrament, im Zusammenhang mit dem die eigenständige Übernahme des Glaubens erfolgt. Die Orthodoxen firmen die Kinder zusammen mit der Taufe. Das kann man auch machen - im Vertrauen auf die Kraft des Sakramentes. Wenn man es aber nicht mit der Taufe zusammenlegt, dann sollte man nicht zu früh firmen.

Ich persönlich würde dafür plädieren, dass die Kinder überhaupt nicht gruppenweise oder klassenweise zur Firmung geführt werden, sondern dass sie sich erst firmen lassen, wenn sie in das Alter der Selbstbestimmung eintreten, also vielleicht mit 17 oder 18. Dann werden vielleicht sehr viel weniger Jugendliche gefirmt werden, aber das Firmsakrament wird heute vielfach missbraucht: Es werden Kinder gefirmt, die weder vorher noch nachher in die Kirche gehen. Das ist ein unmöglicher Zustand. Das gilt übrigens auch für die Taufe. Nur solche Eltern sollten ihre Kinder taufen lassen, die selber willens sind, die Kinder in einem Leben aus dem Glauben zu erziehen. Wenn sie das gar nicht wollen oder nicht können, dann spricht das auch gegen die Kindertaufe. Das ist ein Sakramentalismus, der meiner Ansicht nach nicht gerechtfertigt ist.

Donnerstag, 2. Mai 2024

Bücher, die man gelesen haben muss! Was sind „Klassiker der spirituellen Literatur“?

Es gibt Bücher, die zum Grundbestand des geistlichen Lebens gehören. Sie sind Spiegel der Erfahrungen, die Menschen mit Gott gemacht haben, und wurden daher zu Inspirationsquellen und Wegbegleitern für die religiöse Bildung. Seit den Zeiten der Urkirche hat man immer wieder solche Werke verfasst: Autobiographien und Tagebucheinträge, Gedichte und Lieder, Gebete und Meditationen, Regeln und Anleitungen, Visionsberichte, Briefe und Spruchsammlungen – ihre literarischen Gattungen und Formen sind sehr verschieden, doch betreffen sie über die Zeiten hinweg offenbar einen Kern des „Menschlichen“: das Leben mit Gott. So sind diese Werke zu Büchern geworden, die man gelesen haben muss! P. Prof. Dr. Michael Plattig OCarm von der PTH Münster möchte uns mit ausgewählten Klassikern der spirituellen Literatur bekannt machen und sie vorstellen – und lädt dazu ein, diese Werke zu lesen.

   

Mittwoch, 1. Mai 2024

Von Schlümpfen und Heldentenören - Mein Wagner Erstkontakt

“Wer zu Richard Wagner geht, kommt bei ihm um. Auf rätselhafte Weise macht seine Kunst viele Konsumenten bereits beim Erstkontakt süchtig. Danach gibt es kaum Möglichkeiten des Schutzes oder der Immunisierung.” - So sieht es Wolfram Goertz in einem 2013 erschienenen Artikel in der “Zeit” zum 200. Geburtstag des Meisters. Und er hat recht. So weit ich mich erinnern kann, fand mein Erstkontakt mit 13 oder 14 Jahren statt. Meine Mutter sagte mir einmal, dass ich ungefähr zu dieser Zeit anfing, mir anstatt Schlümpfe für meinen Setzkasten, lieber Langspielplatten mit klassischer Musik zu wünschen. Unter diesen ersten Schallplatten war ein Doppelalbum des spanischen Startenors Placido Domingos, den ich zuvor nur aus dem Radio kannte und dessen Stimme mich begeisterte. Ich muss ehrlicherweise zugeben, dass noch bevor ich Wagnerianer wurde, ich ein großer Domingo-Fan war (und es bis heute noch bin): Domingo ist - zusammen mit Fritz Wunderlich - einfach “der Größte”. 

Auf diesem Doppelalbum war nun auch ein Ausschnitt aus Wagners “Meistersinger von Nürnberg”, Walter von Stolzings Preislied “Morgenlich leuchtend” aus dem 3. Akt. Hier können Sie es anhören:

   

Dieses Preislied war also mein “Wagner Erstkontakt”. Und ich war begeistert und hörte mir diese Stelle wieder und wieder an. Ich war “infiziert” und begann mich in unserer Stadtbücherei ausführlicher über das Leben und Werk Richard Wagners zu informieren. Und natürlich wollte ich nun unbedingt mehr hören, eine ganze Wagner Oper oder besser noch, gleich Wagners monumentalen Vierteiler, den “Ring des Nibelungen”. So sammelte ich mein Taschengeld für dieses LP-Grossprojekt und schlug dann zu: Karl Böhms legendärer Bayreuther “Ring” aus dem Jahr 1966. 15 Stunden Wagner nonstop! Denn bei Wagner wird nichts im Kleinformat vorgeführt, seine Opern sind ganz großes Kino.

Wagner war kein Nostalgiker, sondern leidenschaftlicher Revolutionär, der sich mit den bestehenden Verhältnissen überhaupt nicht abfinden wollte. Bei genauerer Betrachtung ist der "Ring" auch keine verklärende Germanen-Sage. Vielmehr ging es um Gesellschaftskritik in archaischem Gewand. Text, Bild und Musik sollten zu einem Gesamtkunstwerk verschmelzen und die Handlung zum Menschheitsgleichnis werden. Es geht um den Gegensatz von Geld und Liebe und die zerstörerische Kraft des Machtstrebens. - 

Aber in diesem Beitrag soll es darum gehen, wie Wagners Musik mir zum unverzichtbaren Alltagsbegleiter wurde. Und nichts eignet sich besser als "Einstiegsdroge", als das Vorspiel zu "Das Rheingold", dem ersten Teil des Opernvierteilers. Hören wir also die ersten 4 Minuten (bei gefallen auch länger) des "Rings" in der bereits angesprochenen Bayreuther Einspielung unter Karl Böhm, meiner ersten Wagner-Gesamtaufnahme auf LP:

   

Im Wasser beginnt alles Leben und endet auch dort am Ende der "Götterdämmerung". Im berühmten 136 Takte dauernden Vorspiel, in dem sich die Keimzelle allen Werdens, als „Es“ in den Kontrabässen allmählich aus dem Urschlamm herauslöst, lässt Wagner den Klang wie aus dem Nichts entstehen. Zum „Es“ intonieren die Fagotte in völliger Ruhe, es regt sich „Leben und Weben“, dann kommen die Hörner dazu, die in weichen Piano-Linien, übergangslos in aufsteigenden Hornquinten das „Werde-Motiv“ bilden. So entsteht nach und nach der vollständige Es-Dur Akkord, die Streicher gehen in eine immer bewegtere Wellenbewegung über, die im jubelnden lautmalerischen Gesang der Rheintöchter gipfelt.

Das ist pure Klangmagie: Musik aus dem Nichts. 

Etwas vergleichbares hatte ich zuvor noch nie gehört. Und auch heute bekomme ich - wie damals - noch immer eine "Gänsehaut", wenn ich das Rheingold-Vorspiel live im Opernhaus (besonders in Bayreuth) oder auf Tonträgern höre. 

So begann "Wagners einzigartiges Werk, in dem sich Mythos und Modernität, Klangmagie und Seelenzauber, Verführungskraft und Menschlichkeit zu einem Netz verknüpfen, das unsere ganze Seele gefangen nimmt" (Dieter Borchmeyer), mein Leben für immer zu verändern.