Robert Spaemann: Hier liegen ein paar tiefsitzende Irrtümer zugrunde. Jesus sagt zu seinen Jüngern: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern Ich habe euch erwählt.“ Das heißt: Gott hat mich gefunden, nicht ich habe Gott gefunden. Die Kindertaufe drückt das sehr gut aus: Zunächst empfangen wir. Dass das Kind in Freiheit den Glauben annehmen muss ist klar; aber um den Glauben überhaupt annehmen zu können, muss man ihn von innen kennengelernt haben. Wer glaubt, dass Jesus Christus sein Erlöser ist, der wird doch seinen Kindern das nicht vorenthalten. Alfred Grosser, der selbst ungläubig war, schickte seine Kinder in ein katholisches Internat damit sie, wie er es ausdrückte, sich einmal frei entscheiden können.
Um sich frei entscheiden zu können, sollten sie erst einmal die gelebte Praxis des Glaubens kennenlernen. „Verlieren“, sagte er mir einmal „kann man den Glauben sehr schnell. Viel schwerer ist es, ihn zu erwerben.“. Im Übrigen ist die Firmung das Sakrament, im Zusammenhang mit dem die eigenständige Übernahme des Glaubens erfolgt. Die Orthodoxen firmen die Kinder zusammen mit der Taufe. Das kann man auch machen - im Vertrauen auf die Kraft des Sakramentes. Wenn man es aber nicht mit der Taufe zusammenlegt, dann sollte man nicht zu früh firmen.
Ich persönlich würde dafür plädieren, dass die Kinder überhaupt nicht gruppenweise oder klassenweise zur Firmung geführt werden, sondern dass sie sich erst firmen lassen, wenn sie in das Alter der Selbstbestimmung eintreten, also vielleicht mit 17 oder 18. Dann werden vielleicht sehr viel weniger Jugendliche gefirmt werden, aber das Firmsakrament wird heute vielfach missbraucht: Es werden Kinder gefirmt, die weder vorher noch nachher in die Kirche gehen. Das ist ein unmöglicher Zustand. Das gilt übrigens auch für die Taufe. Nur solche Eltern sollten ihre Kinder taufen lassen, die selber willens sind, die Kinder in einem Leben aus dem Glauben zu erziehen. Wenn sie das gar nicht wollen oder nicht können, dann spricht das auch gegen die Kindertaufe. Das ist ein Sakramentalismus, der meiner Ansicht nach nicht gerechtfertigt ist.
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