Mittwoch, 7. Februar 2007

Offener Brief an alle, die gerne nachdenken möchten...


Offener Brief an alle, die gerne nachdenken möchten... – Der französische Erzbischof Hippolyte Simon verteidigt Benedikt XVI. gegen seine Kritiker

Der stellvertretende Vorsitzende der Französischen Bischofskonferenz. Erzbischof Hippolyte Simon hat am Freitag einen offenen Brief an die Medien gerichtet. Darin kritisiert er den unfairen Umgang mit Papst Benedikt XVI. im Zusammenhang mit der Aufhebung der Exkommunikation von vier Bischöfen der Priesterbruderschaft Pius X.

"Ich weiß nicht, ob ich wütend oder unglücklich bin: in Wahrheit wahrscheinlich beides. Doch was zuviel ist, ist zuviel, also sage ich: es reicht! Der mediale Aufruhr gegen Papst Benedikt XVI., der vier fundamentalistische Bischöfe und unter ihnen einen erwiesenen Holocaust-Leugner angeblich wieder in die Kirche eingegliedert hätte, stellt keine Kritik dar, sondern Verleumdung und Desinformation. Denn was auch immer man über die Entscheidungen des Papstes denken mag, so muss gesagt, wiederholt und betont werden, dass diese vier Bischöfe nicht wieder eingegliedert worden sind. Bischof Williamson, dessen Äußerungen im schwedischen Fernsehen in der Tat untragbar sind, ist also noch nicht in den Schoß der katholischen Kirche zurückgekehrt, und er untersteht immer noch nicht der Autorität des Papstes. Die Nachrichten, die von Wiedereingliederung sprechen, beruhen auf einer schweren Verwechslung zwischen Aufhebung der Exkommunikation und vollständiger Wiedereingliederung.

Ich zeige mich gerne allen Journalisten und Kommentatoren gegenüber nachsichtig, die guten Glaubens die Aufhebung der Exkommunikation mit der einfachen Wiedereingliederung durcheinander bringen konnten. Die von der Kirche benutzten Kategorien können für die breite Öffentlichkeit missverständlich sein. Doch die Wahrheit verpflichtet zu sagen, dass dies nach dem Kirchenrecht absolut nicht dasselbe ist. Wenn man die Ebenen verwechselt, wird man ein Opfer von Simplifizierungen, die nur denen nutzen, die provozieren wollen. Und man macht sich unfreiwillig zu deren Komplizen. Normalerweise ist die Öffentlichkeit im Recht, wenn sie von einem Sportjournalisten verlangt, dass er etwa zwischen einem Eckball und einem Versuch [Begriff aus dem Rugby A.d.Ü.] unterscheiden kann. Warum sollte die Kirche nicht ebenfalls das Recht auf ein „technisches“ Vokabular haben, und warum sollte man solche schweren Ungenauigkeiten nur unter dem Vorwand, dass es sich um Religion handelt, dulden?

Sehen wir uns einfach noch einmal genau an, was passiert ist. Nach der Wahl von Papst Benedikt XVI. im April 2005 haben die Bischöfe der Priesterbruderschaft St. Pius X., die vor mehr als dreißig Jahren von Erzbischof Lefebvre gegründet worden ist, darum gebeten, den Dialog mit Rom wieder aufzunehmen, doch sie haben zwei Vorbedingungen gestellt: erstens, die Liberalisierung des Missales von 1962, was durch ein Motu proprio im Juli 2007 geschehen ist, und zweitens die Aufhebung der Exkommunikation.

Was bedeutet die Aufhebung der Exkommunikation? Um einen geläufigen Vergleich zu gebrauchen würde ich sagen: als Erzbischof Lefebvre ausgetreten ist, das heißt als er ungehorsam war, weil er trotz der ausdrücklichen Mahnung des Papstes vier Bischöfe geweiht hat, wurde sozusagen automatisch eine Schranke heruntergelassen und eine Ampel auf Rot gestellt, um auszudrücken, dass er ausgetreten war. Das bedeutete, dass er, wenn er eines Tages wieder eintreten wollte, vorher Abbitte leisten müsse. Erzbischof Lefebvre ist tot. Friede seiner Seele! Heute, nach zwanzig Jahren, sagen seine Nachfolger dem Papst: „Wir sind bereit, den Dialog wieder aufzunehmen, aber von Ihrer Seite ist eine symbolische Geste erforderlich. Heben Sie die Schranke hoch und stellen Sie das gelbe Blinklicht an!“

Der Papst hat also, um dem Dialog nichts in den Weg zu legen, die Schranken hochgehoben und das gelbe Blinklicht angestellt. Die Frage ist nun, ob diejenigen, die um Wiedereintritt bitten, dies auch tun werden. Werden sie alle wiedereintreten? Wann? Unter welchen Bedingungen? Man weiß es nicht. Wie Kardinal Giovanni Battista Re (der Präfekt der Kongregation für die Bischöfe) in seinem offiziellen Dekret sagt: „Es handelt sich darum, die Bedingungen des Dialogs festzulegen.“ Es ist möglich, dass der Papst ihnen nach einer Frist, die wir nicht kennen, ein kanonisches Statut verleihen wird. Doch das ist derzeit noch nicht geschehen. Die Vorbedingung für den Dialog ist erfüllt, doch der Dialog hat noch nicht begonnen. Wir können also nicht die Ergebnisse des Dialogs beurteilen, bevor dieser überhaupt stattgefunden hat.

Nun veröffentlicht also ein schwedischer Fernsehsender am Vorabend des Tages, an dem das Dekret von Kardinal Re publiziert werden soll, die klar den Holocaust leugnenden Äußerungen eines der vier betroffenen Bischöfe, Bischof Williamson. Konnte der Papst, als er grünes Licht für die Unterzeichnung des Dekrets durch den Kardinal gegeben hatte, die Aussagen von Bischof Williamson kennen? Ich glaube, ganz ehrlich gesagt, das verneinen zu können. Und das ist in einem Sinne eher beruhigend: es ist ein Zeichen dafür, dass der Vatikan wirklich nicht die Mittel hat, alle Bischöfe und alle Fernsehkanäle der Welt überwachen zu lassen! Hier also darf man keine falsche Interpretation vornehmen: was bedeutet dieses Zusammenfallen der Unterzeichnung eines Dekrets, das für den 21. Januar vorgesehen war und Bischof Williamson folglich bekannt war, und der Ausstrahlung seiner Äußerungen im Fernsehen?

Jeder sollte sich fragen: wem nützt das Verbrechen? Wem nützt der Skandal, der durch die Äußerung einer solchen Obszönität hervorgerufen wird? Die Antwort scheint mir klar: dem- oder denjenigen, die den durch die Unterzeichnung des Dekrets begonnenen Prozess torpedieren wollen! Nun, wenn man nur ein wenig diese Fragen und die verschiedenen Aussagen von Msgr. Williamson während der letzten Jahre verfolgt, ist es eindeutig, dass er die Versöhnung mit Rom um keinen Preis will! Dieser Bischof – und ich wiederhole nochmals, dass er Rom heute noch in keiner Weise rechtlich unterstellt ist – hat sich schlicht der Methode der Terroristen bedient: er lässt eine (geistige) Bombe explodieren und hofft, dass der gesamte Prozess der Versöhnung entgleist. Er hält es, wie alle Ultras zu allen Zeiten: er lässt lieber ein Ruinenfeld zurück als sich mit denen zu versöhnen, die er als seine Feinde betrachtet.

Ich sage also von Traurigkeit erfüllt all denen, die – ob mit Genugtuung oder mit Schmerzen – Benedikt XVI. und Bischof Williamson miteinander vermischt haben: Sie haben unbewusst das Spiel eines zynischen Provokateurs gespielt! Und – so wage ich zu sagen – als Prämie haben Sie ihm ein zweites Ziel angeboten, das ihn nur entzücken konnte: auf die schlimmste Weise den Ruf des Papstes zu beschmutzen. Eines Papstes, dem er mehr misstraut als allem anderen, denn er sieht genau, dass dieser Papst die gesamte Argumentation entkräftet, die Erzbischof Lefebvre einstmals aufgestellt hatte. Ich kann auf diesen Punkt hier nicht genauer eingehen. Ich möchte nur auf einen Artikel verweisen, den ich letztes Jahr zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Motu proprio in der Zeitung „Le Monde“ geschrieben habe: „Wenn ich ein wenig überall lese, dass der Papst den Fundamentalisten alles bewilligt und nichts im Gegenzug verlangt, so kann ich dem nicht zustimmen: er bewilligt ihnen alles, was die Form der Riten anbelangt, doch er entkräftet ihre Argumentation von Grund auf. Die gesamte Argumentation von Erzbischof Lefebvre beruhte auf einer angeblich substanziellen Differenz zwischen dem Ritus des heiligen Pius V. und dem Ritus Pauls VI.. Nun erklärt Benedikt XVI., dass es keinen Sinn hat, von zwei Riten zu sprechen. Man könnte allenfalls einen Widerstand gegen das Konzil legitimieren, wenn man ganz ehrlich denken würde, dass ein substanzieller Unterschied zwischen den Riten bestehe. Kann man diesen Widerstand und schließlich sogar ein Schisma aber legitimieren, wenn man lediglich von einem Unterschied in den Formen ausgeht?

Für einen Fundamentalisten und zumal für einen Leugner des Holocaust wie Bischof Williamson ist Benedikt XVI. unendlich viel schlimmer, als alle diejenigen, die einen „Bruch“, der durch das Zweite Vatikanische Konzil herbeigeführt wurde, verherrlichen. Denn wenn es einen Bruch gibt, dann wird er durch seinen Gegensatz zum „Neuen“ gestärkt. Doch derjenige, der friedlich aufzeigt, dass das Missale von Paul VI., die Religionsfreiheit und die Ökumene integrierender Bestandteil der authentischen katholischen Tradition sind, der entzieht ihnen jede Rechtfertigung.

Ich bin mir wohl bewusst, dass ich meine Argumentation weiter entwickeln müsste. Möge mir jeder verzeihen, wenn ich auf die Internetseiten verweise, wo all das ersichtlich wird. Doch ich wünsche mir vor allem, dass jeder sich vor allzu gut aufgezogenen Provokationen hüten möge. Was diejenigen betrifft, die meinen, ständig wiederholen zu müssen, dass Joseph Ratzinger in der Hitlerjugend gedient hat, so mögen sie bitte das Zeugnis lesen, dass er am 6. Juni 2006 in Caen aus Anlass des sechzigsten Jahrestags der Landung der Alliierten in der Normandie abgegeben hat, und sich dann fragen, was sie an seiner Stelle getan hätten... Wenn man ein wenig zu laut mit den heutigen Wölfen heult, dann bringt man nicht unbedingt den Beweis dafür, dass man in der Lage gewesen wäre, sich von der Wölfen der damaligen Zeit abzugrenzen....

Es bleibt noch ein Punkt, der zweitrangig, aber trotzdem äußerst schwerwiegend ist: man muss sich jedenfalls Fragen zur Kommunikation der römischen Instanzen stellen, wenn es sich um so heikle Themen handelt. Nach der Polemik von Regensburg (die es ebenfalls verdiente, aufmerksam demontiert zu werden... ) hoffe ich – aber ich behalte mir vor, darüber eher intern zu reden –, dass die Verantwortlichen der Kurie ihrer missglückten Kommunikation eine ernsthafte Besprechung widmen. Um es kurz zu sagen, habe ich die Dinge folgendermaßen erlebt: Am Mittwoch, dem 21. Januar, wird von den italienischen Fundamentalisten, die zu triumphieren glauben, in der italienischen Zeitung „Il Giornale“ „eine Flucht organisiert“. Sofort wird das Tamtam in den Medien ausgelöst. Doch wir, die Mitglieder der Bischofskonferenzen, wir wissen absolut nichts! Drei Tage lang verbreiten sich ständig mehr Nachrichten – irrige, die die ganze Zeit von Wiedereingliederung reden – wie ein Buschfeuer. Und dann kommt die „Bombe“ von Bischof Williamson... Und erst am Samstagmorgen – drei Tage zu spät! – erhalten wir das offizielle Kommuniqué von Kardinal Re. Wie stellen Sie sich vor, dass wir da die Diskussion wieder auf eine richtige Grundlage stellen können? Kardinal Ricard hat sich redlich darum bemüht, doch das Feuer war schon ausgebrochen und niemand konnte noch ein vernünftiges Wort hören.

Jetzt, wo sich der Wirbel allmählich legt, müssen wir versuchen, uns wieder in Ruhe zu besinnen. Wie meine Großmutter sagte: Gott kann aus etwas Schlechtem etwas Gutes hervorgehen lassen. Das Schlechte ist, dass Papst Benedikt XVI. wieder einmal von einer Mehrheit der überregionalen Medien durch den Dreck gezogen wurde, ausgenommen – Gott sei Dank – „La Croix“ und einige andere. Viele Katholiken und viele Menschen guten Willens begegnen dem mit Verständnislosigkeit und Leid. Doch das Gute ist, dass die Masken gefallen sind! Wenn der Dialog mit den Bischöfen der Priesterbruderschaft St. Pius X. trotz allem weitergeht – unter dem Vorbehalt natürlich, dass sie durch die nunmehr hoch gehobene Schranke gehen – dann wird man eine Unterscheidung treffen können, denn jetzt wissen alle ein bisschen besser, was die einen und was die anderen denken.

Zum Abschluss möchte ich mich an die gläubigen Katholiken wenden, die – nicht ohne Grund – das Gefühl haben können, in dieser Geschichte ein wenig verraten, um nicht zu sagen verachtet worden zu sein: denkt über das Gleichnis vom verlorenen Sohn nach und führt es weiter. Wenn der ältere Sohn, der sich zunächst weigert, am Fest teilzunehmen, sagt, dass er doch daran teilnehmen möchte, werdet Ihr ihn dann zurückweisen? Vertraut genug auf Euch selbst und auf den Geist, der die Kirche führt und der auch das Zweite Vatikanische Konzil geführt hat, um zu glauben, dass die reine Anwesenheit dieses älteren Sohns nicht ausreichen wird, um das Fest zu ersticken. Gebt demjenigen, der zuletzt gekommen ist, ein wenig Zeit, um sich an das Licht der Festversammlung zu gewöhnen, bei der Ihr Euch aufhalten...

Hippolyte Simon,
Erzbischof von Clermont
Stellvertretender Vorsitzender
der Französischen Bischofskonferenz


Quelle:
http://www.die-tagespost.de/2008/index.php?option=com_content&task=view&id=100045801&Itemid=1

Sonntag, 4. Februar 2007

"HERR, GEH WEG VON MIR, ICH BIN EIN SÜNDER"


Liebe Mitbrüder, liebe Mitfeiernde!

wie oft haben wir das heutige Evangelium von der Berufung des Petrus schon gehört oder gelesen. Die Geschichte vom „Menschenfischer“ ist bekannt. – Und überhaupt scheinen sich die Berufungsgeschichten der Jünger, die alles zurücklassen und Jesus sofort nachfolgen, irgendwie zu gleichen. – Und doch gibt es gerade bei der Berufung des Petrus doch eine Besonderheit, die mich immer wieder beeindruckt.

Es sind die Worte: „Herr, geh weg von mir, ich bin ein Sünder“. –
Zu dieser Selbsterkenntnis kommt Petrus. Nicht durch Nachgrübeln erfährt der Mensch wer er ist. Er weiß es durch die Begegnung mit Gott: Wen Gott anspricht, der erfährt erst einmal seine eigene menschliche Kleinheit. Und Petrus sieht der Wirklichkeit ins Auge: Mein Leben hat Fehler, Knoten und Löcher.

Das Wort Sünde ist zwar in unserer Sprache noch nicht ausgestorben, wird aber oft verharmlost: Das gibt es im Straßenverkehr die „Parksünder“, die für ihre Sünden „Knöllchen“ bekommen. – Wir kennen die „Baussünder“, die da einfach einen hässlichen Betonklotz in unsere idyllische bayerische Landschaft hingestellt haben. Und immer häufiger hören wir von „Umwelt-„ und „Dopingsündern“. – Und besonders viel gesündigt wird es heute anscheinend, wenn es ums Essen und die Gesundheit geht: „Gestern hab ich wieder reingehauen. Da hab ich wirklich gesündigt. – Und dann noch der Nachtisch: Der war echt eine Sünde wert!“.

Sünde beschreibt im heutigen Sprachgebrauch also oft etwas relativ harmloses und banales. Mit Schuld und Sünde bringen nur wenige Menschen noch Gott und den Mitmenschen in Verbindung: „Jeden Abend mache ich das mit mir selbst aus.“

„Ich bin ein Sünder“. - Was ist damit gemeint?
Das altgriechische Wort für Sünder heißt „hamartolos“ und meint, dass ich mich verfehlt habe: - Ich habe mein eigentliches Ziel verfehlt und danebengeschossen. Ich habe meine Netze an der falschen Stelle ausgeworfen und brauche Gottes Hilfe.

Sich - wie Petrus - vor Gott zu bekennen, dass man das Ziel im Leben oft verfehlt hat, ist unangenehm und macht Schwierigkeiten. - Die Sünde im eigenen Inneren zu erkennen ist schwer. Bei anderen lässt sie sich leicht unterscheiden: „Die meisten Menschen beichten am liebsten die Sünden anderer Leute“ - hat Graham Greene einmal ganz richtig beobachtet. - Es ist nicht einfach, immer nur die Lichtseiten des Lebens herauszukehren, sondern auch eigene Schuld und Versagen einzugestehen und zu bearbeiten: Aber die Wahrheit ist sehr hartnäckig.

„Ein Katholik hat die Beichte... - Ich habe bloß meinen Hund“ (Max Frisch) - habe ich neulich einmal gelesen. - Die Beichte ist wahrscheinlich die einzige wirksame Möglichkeit seinen „inneren Dreck“ endgültig loszuwerden. – Nutzen wir diese Chance! Schuld sind nicht immer die anderen, - oder eine bestimmte familiäre und gesellschaftliche Struktur in meiner Umgebung. Die Einsicht: „Ich bin ein Sünder“ und die Aufgabe einer falschen Selbstsicherheit ist ein erster Schritt auf dem Weg zur Veränderung. – "Herr, geh weg von mir; ich bin ein Sünder" sagt Petrus: Es gibt keine Gotteserkenntnis ohne Selbsterkenntnis.

„Herr, geh weg von mir; ich bin ein Sünder“ hat hier aber auch noch eine andere wichtige Bedeutung, die über ein konkretes Sündenbewusstsein hinausgeht: In Jesus begegnet Petrus dem großen, allmächtigen Gott, vor dem er sich klein und unwürdig fühlt.
Petrus erlebt die Macht Jesu im überreichen Fischfang. Und diese Größe und Macht Gottes lässt ihn aber auch den Abstand zwischen Mensch und Gott erahnen. Er fürchtet sich ganz ähnlich, wie wir es vorher vom Propheten Jesaja gehört haben. Vielleicht haben wir ja noch die Worte aus der ersten Lesung in den Ohren:

„Weh mir, ich bin verloren. Denn ich bin ein Mann mit unreinen Lippen und lebe mitten in einem Volk mit unreinen Lippen. – Und meine Augen haben den König, den Herrn der Heere, gesehen.“ (Jes 6, 5) – Petrus und der Prophet Jesaja bringen in ihren Worten zum Ausdruck, was die Bibel auch „Gottesfurcht“ nennt: es ist die „Ehrfurcht vor Gott“. – „Angesichts der geheimnisvollen Gegenwart Gottes wird der Mensch sich seiner Kleinheit inne“ (KKK 208), so bringt es der Katechismus der Katholischen Kirche genau mit der „Gottesfurcht“ auf den Punkt, - und genannt werden genau diese beiden Bibelstellen.

Liebe Brüder und Schwestern,
nun gibt es da am Ende aber ein Problem: Petrus und Jesaja erkennen, dass sie unfähig sind, diesen unendlichen Abstand zwischen Gott und Mensch aus eigener Kraft zu überwinden. Von sich aus können sie diese „Angst vor Gott“ nicht überwinden. – Beide erkennen sich als Sünder, die von sich aus keinen Zugang zu Gott haben. Was können wir also tun?

Die Antwort ist eigentlich ziemlich einfach. Und wieder sagt es der Römische Katechismus ganz präzise in nur einem Satz: „Da Gott heilig ist, kann er dem Menschen verzeihen, der sich vor ihm als Sünder erkennt.“ (KKK 208) – Den Abstand zwischen Gott und Mensch kann nur Gott selbst überbrücken! – Gott ist es, der uns in Jesus selbst entgegenkommt. Gott steigt ein in mein kleines, wackeliges Boot. - Und meine Aufgabe besteht eigentlich nur darin in hineinzulassen, in mein wackeliges Boot, - damit er mir sagen kann, wo es lang geht in meinem Leben und wo ich meine Netze auswerfen soll.

Paulus schreibt an die Römer: „Gott sandte seinen Sohn in der Gestalt des Fleisches, das unter der Macht der Sünde steht, zur Sühne für die Sünde.“ (Röm 8, 3). – Genau deshalb steigt Jesus in unser Boot, - deshalb hat Gott ihn gesandt, deshalb ist er erschienen! – Er ist „erschienen, um durch sein Opfer die Sünde zu tilgen“ (Hebr 9, 27), so steht es im Hebräerbrief.

Bis dieses Jahr Weihnachten habe ich das auch immer so geglaubt und auch so gesungen. – „Christ ist erschienen, uns zu versühnen“. Bei unserer romantischen Weihnachtsfeier im Kloster gab es dieses Jahr aber - zu meiner großen Überraschung - eine ganz neue Textvariante, warum Jesus erschienen ist: „Christ ist erschienen, um uns zu dienen“. – Das ist ja sicherlich auch nicht falsch, aber doch etwas ganz anderes. – Mich hat das auf jeden Fall nachdenklich gemacht, anderen ist es vielleicht gar nicht aufgefallen. – Wenn man den Begriff „Sühne“ unter den Tisch fallen lässt, nimmt man Jesus viel von seiner geheimnisvollen Gottheit: Er wird zum guten Menschen, der anderen dient, wie es ja viele andere gute Menschen auf dieser Erde auch tun - oder getan haben. – Aber Jesus geht weit darüber hinaus: Er ist vor allem auch erschienen, wegen meiner Sünden: Um den Abstand zwischen Gott und den Menschen zu überbrücken! Petrus hat das als erster erkannt:

„Herr, geh weg von mir; ich bin ein Sünder“.
Es gibt keine Gotteserkenntnis ohne diese Selbsterkenntnis. Amen.

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Predigt für den 5. Sonntag im Jahreskreis (C) am 4. II. 2007 (Konventamt, St. Ottilien)
Evangeliumstext (Luk 5, 1-11)