Sonntag, 11. November 2007

"WER SICH AUF DEN HIMMEL FREUT, DER ..."


Die DDR gibt es schon lange nicht mehr. – Und langsam gerät in Vergessenheit, welche sonderbaren Experimente damals dort gemacht wurden. Ein Experiment war das, einer radikalen Diesseitskultur. Dabei sollten die Themen Tod und Bestattung möglichst umgegangen werden: Kreuze auf Friedhöfen waren unerwünscht. Der Staat förderte bewusst die Feuerbestattung und die Beisetzung in sog. anonymen „Urnengemeinschaftsanlagen“: Der tote Mensch sollte ganz unauffällig verschwinden.

Diese radikale Diesseitskultur der DDR war der stumme Protest gegen einen bestimmten Weltentwurf, - gegen den christlichen Weltentwurf. - Aber genau genommen war er dessen geheime Niederlage. Denn auch wenn es peinlich war: Im Paradies der Werktätigen, Arbeiter und Bauern wurde immer noch gestorben! - Und viele wurden betrogen, weil die versprochenen „herrlicher Zeiten“ in ihrem Leben nicht eintraten.

"Vertröstung auf das Jenseits" wurde dem Christentum immer schon vorgeworfen. - Und auch heute gibt es nicht wenige Menschen, die, wie die Sadduzäer, einen Glauben an den Himmel ablehnen: „Wer sich auf den Himmel freut, der wird sich wohl kaum noch auf dieser Erde engagieren“.

Aber die Sadduzäer und die modernen Hüter der Nächstenliebe irren: In einer Gesellschaft, die nicht mehr an einen Himmel glauben kann, werden viele auf der Strecke bleiben. - Denn, wer nicht mehr an einen gerechten Ausgleich im Jenseits glaubt, der muss sich den Ausgleich schon hier auf der Erde selbst schaffen. Und zum Leistungsdruck kommt dann auch noch der Vergnügungsdruck: Wenn nachher nichts mehr ist, dann muss man eben hier schon nehmen, was man kriegen kann: Ja, im „Himmel auf Erden“ wird es wohl ziemlich hart zugehen.

Wer allerdings an ein Jenseits glaubt, der ist gelassener. Der kann auch einmal verzichten - er ist nicht verpflichtet, nur an sich zu denken. - Menschen, die an ein Leben nach dem Tod glauben, wird manches Opfer leichter fallen. - Der Glaube an das ewige Leben bei Gott schenkt Gelassenheit und Ruhe.

Man kann es eigentlich auf einen einfachen Nenner bringen:
Wer nicht an Gott und das ewige Leben glaubt, der muss diese Welt und sich selbst retten!
Und das ist das Problem! – Bisher sind alle Versuche gescheitert.

Leider sind bisher auch alle Versuche gescheitet, sich vorzustellen, wie die Toten wohl auferstehen werden. Jahrhunderte lang hat man sich gefragt, in welcher Gestalt der Mensch wohl auferstehen werde. Wie die Sadduzäer - mit ihrer Fangfrage im heutigen Evangelium - wollte man mehr Details wissen.

Und selbstverständlich hat man auch eine Antwort gefunden, denn Theologen finden auf alles eine Antwort: Der Leib, den der Mensch am Ende aller Zeiten erhalten wird – so hat ein findiger Kopf des Mittelalters geschlossen – dieser Leib muss ja ein vollkommener Leib sein. Und die einzig vollkommene Form, die es in diesem Kosmos gäbe, das sei die Kugelform. Und damit war das Rätsel auch schon gelöst: Als Kugel, - in Kugelgestalt würden die Menschen am jüngsten Tag auch wieder auferstehen!

Ganz abgesehen von der unangenehmen Vorstellung - wie wir dann alle nach der Auferstehung durch den Himmel kugeln - zeigt diese Episode aus der Geschichte der Theologie eigentlich nur, was für ein Unsinn dabei herauskommen kann, wenn Menschen immer alles ganz genau wissen wollen, - so wie die Sadduzäer mit ihrer so schön konstruierten Scheinfrage.-

Aber auf solche Spekulationen lässt sich Jesus gar nicht erst ein. Solche Antworten verweigert er regelmäßig. Und er tut es auch im heutigen Evangelium. Er sagt eigentlich nur eines: Das was ihr euch vorstellt, das ist völlig falsch, so ist es ganz bestimmt nicht. – Mehr sagt er eigentlich nicht.

Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde die sind nicht nur unvorstellbar, die sind sogar undenkbar. Und was sich nicht denken lässt, dass lässt sich nun einmal auch nicht sagen, nicht einmal von Jesus.

Und auch jede vernünftige Theologie muss deshalb solche Fragen offen lassen. – Da kapituliert selbst der Katechismus der katholischen Kirche, der ja in Glaubensfragen - auf so ziemlich alles - eine Antwort kennt:

Frage: „Was geschieht im Tod mit unserer Seele und unserem Leib?“
Antwort: „Durch den Tod wird die Seele vom Leib getrennt. Der Leib fällt der Verwesung anheim. Die Seele, die unsterblich ist, geht dem Gericht Gottes entgegen und wartet darauf, wieder mit dem Leib vereint zu werden, der bei der Wiederkunft des Herrn verwandelt auferstehen wird. - Das Wie dieser Auferstehung übersteigt unsere Vorstellung und unser Verstehen.“ (KKKK, 205)

Liebe Brüder und Schwestern,
eine gute und vernünftige Theologie kennt ihre Grenzen, sonst geht es in Richtung Esoterik und New-Age: Da bekommen Sie dann auf alles eine Antwort!

Jesus befriedigt nicht unsere Spekulationssucht und Neugier. - Aber die Bibel malt uns die Zukunft in Bildern aus, wohin wir im Tod gehen. Und die sind weit sprechender, als alle menschlichen Spekulationen und Traktate.

Am Ende möchte ich Ihnen noch mein persönliches Lieblingsbild vorstellen. Es ist das Bild einer „Wohnung“. - Jesus sagt vor seinen Tod: „Ich gehe, um für euch eine Wohnung vorzubereiten.“ (Joh 14,2) - Und ich stelle mir das so vor: Wir werden in die ewige Wohnung hinein sterben. Diese Wohnung hat Jesus für uns vorbereitet. Wir dürfen aber auch darauf vertrauen, dass die Lieben, die vor uns gestorben sind, uns diese Wohnung mitbereiten. Jeder, der stirbt, nimmt etwas von uns mit: Das, was wir mit ihm geteilt haben an Liebe und Freude. Und damit schmückt er gleichsam die Wohnung, in die wir hinein sterben werden: Wir werden also nicht in etwas völlig Unbekanntes eintreten, sondern in eine liebevoll vorbereitete Wohnung, in der wir für immer daheim sein werden.

Liebe Brüder und Schwestern,
mein Glaube sagt mir, dass ich mich in dieser Welt nicht einrichten muss - und es auch gar nicht kann!

Und wie gesagt, wer nicht – wie damals viele in der DDR - an die himmlischen Wohnungen glauben kann, der hat das große Problem, sich mühsam hier auf Erden ein eigenes - und doch recht kurzfristiges irdisches Paradies aufbauen zu müssen.

Seien wir dankbar und froh, dass wir nicht unter diesem Druck stehen: Unsere Wohnungen sind - Gott sei Dank - schon längst bereitet. Amen.

---
Predigt für den 32. Sonntag im Jahreskreis (C) am 11. XI. 2007 (Konventamt, St. Ottilien)
Evangeliumstext (Luk 20, 27-38)