Sonntag, 29. November 2009

"... die Sterne vom Himmel holen und ewige Lichter in der Welt anzünden"


“Ich bin erschüttert!“ – Manchmal sagen wir das. So hat uns beispielsweise der „11. September“ alle erschüttert . Und vorausgegangen ist dann jedes Mal ein Ereignis, das uns irgendwie ins Wanken gebracht hat, uns irgendwie verunsichert hat. Das kann aber auch die Enttäuschung über das schlechte Verhalten eines Mitmenschen sein oder aber auch der plötzliche und vielleicht auch qualvolle Tod eines Angehörigen oder Freundes. Was aber auch immer der Grund für eine Erschütterung sein mag, danach müssen wir unser Leben neu ordnen, müssen wir wieder neue Sicherheit gewinnen.

Ist so eine Erschütterung immer schlecht? Unangenehm ist sie allemal – aber zugleich auch schlecht? Manchmal kann sie sogar hilfreich sein. Erschütterungen zeigen uns, wo wir unser Leben auf Sand gebaut haben, auf Vorstellungen, die im letzten brüchig sind. Erschütterungen helfen uns, unser Leben zu hinterfragen, es neu auf einen wirklich tragenden Grund zu stellen und so tragen sie zum Gelingen des Lebens bei. Die Erschütterung eines brüchigen Fundaments für das Leben ist die Voraussetzung dafür, ein sicheres zu gewinnen.

Von einer gewaltigen Erschütterung ist in diesem Evangelium des ersten Adventssonntages die Rede. „Sonne und Mond werden nicht mehr scheinen. Die Menschen werden vor Angst vergehen in der Erwartung der Dinge, die über die Erde kommen: denn die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden.

Der Jesuitenpater Alfred Delp hat es unternommen, diese Erschütterung, von der das Evangelium spricht, in seiner Predigt positiv zu deuten. Seine Predigt entstand während des 2. Weltkriegs, einer Zeit wirklicher Erschütterung. Delp wies damals auf den „Wahn der falschen Sicherheiten“ hin, die sich der Mensch selbst gemacht habe, so dass er am Ende glaubte, er könne „mit seiner eigenen Hand die Sterne vom Himmel holen und ewige Lichter in der Welt anzünden“, - er könne von sich aus die Gefahren wenden und die Nacht bannen.

Delp wörtlich „Und jetzt lässt Gott die Erde einmal dröhnen und jetzt erschüttert er, nicht um eine falsche Angst hervor zu rufen, sondern um uns eines wieder zu lehren: das innere bewegt Werden des Geistes.“
- Mit anderen Worten: Wir brauchen Erschütterungen, die uns wachrütteln und den Geist in uns wach halten. Alfred Delp wollte mit diesen Worten natürlich nicht den Krieg als gottgewollt hinstellen, wohl aber als eine Zeit, die die gesamte Existenz auf den Prüfstand stellt.

Nun, die Zeit Alfred Delps ist nicht unsere Zeit. - Gott sei Dank sind wir weder dem Nationalsozialismus unterworfen, noch herrscht in unserem Land Krieg. Und doch sind die Worte Delps nicht so weit von uns weg, dass wir sie nicht verstehen und auf unser Leben anwenden könnten.

Gibt es nicht auch bei uns untergründig die Vorstellung, wir „könnten mit unserer Hand die Sterne vom Himmel holen“ – sprich: unser Leben selbst organisieren, selbst dafür sorgen, dass es mit ihm gut geht. – Ich denke: Die Selbsterlösung ist die Krankheit der heutigen Gesellschaft. Viele Menschen glauben heute: Ich brauchen keinen Retter und Heiland. – Das Motto lautet: Ich rette mich selbst! Ich brauche Gott nicht. – Selig ohne Gott.


So Leben auch in unserer Zeit die Menschen oft in einer selbst gebastelten und letztlich nicht tragfähigen Sicherheit, wenn sie sich mit dem rein Weltlichen begnügen, nicht die Hand nach dem lebendigen Gott ausstrecken, sich also begnügen mit dem, was sie jeden Tag vorfinden.– Die Konzentration auf das Hier und Jetzt scheint für viele die schnellere und erfolgversprechendere Alternative zu sein. Das Evangelium bringt es genau auf den Punkt: „Nehmt euch in acht, dass Rausch und Trunkenheit und die Sorge des Alltags euch nicht verwirren...“.

Täte unserem Land nicht eine geistige Erschütterung gut, die uns wieder nach dem Wesentlichen Ausschau halten ließe, eben nach dem lebendigen Gott, der doch allein die Sterne vom Himmel holen kann? – Denn, um noch einmal Alfred Delp zu zitieren, nur da, „wo der Mensch nicht an falschen Sicherheiten hängt, da wird sein Auge fähig sein, den Letzten (also Gott) zu sehen und den Dingen auf den Grund zu kommen und sich selbst und sein Leben zu bewahren.“

Und das, liebe Schwestern und Brüder, ist nun unsere Aufgabe im Advent – und deshalb legt uns die Kirche heute das so gar nicht adventheimelige Evangelium von der Wiederkunft des Herrn und den vorausgehenden Schrecken vor: Damit wir uns erschüttern lassen und zur Tiefe finden, damit unsere Augen offen sind nicht nur für die Lichterketten in unseren Straßen, sondern vor allem für den Herrn.

“Es ist Zeit“, sagt Pater Delp in Anspielung auf ein Wort des Apostels Paulus, „vom Schlafe zu erwachen. Es ist Zeit, dass irgendwo ein Wecken beginnt, und es ist Zeit, dass man die Dinge wieder stellt, wie sie von Gott, dem Herrn, gestellt sind.“

– Wir haben vier Wochen Zeit dies einzuüben. Und wir gewinnen dadurch eine neue Sicherheit, einen neuen Halt, ein neues Selbstbewusstsein. Denn nicht, um uns unsicher zu machen, sind die Worte des Evangeliums geschrieben. Nicht, um uns den wenigen Halt, den wir haben, auch noch zu nehmen. Sie sind geschrieben, damit wir weiter sehen. Sie sind geschrieben, damit uns Hoffnung und Zuversicht erfüllt.

Liebe Brüder und Schwestern,

„die auf den Herrn schauen, werden in einem letzten Punkt nicht angerührt, und wenn man sie aus dem Erdkreis hinausjagt.“ Das konnte Pater Delp sagen – wenige Jahre bevor er selbst zum Tode verurteilt und buchstäblich aus diesem Erdkreis herausgejagt wurde.

„Die auf den Herrn schauen, werden in einem letzten Punkt nicht angerührt.“
Nur wenn wir auf den Herrn schauen, werden wir in unserem Leben, wenn es um´s Ganze geht, nicht erschüttert werden.

„Christ, der Retter ist da“ werden wir in wenigen Wochen singen. – Eine größere Sicherheit kann niemand bekommen. Um diese Sicherheit sollten wir uns bemühen und deshalb auch alle falschen Sicherheiten und Selbsterlösungs-Spielereien möglichst schnell vergessen. - Der Advent lädt uns zum Nach- und Umdenken über einen Neuanfang mit Gott als unseren einzigen Retter ein. Amen.

Predigt, 1. Advent (C) am 29. XII. 2009
(Konventamt um 9.15 Uhr, Abteikirche St. Ottilien)
Evangelium: Lk 21, 25-28.34-36

Sonntag, 22. November 2009

Christus regnat, Christus vincit, Christus imperat

Passend zum heutigen Christkönigssonntag: Meine Heimatkirche, die Christus-König-Kirche in Oer-Erkenschwick. Hier wurde ich 1967 getauft und hier habe ich auch 2004 meine Heimatprimiz feiern dürfen. 1929 wurde die Kirche, die nach einem Planentwurf des Architekten Josef Franke errichtet wurde, eingeweiht. Die verputzten Außenmauern des klar gegliederten Sakralbaus werden durch Akzente aus grünlichem Sandstein belebt. Der markante Glockenturm ist - auf halbkreisförmig abschließendem Grundriss - seitlich an einen Querhausarm angefügt. Über dem Doppelportal der Eingangsfassade beeindrucken die expressionistischen Steinfiguren der vier Evangelisten. Auch im Kircheninneren blieben bemerkenswerte Skulpturen der Frühmoderne erhalten, darunter eine Pieta aus Holz (Franz Guntermann) und eine Madonna mit Kind aus glasierter Keramik, ein Werk von strenger Schönheit (Hans Dinnendahl).