Können Klassik-CD-Kritiken Aufreger sein? David Hurwitz, Chefredakteur des Internet-CD-Magazins "Classics Today", schafft das mühelos mit seinem
YouTube-Blog, den er zu Beginn der Corona-Krise startete. Das meiste, was er mit reger Mimik vorträgt, sind zu 95% Empfehlungen. Gerät er aber in Rage, wird die Kritik ein Schlachtfest. Hurwitz vernichtet Wilhelm Furtwänglers "Nazi-Neunte" Beethovens, kanzelt Teodor Currentzis ab und überlegt, ob Roger Norrington der schlechteste Dirigent aller Zeiten ist.
Jüngst hat Hurwitz eine CD-Box mit Österreich-Bezug zerstört: die der Brahms-Sinfonien mit den Wiener Symphonikern unter Philippe Jordan. Zum Zeitpunkt der Aufnahme war Jordan Symphoniker-Chefdirigent, jetzt ist er Musikchef der Wiener Staatsoper.
Hurwitz ist gnadenlos: "Zeitverschwendung, Geldverschwendung, Verschwendung von Plastik und Ressourcen", Jordans Beethoven "war ein Nichts, und sein Brahms ist ein schlechtes Nichts", "die Essenz der Ziellosigkeit", "die Ausscheidung am Arsch der Zivilisation klassischer Musik", "vermeiden Sie diese Aufnahme wie den Tod".
Klassikbegeisterte treibt Hurwitz mit solchen Wutreden zur Weißglut in den Sozialen Medien. Aber: Wie kein anderer schürt Hurwitz gerade mit seinen polarisierenden Kritiken das Interesse an Aufnahmen klassischer Musik. Seine Schlachtungen stehen am Beginn von Festessen. Er zeigt, dass Kritik dann am vergnüglichsten und damit breitenwirksamsten ist, wenn sie klar Stellung bezieht. "Keep on listening", fordert Hurwitz seine Zuschauer auf. Und ob!