Traueransprache für Pfr. Karlheinz Küper
Liebe Familie Küper, liebe Schwestern und Brüder.
„Als es Morgen wurde, stand Jesus am Ufer.“ Für Pfr. Karlheinz Küper wurde der Satz am vergangenen Samstag Wirklichkeit. Wie bei den Jüngern war dieser Begegnung eine lange Nacht vorausgegangen, eine Nacht des Leidens, des vergeblichen Kampfes gegen seine schwere Krebserkrankung, die er mit einer erstaunlichen Willensstärke er- und getragen hat. Nur selten ließ er sich anmerken, wie sehr ihm die Krankheit zu schaffen machte. „Wie krank ich bin, das bestimme ich selbst“ war einer seiner Sätze, die typisch für ihn waren, durchsetzt wie so oft mit einer unterschwelligen Ironie, vor allem aber Ausdruck eines starken Willens, der sich nichts und niemandem so schnell unterordnete.
Wenn man Karlheinz Küper verstehen will, muss man sich in seine Kriegsjahre zurückversetzen. Als 20-Jähriger in Russland erlebt er Abgründe menschlichen Elends, aber auch die Bewährungsprobe seines Glaubens. Angesichts eines umgekommenen Soldaten ergreift er die Initiative und betet das „Vater-unser“, anschließend bekommt er den Spitznamen "Pastor". Der Weg aus Russland zurück in die Heimat geschieht in einem für heutige Verhältnisse unvorstellbaren Kraftakt: manchmal musste er 70 km am Tag zu Fuß zurücklegen, und wahrscheinlich war es das, was seine Leben geprägt hat: ein langer Atem und ein eiserner Willen, mit dem er meistens das erreichte, was er als richtig erkannte hatte. Vielleicht ist in dieser Zeit auch sein Entscheidung grundgelegt worden, den Ausbildungsweg zum technischen Zeichner und Ingenieur aufzugeben und Priester zu werden.
Beerdigungsansprachen sind nicht keine Art von Seligsprechung – das wäre ihm zuwider gewesen – und sie sind auch keine Aufzählung von Verdiensten und Leistungen. Priester sollen – im Grunde genommen wie alle Christinnen und Christen – Zeugen des Glaubens sein, Priester sollen auch und gerade in ihrer Menschlichkeit, in ihrer Schwäche etwas von dem aufleuchten lassen, was Mittelpunkt unseres Glaubens ist und was wir gerade auch in dieser Stunde feiern: Dass das Leben stärker ist als der Tod, dass Gottes Macht, greifbar in seinem menschgewordenen Sohn, unserem Leben Richtung, Sinn und Ziel geben kann. Karlheinz Küper hat das auf seine Weise getan: In den letzten Jahren ebenso schlicht und beeindruckend dadurch, dass er jeden Sonntag um 8 Uhr die Hl. Messe gefeiert hat. Nur wer ihn da erlebt hat, kann erahnen, wie anstrengend und beschwerlich es für ihn war, wie sehr er manchmal kämpfen musste, um die 45 Minuten durchzustehen. Das war sein persönliches Glaubenszeugnis, mit dem er ausgedrückt hat, wie wichtig ihm die Feier der Messe war, und vielleicht kann man das nicht deutlich genug in einer Zeit sagen, in der für viele der sonntägliche Gottesdienst etwas Beliebiges oder auch Lästiges geworden ist.
Genau das sollte der Glaube für ihn nie sein: eine Angelegenheit der Beliebigkeit oder der privaten Lust und Laune. In diesem Sinne war er bis auf die Knochen konservativ, kritisch gegenüber allen Neuerungen und manchmal auch eigensinnig. Dass das andere irritierte, nahm er durchaus wahr, aber das konnte ihn nicht sonderlich erschüttern: Als Pfarrer wollte er, wie er sagte, nicht beliebt, aber respektiert sein. Dieses Wort sollte man sich nicht nur hin- und wieder als Priester, als Seelsorgerin und Seelsorger hinter die Ohren schreiben, dahinter steckt auch wichtiges Grundthema dessen, was Jesus verkündigt hat: Eine Botschaft, die die Menschen konfrontiert, sie herausfordert, sie sogar vor den Kopf stößt, die irritiert und in Frage stellt – und die zuerst und vor allem vom Menschen verlangt, dass er sich mit ihr auseinandersetzt.
Natürlich wusste Pfr. Küper auch darum, dass man das nicht andauernd machen kann. Es musste bei ihm und mit ihm längst nicht immer fromm zugehen: Er konnte feiern und auf Menschen zugehen, er war stark interessiert an dem, was in der Welt los war, er konnte mit seinem Verein Schalke genauso zittern wie über ihn schimpfen.
Der Ruhestand mit 69 Jahren war gleichzeitig der Anfang einer neuen Herausforderung unter der Überschrift Abschied nehmen: Abschied nehmen von der Gemeinde, zu der er konsequent auf Abstand ging und es fertig brachte, dennoch verbunden zu bleiben mit dem, was die Menschen dort bewegte, Auszug aus dem Pfarrhaus, Rückgabe des Führerscheins, weil seine Augen zu schlecht wurden, und dann der lange Abschied von seiner Gesundheit. Dass ihm das alles gelang, war Ausdruck einer oft eisernen Disziplin, die sein Leben bestimmte. Abschiede hat er nicht über sich ergehen lassen, sondern sie gestaltet, so wie er auch die letzten Monate seines Lebens gestalten wollte und konnte.
Eucharistiefeier ist immer Danksagung. Heute sind ihm viele dankbar, die er als Priester, aber auch als Verwandter, als Freund begleitet hat – mit der richtigen Mischung aus barmherziger Väterlichkeit und kritischem Hinterfragen, aus Nähe und Distanz. Dankbar dürfen wir aber auch all denen sein, die ihn als Priester getragen haben, in seiner Menschlichkeit und auch in seiner Eigenwilligkeit.
Dankbar dürfen wir vor allem aber für den Glauben sein, den er vielen verkündet und vorgelebt hat: Dass nach den Nächten, die jeder von uns durchleben muss, gerade auch nach der Nacht des Sterbens Jesus auf uns wartet. Wie damals mit seinen Jüngern teilt er jetzt mit uns das Brot des Lebens, um uns auf dem Weg zu stärken bis er wiederkommt als König der Welt, der unsere Kirche und unsere Welt vollenden wird.
Pfr. Clemens Kreiss
TRAUERANSPRACHE FÜR PFR. KARLHEINZ KÜPER
am 24. September 2004 in der Pfarrkirche Christus-König in Oer-Erkenschwick
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