Liebe Mitbrüder, liebe Mitfeiernde!
Vor einer Woche ist mir in München eine groß angelegte Werbekampagne in die Augen gefallen: An jeder Ecke riesige Plakate, mit großen Persönlichkeiten aus der Weltgeschichte: Albert Einstein, Mahatma Gandhi, Galilei mit Fernrohr. Und über jedem Portrait stand – unübersehbar – immer der gleiche Spruch: „Jede Wahrheit braucht einen Mutigen, der sie ausspricht“. -
„Ganz schön raffiniert!“ habe ich mir gedacht. Hier soll auf ein Produkt aufmerksam gemacht werden, das man mit „unbequemen Wahrheiten“ verkaufen will. – Und ich habe dann gleich an das heutige Evangelium gedacht und an Jesus: „Jede Wahrheit braucht einen Mutigen, der sie ausspricht“.
Genau das hat Jesus getan, - und er hat sich damit ziemlich unbeliebt gemacht. Das Ergebnis: Die Menschen sind ihm in Scharen davongelaufen, nur zwölf Jünger blieben am Ende übrig.
Aber was hat Jesus denn eigentlich Schlimmes getan? Was hat man ihm so übel genommen? - Erinnern wir uns: Vorausgegangen waren viele spektakuläre Wunderheilungen und zuletzt die wunderbare Speisung der 5000. – Das hätte man gerne jeden Tag. So einen Jesus ließe man sich gefallen: „Brot und Spiele“. Jesus sieht, dass die Menschen den wahren Hintergrund seiner Wunder nicht verstehen. Er klärt sie über seine Sendung und Herkunft auf und behauptet Jesus: „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben.“ Und dann noch viel konkreter: „Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch!“
Und Jesus schwächt seine Worte nicht ab, er verweist nicht auf ein Bild oder Gleichnis: Ja, man muss „ihn essen und trinken“. Gleich mehrmals betont er das. - Das erscheint vielen dann doch als vollkommen unverständlich: Unglaublich, weil es unser Begreifen übersteigt. „Gedachter Kannibalismus“ lautete auch Jahrhunderte später noch der Vorwurf einiger Reformatoren (Calvin und Zwingli). Und so ist es in dieser Frage zu einer Glaubensspaltung gekommen.
Sobald Jesus konsequente Forderungen stellt, wird es unbequem. Für all diejenigen, die ihre ganz persönliche Vorstellung vom Heil verfolgen, wird es in der Nähe Jesu irgendwann zu abenteuerlich. - Jesus als der liebe Freund, der mir immer hilft, mich immer versteht und mir alles verzeiht: Ja.
Aber umgekehrt? : Auf Jesus „blind“ vertrauen, an seine Worte und Gebote glauben, auch wenn man sie gedanklich nicht so einfach nachvollziehen kann. – Das bereitet Schwierigkeiten, wird oft unbequem und will nicht so richtig schmecken.
Es gibt sie heute die Produkte die unser Leben angeblich noch schöner und leichter machen: Margarine mit 50% weniger Fettanteil und das „Light-Bier“ mit 50% weniger Alkoholgehalt. - Aber einen „Jesus light“, dem man nur die Hälfte glauben kann, den gibt es nicht! - Die Botschaft Jesu darf nicht verwässert werden. Einmal erkannte Glaubenswahrheiten lassen keine falschen Kompromisse zu.
Deshalb kann es in Glaubensfragen auch keine Halbwahrheiten geben. Jesus drängt sogar zur Entscheidung, auch wenn er dabei Gefahr läuft von allen verlassen zu werden. Er fordert von uns eine klare Entscheidung und Antwort auf die Frage, für wen wir ihn halten und ob wir an ihn glauben: Jesus möchte, dass der Mensch in aller Freiheit Ja sagt zur Liebe Gottes.
Interessant ist, was man heute oft so zu hören bekommt, auf die ganz konkreten Fragen, die das Evangelium uns stellt: Glaubst du an Gott? An welchen Gott glaubst du? – Oder: Für wen hältst du Jesus? - Vielleicht ahnen Sie schon die Antworten, die man heute oft hört: „Ich habe mich nie festgelegt, ich bin in Glaubens-Dingen nicht festgelegt und möchte mich auch nicht festlegen“, oder „ich bin weltoffen und nicht von gestern“.
Das Problem lässt sich ziemlich schnell auf den Punkt bringen: Es gibt oft überhaupt keinen eigenen Standpunkt mehr, - keine eigene Glaubensentscheidung. Und was man leider auch immer öfter beobachten kann: Wie viele Menschen uns heute ihre eigene Glaubensschwäche dann auch noch als Zeichen großer Toleranz verkaufen möchten. Es stimmt: „Die Wahrheit braucht einen Mutigen, der sie ausspricht.“ Aber hier würde ich die Sache dann doch eher umdrehen: „Die Lüge braucht immer einen Dummen, der auf sie hereinfällt.“
Glaubensschwäche hat mit echter Toleranz wenig zu tun. - Toleranz darf nicht mit eigener Profillosigkeit verwechselt werden. - In unserer Zeit sagen viele nur noch das, was alle hören wollen. Ein Politiker richtet sich so sehr nach Meinungsumfragen, dass er bei einer Demonstration gegen seine eigene Person mitmacht - wenn´s denn sein muss ( - so wie in Österreich Jörg Haider in vor einigen Jahren). - Aber Jesus ist weder Politiker noch Diplomat. Er bleibt seiner Berufung treu: lieber lässt er auch noch die 12 gehen, als dass er auf Stimmenfang geht. „Wollt auch ihr gehen“ fragt Jesus. Die Antwort des Petrus ist bekannt: “Zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens.“
Liebe Brüder und Schwestern,
vor einigen Jahren habe ich genau diese Worte als Primizspruch ausgewählt und auf die Einladungskarten und Andachtsbildchen für meine Priesterweihe drucken lassen. – Warum gerade diese Worte? –
Weil diese Worte mich immer wieder getröstet haben, wenn ich alles hinschmeißen wollte. Krisen gibt es vor der Priesterweihe, und natürlich auch danach noch, genügend, - in der Ehe und Familie natürlich auch. – Auf jeden Fall habe ich mir dann immer wieder genau diese ganz einfache und realistische Gegenfrage gestellt: „Zu wem soll ich dann eigentlich gehen?“ Was wäre die Alternative?
Und ich bin dann immer wieder genau zu dieser Petrus-Antwort gekommen: Es gibt eigentlich keine andere Alternative. Nur „du hast Worte des ewigen Lebens. Ich bin zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes.“
Aber für mich bedeuten diese Worte aber noch mehr: Es gibt eine Wahrheit. Und diese Wahrheit lässt sich in Christus finden und erkennen. Glauben und Erkennen gehören zusammen. Papst Benedikt hat das einmal sehr schön ausgedrückt: „Gott hat uns nicht seinen Sohn geschickt, damit wir weiter im Dunkeln herumtappen.“ Zum Glauben und Erkennen der Wahrheit führt Gott also selbst.
„Jede Wahrheit braucht einen mutigen, der sie ausspricht“, stand da auf den Werbeplakaten in München. – Aber welches Produkt steckt da eigentlich dahinter? - Am Ende der Predigt will ich es ihnen verraten: Es ist die bekannte Boulevardzeitung mit den vier großen Buchstaben: Weiß auf Rot. –
Überlassen wir das verkünden von Wahrheiten also doch besser nicht der Bild- oder Abendzeitung und tun es lieber selbst. - Singen wir gleich beim Credo lieber etwas lauter und aufmerksamer mit: „Jede Wahrheit braucht einen Mutigen, der sie ausspricht.“ –
AMEN.
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Predigt für den 21. Sonntag im Jahreskreis (B) am 27. VII. 2006 (Konventamt, St. Ottilien)
Evangeliumstext (Joh 6, 60-69)
In jener Zeit sagten viele der Jünger Jesu, die ihm zuhörten: Was er sagt, ist unerträglich. Wer kann das anhören?
Jesus erkannte, daß seine Jünger darüber murrten, und fragte sie: Daran nehmt ihr Anstoß?
Was werdet ihr sagen, wenn ihr den Menschensohn hinaufsteigen seht, dorthin, wo er vorher war?
Der Geist ist es, der lebendig macht; das Fleisch nützt nichts. Die Worte, die ich zu euch gesprochen habe, sind Geist und sind Leben. Aber es gibt unter euch einige, die nicht glauben. Jesus wußte nämlich von Anfang an, welche es waren, die nicht glaubten, und wer ihn verraten würde. Und er sagte: Deshalb habe ich zu euch gesagt: Niemand kann zu mir kommen, wenn es ihm nicht vom Vater gegeben ist.
Daraufhin zogen sich viele Jünger zurück und wanderten nicht mehr mit ihm umher.
Da fragte Jesus die Zwölf: Wollt auch ihr weggehen?
Simon Petrus antwortete ihm: Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens.
Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes.