Eine Predigt zum zweiten Adventssonntag
Die heutige Botschaft, mitten im Advents, gibt uns den entscheidenden Hinweis, worauf es eigentlich ankommt: Der Evangelist Markus zeigt in der bilderreichen Sprache des Propheten Jesaja, wie wir uns auf das Kommen des Herrn vorbereiten, worauf es ankommt; sie haben es gerade noch gehört: „Bahnt für den Herrn einen Weg durch die Wüste! Baut in der Steppe eine ebene Straße für unseren Gott! Jedes Tal soll sich heben, jeder Berg und Hügel sich senken. Was krumm ist, soll gerade werden, und was hügelig ist, werde eben" (Jes 40, 3. 4). Es geht also um eine „Flur- und Wegbegradigung“. Es geht darum, all das aus dem Weg zu räumen, was Gott hindert, zu uns zu kommen. Schutt und Stolpersteine müssen weggeräumt, Krummes begradigt und Unebenes geglättet werden. Mit „Arbeit an sich selbst“ hat das zu tun, oder wie es der „Hardliner“ Johannes d. T. nennt: mit „Umkehr und Sünden bekennen".
Wie das heute gehen kann, zeigt uns die rasante und markante Persönlichkeit des Johannes selbst. Dazu möchte ich das Wort WEGE einfach nur durchbuchstabieren um auch vier konkrete WEGE nennen, die wir im Lebensweg des „Wegweisers“ Johannes wiederentdecken können:
W - Der erste Buchstabe des Wortes WEGE und ein erster Weg:
Wahr leben, - d. h. ich achte darauf, was jetzt ist - und nicht was sein sollte. Dabei lasse ich mich nicht so sehr von dem bestimmen, was andere erwarten, was man oder frau so tut, sondern ich bemühe mich darum, ich selber zu sein. Auf meine innere Stimme, mein Gewissen zu hören und danach zu leben, auch wenn das weh tut, wenn es schwierig wird, ich sozusagen gegen den Strom schwimmen muß. Wahr lebe ich, wenn ich meine Maske ablege, nicht irgendeine Rolle spiele, sondern ehrlich bin und keine Angst habe, meine Schwächen zu zeigen. In jedem von uns gibt es da viele Abgründe, die überwunden werden müssen, damit wir dem Herrn den Weg bereiten.
E - Der nächste Buchstabe des Wortes und ein weiterer Weg:
Einfach leben, d.h. mein Leben zu vereinfachen und es mit anderen zu teilen. Geben und Nehmen gehört dazu - und der Grundsatz: „weniger ist mehr". Ich habe es – wenn auch nicht unbedingt mit Heuschrecken - immer wieder auch probiert und erfahren: Verzichten können, sich einschränken, - das bringt ein mehr an Freiheit, das tut gut. Bei der Fülle der Angebote heute und der Vielfalt der Möglichkeiten mein Leben auf das Wesentliche zu konzentrieren ist heute schwer und ist eine bleibende Aufgabe in jeder Lebensphase. Fernsehen, Radio und Internet ermöglichen mir hunderte von Programmen. Da kann ich ständig hin und her klicken, rund um die Uhr. Ich selbst kann aber nur ein Programm leben. Vor dem riesigen Berg der Möglichkeiten nicht zu resignieren, sondern einfach mein Lebensprogramm zu entdecken und zu gehen.Mein Gebet ist dabei eine wichtige Möglichkeit. Nicht auf die Vielzahl der Worte kommt es an, sondern auf die Zeit, die ich mir nehme: - Für die Stille, einfach da zu sein, um Gott in den leisen Stimmen zu entdecken.
G - Gelassen leben, ist eine weitere Form der Wegbereitung. Aber oft steht, mein eigenes Lebenstempo im Gegensatz zu dieser Lebensweise: alles mitnehmen, ja nichts verpassen. – „Man lebt ja nur einmal!“ – Gelassen leben, das sagt sich so leicht. Aber das kann mir gelingen aus dem tiefen Vertrauen heraus, daß Gott mit mir auf dem Weg ist; es hängt nicht alles von mir ab. Ich brauche auch nicht perfekt zu sein und darf Fehler machen. „Da kommt einer, der stärker und größer ist als ich .“ Das kann dieser selbstbewusste Johannes sagen. Wenn ein Mensch so etwas sagen kann, ist er weit gekommen in seiner menschlichen Reife.
Wir alle werden wahrscheinlich Erinnerungen und bestimmte Erfahrungen haben, wo es uns mehr oder weniger gelungen ist, andere größer sein zu lassen. Für etliche Männer steigert sich dieses Problem noch einmal, wenn es sich dabei um eine Frau handelt, die sie überrundet. Da kommt jemand, der bzw. die, größer ist als ich: ein kleiner Schmerz für das Selbstwertgefühl, aber eine große Befreiung, wenn man sich loslassen und den anderen Menschen größer sein lassen kann. Wenn ich bereit bin mich – wie Johannes der Täufer - selbst loszulassen, d. h. mich von und für andere in Anspruch nehmen zu lassen, dann werden manche Schlucht und viele Hügel zum ebenen Weg. Wer gelassen leben, sich selbst nicht so wichtig nimmt und sich selbst auch einmal an den Rand stellen kann, ist großherzig. Ein weiterer Weg.
E - Entschieden leben heißt der vierte und letzte Begriff, der das Wort WEGE ausfüllt. Mann oder Frau will im Leben so vieles erreichen, miterleben, auskosten u. v. m. Hier heißt für mich Wegbereitung mich zu entscheiden und mir nicht alles offen zu halten. Ich kann nicht alle Wege gleichzeitig gehen. Woran orientiere ich mich? Wieviel Mut habe ich Neues zu wagen? Wie groß ist meine Sehnsucht nach Vertrautem, Bekanntem? Wo suche ich Sicherheit?
Bei der Beantwortung solcher Fragen muß ich mir bewußt sein, daß der Preis hoch sein kann, weil Entscheidungen auch Abschied und Trennung bedeuten können.– Welchen Preis bin ich bereit zu zahlen? – Johannes hat seine Entschiedenheit, sein klares „das ist falsch“ - in der Palastaffäre des Herodes „den Kopf“ gekostet. Er nahm keinerlei Rücksicht auf seine private Sicherheit. Aber gerade diese Entschiedenheit ist es wohl am Ende, die den Herrn selbst so beeindruckt haben mag, als er zu seinen Jüngern sprach: „Unter allen Menschen hat es keinen größeren gegeben als Johannes den Täufer“ (Mt 11, 11).
Liebe Brüder und Schwestern!
Wahr – einfach – gelassen – entschieden:
4 WEGE, die uns der Wegbereiter Johannes durch sein Leben und seine Botschaft beispielhaft vor Augen stellt. Es sind Wege, die heute oftmals im Widerspruch zum modernen Zeitgeist stehen.
„Wir machen den Weg frei" verspricht die Bank. Aber wenn wir ehrlich sind, wissen wir: Die Bank schenkt uns keinen Cent! – Arbeiten müssen wir selbst an uns, wenn wir wirklich im Leben weiter kommen wollen. Mit Gottes Hilfe: Schritt für Schritt - und manchmal in kleinen Schritten. Adventliche Menschen legen selbst Hand an, wenn es darum geht Wege zu bereiten. Und das bedeutet Hand anlegen an die Steine , an den Schutt, der unser Leben niederdrückt und unfrei macht. - Hand anlegen, damit die Wege unseres Lebens begehbar werden, - für uns und für den HERRN, den wir erwarten. Amen
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Predigt für den 2. Adventsonntag (B) am 8. XII. 2002 (Konventamt, St. Ottilien)
L 1: Jes 40,1-5.9-11; L 2: 2 Petr 3,8-14; Ev: Mk 1,1-8
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