Samstag, 1. November 2003

NIEMAND KANN IM ALLEINGANG DEN HIMMEL ERSTÜRMEN


Liebe Mitbrüder, liebe Mitfeiernde!

Allerheiligen: Ein willkommener Feiertag. - Und ein so richtig „katholisches" Fest: In der Kirche wird heute mit Weihrauch nicht gespart, - so war das auf jeden Fall in meiner Heimatgemeinde. Die Liturgie war noch feierlicher und der Kirchenchor hat natürlich auch gesungen. - Am späten Nachmittag, nach dem Kaffeetrinken mit der Verwandtschaft, stand dann mit meinen Eltern der Friedhofsgang an. Als Kind habe ich mich immer schon darauf gefreut: Mein Bruder und ich durften dann immer die Lichter anzünden und auf die Gräber stellen. Die Eltern hatten derweil das letzte Laub entfernt. - Irgendwie kennen wir das alle, da kommen alte Erinnerungen auf: Da wird man irgendwie „nostalgisch".

Aber: Ist das alles, was wir zu Allerheiligen zu sagen haben? - Ich bin überzeugt, dass dieses Fest nicht nur Schnee von gestern ist, sondern auch heute noch eine große Bedeutung hat. Zwei Gedankengänge möchte ich dazu ausführen; der erste will zeigen, wie aktuell dieses Fest ist. - Der andere, warum Allerheiligen mir sympathisch ist.

Zum ersten Gedankengang: Gerade heute ist Allerheiligen für mich von großer zeichenhafter Bedeutung! Wir leben in einer Zeit in der Egoismus immer mehr alle Lebensbereiche erfasst. Da versucht so jeder, möglichst der Schmied seines eigenen Glückes zu sein. - „Unabhängig" möchte man heute sein. Familie, Ehe, Kranke und Alte bleiben da oft auf der Strecke.

Viele Menschen haben sich abgenabelt von der Kirche und vom Glauben. Und da gibt es dann natürlich auch keine großartige Perspektive für die Zukunft mehr. Da wird dieses Leben dann zur „letzte Gelegenheit". Da versuchen viele das Leben wie eine Zitrone auszupressen, um möglichst viel an Genuss und Gewinn herauszubekommen. Der Pastoraltheologe Paul M. Zulehner hat hierfür ganz passende Worte gefunden: „Früher lebten die Menschen 30 Jahre - und dann eine Ewigkeit. - Heute leben die Menschen 90 Jahre und dann, dann ist alles vorbei". Und um alles für sich herauszuholen, ist fast jedes Hilfsmittel recht: sei es nun irgendeine Schamanenweisheit oder eine Meditationsmethode aus dem Fernen Osten. - Elia kannte 450 falsche Propheten, - heute sind es wahrscheinlich mehr! -

In der Erlebnisgesellschaft gibt es immer exotischeren Angebote: Extremsport oder Erlebnisurlaub sind angesagt. Die einen suchen den „persönlichen Kick" in der Erleuchtung. - Andere gehen bis an ihr Limit, um Risiko und Spaß (risk and fun) miteinander zu verbinden. Auf jeden Fall läuft so ein Egotrip fast immer auf eines hinaus: - Es ist der Versuch, für sich allein den „Himmel auf Erden" zu erstürmen.

Liebe Schwestern und Brüder!
Allerheiligen drückt dagegen etwas ganz anderes aus: Niemand kommt allein in den Himmel! Glück und Seligkeit sind ohne den Nächsten nicht zu haben. Und auch der Aufruf „Rette deine Seele" darf also nicht egoistisch-falsch verstanden werden. Der Weg zum Himmel führt nur über meine Mitmenschen. Und Allerheiligen ist für mich ein Zeichen dafür: Wir sind gemeinsam - als Volk Gottes - unterwegs. - Nur gemeinsam können wir unser Ziel, das ewige Leben, zu erreichen. - Wie gesagt: Den Himmel kann man nicht im Alleingang erstürmen!

Ein zweiter Gedankengang: Warum ist mir Allerheiligen sympathisch?
Es gibt sicherlich viele große Heilige in der Kirche. Und deren Leben und Werk hat sich über die Jahrhunderte hinweg als ein vorbildlicher Weg bewährt. So wie es im weltlichen Leben hilfreich sein kann, einen heißen Draht zu einem Minister zu haben, so möchte man seine eigenen Anliegen durch einen ganz bestimmten himmlischen Fürsprecher absichern.

Da lobe ich mir an Allerheiligen alle „unbekannten" Heiligen, die keine Einzelinteressen vertreten. Es sind die in der Lesung erwähnten 144.000, also eine unzählbare Schar. Es sind die Heiligen, die wir in keinen Heiligenkalender finden. Es sind die Heiligen, denen das Himmelreich gehört, weil sie „arm vor Gott waren" - oder weil sie „ein reines Herz" hatten. Es sind die „Trauernden" und „die Barmherzigen". - Wir haben es gerade im Evangelium gehört. - Sie alle sind in Gottes Ewigkeit eingegangen. - Und nun begleiten sie vom Himmel her unseren alltäglichen Weg.

Liebe Brüder und Schwestern!
Aber vor allem ist mir Allerheiligen sympathisch, weil zu diesen Heiligen auch jene gehören, die wir noch persönlich kennen lernen durften, die uns jedoch schon in die Ewigkeit voraus gegangen sind. All jene, die einen besonderen Platz in unseren Herzen haben. Dazu gehören unsere lieben Verwandten, viele Freunde und gute Bekannte, mit denen wir gemeinsame ein Stück unseres Lebensweges gehen durften. So haben wir alle auch unsere eigenen Heiligen, auch wenn sie wahrscheinlich wohl nie zur „Ehre der Altäre" erhoben werden, an die wir heute besonders denken dürfen. Ihre Seligkeit kann auch unserem Leben Richtung und Halt geben. -

Und an Allerheiligen feiern wir genau diese "Solidarität zwischen Himmel und Erde": Die Heiligen, darunter auch unsere lieben Verstorbenen, treten fürbittend für uns ein. - Dankbar feiern wir das heute. - Und wir beten zugleich für unsere lieben Verstorbenen, - das feiern wir morgen an Allerseelen. Die Grenzen zwischen Himmel und Erde sind fließend geworden, seit der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus!

Mit einer- mehr oder weniger- bekannten Kurzgeschichte aus dem Roman „Die Brüder Karamasoff" von Dostojewski möchte ich meine Gedanken zum heutigen Fest abschließen. - Sie finden den 1300-Seiten Roman in jeder guten Bibliothek, - (die Mitbrüder auf dem ehemaligen Kornspeicher unter „Neue Sprachen".) Ganz bildhaft und klar bringt diese tiefsinnige Geschichte zum Ausdruck, was Allerheiligen uns sagen möchte: Niemand kann alleine den Himmel erstürmen! - Und es gibt eine Solidarität zwischen dem Himmel und der Erde!

Also: "Es lebte einmal ein altes Weib, das war sehr, sehr böse und starb. Die Alte hatte in ihrem Leben keine einzige gute Tat vollbracht. Da kamen dann die Teufel, ergriffen sie und warfen sie in den Feuersee. Ihr Schutzengel aber stand da und dachte: Kann ich mich denn keiner einzigen guten Tat von ihr erinnern, um sie Gott mitzuteilen? Da fiel ihm etwas ein: Sie hat einmal aus ihrem Gemüsegarten ein Zwiebelchen herausgerissen und es einer Bettlerin gegeben. Und Gott antwortete ihm: Nimm dieses Zwiebelchen und halte es ihr hin in den See, so dass sie es ergreifen und sich herausziehen kann. Und wenn du sie aus dem See herausziehen kannst, so möge sie ins Paradies eingehen. Wenn aber das Zwiebelchen reißt, so soll sie bleiben, wo sie ist. Der Engel lief zum Weibe und hielt ihr das Zwiebelchen hin. „Nun", sagte er zu ihr, „faß an; wir wollen sehen, ob ich dich herausziehen kann." Und er begann vorsichtig zu ziehen - und zog sie beinahe schon ganz heraus. Als aber die anderen Sünder bemerkten, dass sie herausgezogen wurde, klammerten sie sich alle an sie, damit man auch sie - mit ihr zusammen - herauszöge. Aber das Weib war böse, sehr böse und stieß mit ihren Füßen zurück und schrie: „Nur mich allein soll man herausziehen und nicht euch; es ist mein Zwiebelchen und nicht eures." - Wie sie aber das ausgesprochen hatte, riss das kleine Pflänzchen entzwei. Und das Weib fiel in den Feuersee zurück und brennt dort noch bis auf den heutigen Tag. Der Engel aber weinte und ging davon." [Dostojewski, Die Brüder Karamasoff, III 7 3].

Amen.

---
Predigt zum Hochfest Allerheiligen am 1. XI. 2003 (Konventamt, St. Ottilien)
L 1: Offb 7,2-4.9-14; L 2: 1 Joh 1-3; Ev: Mt 5,1-12a

Mittwoch, 3. September 2003

DIE MÖNCHE VON ST. OTTILIEN TÄGLICH 5x LIVE !








ZUR EINLEITUNG
Haben Sie sich nicht auch schon einmal gedacht, wie schön es wäre, jetzt, da wo Sie gerade sitzen, am Chorgebet einer klösterlichen Gemeinschaft teilzunehmen? Geht nicht? Alles zu weit weg?
Von wegen! -
Wir Missionsbenediktiner aus Sankt Ottilien am bayerischen Ammersee haben in Zusammenarbeit mit KiP-Radio eine ganz zeitgemäße Lösung gefunden: Bereits seit dem 3. September 2003 kann man sich jederzeit live in unser Stundengebet einklicken und mitbeten. Der mehrfach tägliche Choralgesang der Mönche von St. Ottilien bietet somit eine einmalige Gelegenheit, in der Rastlosigkeit unserer Zeit ein wenig zur Ruhe zu kommen. - Und dazu möchten wir Sie ganz herzlich einladen!

An Werktagen (im Jahreskreis, während der geprägten Zeiten, auch bei Festum)
05.40 Vigil und Laudes
06.45 Konventamt
08.00 Eucharistiefeier
12.00 Mittagshore
18.00 Vesper
20.00 Komplet (mittwochs um 19.30 Uhr)
An Hochfesten (wenn kein gesetzlicher Feiertag)
06.30 Laudes
11.15 Konventamt
18.00 Vesper
20.00 Komplet (mittwochs um 19.30 Uhr)

An Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen
06.30 Laudes
09.15 Konventamt
12.00 Mittagshore
17.30 Lateinische Vesper
20.00 Komplet

Sonntag, 27. Juli 2003

Der Lumpensammler von Tokio

Einer, der Gottes Wirken bezeugen wollte
Eine Erinnerung an Pater Gereon Goldmann OFM

Mitte der neunziger Jahre. Ins Mutterkloster der Franziskaner auf dem Frauenberg war ein alter Pater zurückgekehrt: Pater Gereon Goldmann. Ein Japan-Missionar, dessen Leben – nach Aussagen eines jungen Diakons – „Stoff für Romane“ böte. Das machte neugierig, und die Lektüre der Jugend- und Kriegserinnerungen von Pater Gereon, „Tödliche Schatten – Tröstendes Licht“, noch viel mehr.
Was hatte der Mann nicht alles erlebt: Geburt 1916 in Fulda als Sohn eines Tierarztes, Tod der Mutter, die Begegnung mit einer prophetisch begabten Ordensschwester, Umzug nach Köln, Eintritt in den Franziskanerorden, Einberufung zur Wehrmacht, Strafversetzung zur Waffen-SS, Kontakt zur Widerstandsgruppe des 20. Juli mit Kurierdiensten nach Frankreich und Italien, Audienz bei Pius XII., Erteilung der päpstlichen Sondervollmacht zur Priesterweihe ohne Theologiestudium, Gefangennahme auf dem Monte Cassino, Einlieferung in Kriegsgefangenenlager in Marokko und Algerien, Priesterweihe, Todesstrafe und Begnadigung.

Immer wieder war Pater Gereon dem Abgrund begegnet, stets war er gerettet worden. „Wie die Geier stürzten sich die Flugzeuge auf das enge Tal und warfen ihre Bomben ab. Alles suchte hastig irgendeine Deckung. Ich dachte urplötzlich: Schnell auf den Bauch! Ich lag ja immer noch mit dem Rücken nach unten. Im Moment, da ich mich umdrehte, um das Allerheiligste zu schützen, regnete es Stahl, Steine, Erde und Staub.“

In den Fünfzigern begann es

Dabei begann das eigentliche Abenteuer, die eigentliche Berufung erst später, Mitte der fünfziger Jahre. Mit dem Abflug nach Japan, wo Pater Gereon die Pfarrei Sankt Elisabeth in Tokio, Itabashi-Ku übernahm. Er sammelte Lumpen, um verschiedene Projekte zu finanzieren: den Bau von Kirchen, Heimen, Krankenhäusern, Sozialstationen, Wohnungen. Er predigte und taufte und baute sogar ein Kirchenmusik-Institut auf, das St. Gregorius-Institut für Kirchenmusik und Liturgie. Anfang der neunziger Jahre besuchte ihn das japanische Kaiserpaar, in Anerkennung für seine sozialen Dienste. In Fulda sollte Pater Gereon sich ab Mitte der neunziger Jahre ausruhen, seine Gesundheit war nicht mehr die Beste. Doch ständig kamen Besucher aus Japan, die ihn sehen wollten: Beichtkinder, Täuflinge, Musikergruppen. Er lebte in einem kleinen Zimmer, ging morgens zur Frühmesse in die Kirche. Verbrachte viel Zeit im Gebet, las Bücher zur Kirchengeschichte und erledigte immer noch geschäftliche Korrespondenzen: Spendenbescheinigungen, Darlehen für Bedürftige. Unvergesslich, wie der große Mann mit den grauen Haaren und den wachen Augen nach einer Beichte in seinem Zimmer spitzbübisch lächeln konnte. „So, jetzt wollen wir uns mal einen Schluck genehmigen“, sagte er dann und goß seinen Lieblingslikör vorsichtig in zwei kleine Gläser, um bald darauf mit rheinländischer Leichtigkeit von Fügungen und Führungen, Geheimnissen und Gnaden jenseits aller Zeit- und Landesgrenzen zu erzählen. Bodenständig, ohne falschen Weihrauch.

Tiefer Glaube an die Vorsehung

Doch so menschlich und unterhaltsam er war, so sehr konnte und wollte Pater Gereon Gottes Wirken bezeugen. Ernst und geschliffen: „Alles, was auch immer im Leben geschehen mag, geschieht unter der gütigen und oftmals unverständlichen Vorsehung einer ewigen Liebe. Freude und Leid, Erfolg und Misserfolg, Krankheiten und Nöte aller Art, alles schlägt zum Guten, ja zu unserem Besten aus, wenn wir die Überzeugung bewahren, dass Gott uns sieht, uns hört und liebt, wenn wir uns an Ihn wenden. Die Brücke zu Ihm ist das Gebet und die heilige Euchariste.“ In der Nacht zum 27. Juli ist Pater Gereon Goldmann OFM im Alter von 86 Jahren gestorben.

Stefan Meetschen
(DIE TAGESPOST vom 02.08.2003)




Freitag, 10. Januar 2003

Die Geburtsstunde von "ERZABTEI LIVE"

Am 10. Januar 2003 wurde die Idee von >> ERZABTEI LIVE
im Stüberl des Gästehauses von St. Ottilien geboren. Die Idee eine Live-Übertragung des Stundengebetes im WWW hatte ich als Webmaster des Klosters schon länger im Hinterkopf. Aber erst die "göttliche Vorsehung" brachte den endgültigen Durchbruch:
Sie schickte uns mit Herrn Markus Löw von KIP-Radio und Herrn Dipl.-Ing. Tilmann Basien zwei Gäste ins Gästehaus, die von dieser Idee ebenfalls begeistert waren und die zusätzlich auch noch über alle technischen Möglichkeiten verfügten, diese Idee auch wirklich in die Tat umzusetzen! Nur gut, das ich damals auch der Stellvertreter des Gastpaters war und wir so im Gästehaus zueinander gefunden haben. So fand die Idee der Live-Übertragungen des Stundengebetes am Abend des 10. Januars 2003 ihre "drei Väter". - Geburtshelfer waren zusätzlich noch ein paar gute Zigarren und einige Gläser spanischen Rotweins. - Und natürlich der englische Maler Carl Lazzari, der zu dieser Zeit ebenfalls als Gast im Gästehaus (und an diesem Abend auch im "Stüberl") verweilte und dieses denkwürdige Ereignis mit seinem Tuschestift in seinem Skizzenbuch festhielt.