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Dienstag, 5. August 2025

SCHLECHTE LAUNE? - DA HILFT NUR: EIN AUSFLUG AUF`S LAND!

(Foto: Wanderer auf der Klosterwiese direkt vor meinem Fenster)


Was kann einen immer wieder aufbauen, wenn es einmal nicht so läuft, wie man es sich eigentlich gewünscht hätte? - Was kann man tun, wenn man schlechte Laune hat?

Bei mir ist es ein "Ausflug aufs Land", d.h. genauer gesagt: 
Ein musikalischer "Ausflug auf Land" mit Beethovens "Pastorale" (Sinfonie Nr. 6 F-dur). In dieser Sinfonie steckt eine positive Energie, die jeden wieder auf die Beine bringt.

Die Satzbezeichnungen:
 
1. Allegro ma non troppo
Erwachen heiterer Empfindungen bei der Ankunft auf dem Lande 

2. Andante molto moto
Szene am Bach 

3. Allegro 
Lustiges Zusammensein der Landleute -  Allegro Gewitter, Sturm 

4. Allegretto 
Hirtengesang - Frohe und dankbare Gefühle nach dem Sturm


Wem diese ca. 30minütige Kurz-Therapie nicht helfen sollte, dem ist wahrscheinlich nicht mehr zu helfen! - Hier meine beiden Rezepte:


REZEPT NR. 1:

Unter anderem im Autoradio von Carlos Kleibers Tochter überlebte dieses erstaunliche Tondokument zwanzig Jahre lang, bis überraschte Tontechniker entdeckten, dass sich daraus durchaus eine klanglich überzeugende CD machen ließe - ein Glück, denn der offizielle Mitschnitt, der bei diesem Konzert am 7. November 1983 in der Bayerischen Staatsoper gemacht wurde, hatte die zwei Jahrzehnte nur sehr schlecht überstanden und erwies sich als untauglich für eine Veröffentlichung.

So blieb der Nachwelt ein wahrlich einzigartiges Stück Aufführungsgeschichte erhalten: Carlos Kleiber, einer der großen Skrupulösen und Publikumsscheuen im Klassik-Geschäft, hat Beethovens "Pastorale" nur dieses eine Mal dirigiert und dann nie wieder. Den Hörer erwartet eine Aufnahme mit vielen sensationell gelungenen Passagen von großer musikimmanenter Schlüssigkeit; die leidige Frage nach dem Grad der programmatischen Gebundenheit dieser Außenseiter-Komposition in Beethovens sinfonischem Œuvre stellt sich angesichts einer so stringent und logisch sich entfaltenden Wiedergabe nicht mehr.

Das von Kleiber erreichte Klangbild ist außerdem klar, vergleichsweise hell und sehr durchlässig nicht nur für die melodische, sondern auch für die motorische Struktur der Partitur. Alles in allem ein Glücksfall der Tondokumentation, den sich kein Freund sinfonischer Musik entgehen lassen sollte. Eine Interpretation jenseits des Alltäglichen. In großer Nähe zu Beethovens Metronomangaben blüht hier jede Phrase, vibriert jeder Ton, ohne sich als Detail in den Vordergrund zu drängen. Lustvoller und seelenvoller kann man nicht musizieren (lassen).

Geradezu versunken in diesen "Ausflug aufs Land" scheint bei dieser Live-Aufnahme das Publikum, welches nach Ende des fünften Satzes erst einige Augenblicke benötigt, um quasi wieder aufzutauchen und zu applaudieren.



oder

REZEPT NR. 2:

Von Carlos Kleibers Vater, Erich Kleiber, sind uns leider nur wenige Tonaufzeichnungen überliefert, was wir aber besitzen, ist von unvergleichlichem Wert. So auch diese "Pastorale", die der große Dirigent mit dem Concertgebouw-Orchester Amsterdam aufgezeichnet hat: Klassisch klar und ganz schnörkellos wird das wunderbare Werk vor uns ausgebreitet. Der Klang ist schlank und trotz Monotechnik ausgezeichnet durchhörbar. Man beachte nur die wunderbare Linienführung in der "Szene am Bach". Der Kopfsatz schwelgt geradezu in Naturseligkeit, ohne aber im geringsten sentimental zu wirken. Die Gewitterszene des 4. Satzes wird glasklar und mit niederschmetternder Wucht geboten, um dann in ruhiger Klarheit in den Hirtengesang einzumünden. Die "frohen und dankbaren Gefühle nach dem Sturm" werden so schön und ebenmäßig ausgedrückt, daß der dankbare Hörer nur bedauern kann, daß Erich Kleiber die Vorzüge des Stereozeitalters nicht mehr nutzen konnte (einzige Ausnahme ist seine unvergleichliche Einspielung von Mozarts "Hochzeit des Figaro", die er kurz vor seinem plötzlichen Tod am 27. Januar 1956, Mozarts 200. Geburtstag, noch in der neuen Technik vollenden konnte). Die Aufnahme der Pastorale entstand 1952. Eine Aufnahme, die - wie die seines Sohnes Carlos - alle Zeiten mühelos überdauern wird!

 

Donnerstag, 13. März 2025

Meine persönlichen 6 Referenzaufnahmen von Tristan und Isolde

Wagners "Tristan und Isolde" ist vielleicht das musikalisch anspruchsvollste, revolutionärste und auch "modernste" Werk des Meisters. Meine 6 persönlichen Favoriten möchte ich Ihnen an dieser Stelle vorstellen. Dabei möchte ich auf das Standardwerk "Hermes Handlexikon: Opern auf Schallplatten" von Karl Löbl und Robert Werba zurückgreifen, denn diese beiden Autoren verstehen es vorzüglich, es auf den Punkt zu bringen. In chronologischer Reihenfolge folgen nun die ersten vier Referenzaufnahmen: 

1) Herbert von Karajan (1952)
Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele,
Tristan: Ramon Vinay, Isolde: Martha Mödl, König Marke: Ludwig Weber, Kurwenal: Hans Hotter, Brangäne: Ira Malaniuk (Orfeo)

Mit der Mödl und Vinay trat eine neue Generation für Wagner an, wurde in Bayreuth ein neuer Tonfall kreiert. Beide waren imstande, das Innenleben ihrer Bühnenfiguren, das Menschliche an deren Beziehung musikalisch auszudrücken. Das Schlagwort vom "Musiktheater" - hier hat es Sinn. Karajan formt es hörbar mit. 

2) Wilhelm Furtwängler (1952)
Covent Garden Chor, Philharmonia Orch. London,
Tristan: Ludwig Suthaus, Isolde: Kirsten Flagstad, König Marke: Josef Greindl, Kurwenal: Dietrich Fischer-Dieskau, Brangäne: Blanche Thebom (EMI)

Vergleicht man die monumentalen Darstellungen mit E. Kleiber, de Sabata, Karajan, erkennt man die Relativität der musikalischen Notation: Keiner verstößt gegen die Partitur, jeder legt sie anders aus. Furtwängler absolut heroisch, breit, zergrübelt, mit der Flagstad und Suthaus in imponierender vokaler Leidenschaft.

3) Karl Böhm (1966)
Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele,
Tristan: Wolfgang Windgassen, Isolde: Birgit Nilsson, König Marke: Martti Talvela, Kurwenal: Eberhard Wächter, Brangäne: Christa Ludwig (DG)

Böhms schönste, ergreifendste Wagner-Interpretation, getragen von großer Ruhe und Souveränität, dominiert von einer Wehmut, die sich auf die Sänger übertragen hat. Die Nilsson und Windgassen lassen Schmerzlichkeit anklingen, die auch in den Brangäne-Rufen und in Kurwenals Reaktionen fühlbar wird. Wagner ist kein Denkmal mehr.

4) Carlos Kleiber (1981)
Rundfunkchor Leipzig, Staatskapelle Dresden,
Tristan: Rene Kollo, Isolde: Margaret Price, König Marke: Kurt Moll, Kurwenal: Dietrich Fischer-Dieskau, Brangäne: Brigitte Fassbaender (DG)

Carlos Kleiber enthemmt alle Leidenschaften, alle Ekstasen und Stürme, alle Verzweiflung und Trauer, indem er Wagner beim Wort nimmt: Es ist der aufregendste, hitzigste Tristan, der sich nur denken läßt, besetzt mit einem leichten, an Mozart geschulten Sopran, einem schlanken Tenor und auch rundum erstklassig. Ein Ereignis.

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Soweit die 4 Referenzaufnahmen, die sich allgemeiner Bekanntheit erfreuen dürften. Diese möchte ich um zwei weitere (unbekanntere) ergänzen, denen ich bereits eigene (ausführlichere) Posts gewidmet habe:

5) Eugen Jochum (1953)
Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele,
Tristan: Ramon Vinay, Isolde: Astrid Varnay, König Marke: Ludwig Weber, Kurwenal: Gustav Neidlinger, Brangäne: Ira Malaniuk (Andromeda)

6) Asher Fisch (2018)
WASO Chorus, West Australian Symphony Orchestra,
Tristan: Stuart Skelton, Isolde: Gun-Brit Barkmin, König Marke: Ain Anger, Kurwenal: Boaz Daniel, Brangäne: Ekaterina Gubanova (ABC Classic)



Donnerstag, 1. Januar 2009

Glücklich ist, wer vergißt, was doch nicht zu ändern ist


Die Fledermaus - Ouverture
Carlos Kleiber und das Orchester der Bayerischen Staatsoper


Carlos Kleiber war einfach genial! Niemand konnte ein Orchester so zum Tanzen bringen wie er. Mit seinem Dirigierstil - und mit seinen schier endlos langen Armen - zog er den Zuschauer nicht nur akustisch, sondern auch optisch in den Bann: In einen Rausch, der Orchester und Publikum immer von neuem dionysisch einte, so daß man das principium individuationis vergaß. (Wer an diesem Rausch noch intensiver teilhaben möchte, der sollte sich übrigens unbedingt >> Kleibers mitreißend feurige Fledermaus-Aufnahme auf CD zulegen.)  

Und überhaupt enthält "Die Fledermaus" viele augenzwinkernde Lebensweisheiten, aus denen man sehr viel lernen kann:



Die Zeile in Alfreds Trinklied "Glücklich ist, wer vergißt, was doch nicht zu ändern ist!", mag man als leichtfertig-ironisches Bekenntnis zum halbherzigen Kompromiß goutieren oder verachten: Tatsache ist, daß die hinter diesem Wortlaut verborgene Sentenz auf einen Aphorismus Senecas zurückgeht: "Heilmittel wider Ungerechtigkeiten ist das Vergessen."

Und hier der Text zum Mitsingen:

ALFRED
Trinke, Liebchen, trinke schnell, trinken macht die Augen hell.
Sind die schönen Auglein klar, siehst du alles licht und wahr.
Siehst, wie heisse Lieb' ein Traum, der uns äffet sehr,
siehst, wie ew'ge Treue Schaum, so was gibt's nicht mehr!
Flieht auch manche Illusion, die dir einst dein Herz erfreut,
gibt der Wein dir Tröstung schon durch Vergessenheit!
Glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist.
Kling, kling, sing, sing, sing,
trink mit mir, sing mit mir,
Lalala, lalala etc.

ROSALINDE
Ach, was tut man hier?

BEIDE
Glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist.

ROSALINDE
(für sich) 
Er geht nicht von hinnen, schläft hier wohl noch ein;
was soll ich beginnen?

ALFRED
Stoss an!

ROSALINDE
Nein, nein!

ALFRED
Ach!
Trinke, Liebchen, trinke schnell, trinken macht die Augen hell!
Mach doch nur kein bös' Gesicht sei hübsch lustig, grolle nicht!
Brachst du einmal auch die Treu', das sei dir verziehn;
schwöre wieder mir aufs neu', und ich glaub' dir kühn!
Glücklich macht uns Illusion. Ist auch kurz die ganze Freud'; 
sei getrost, ich glaub' dir schon und bin glücklich heut ...

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen:
PROSIT NEUJAHR!