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Samstag, 23. August 2025

Was ein Mönch so liest (6): Höre, so wird deine Seele leben: die spirituelle Kraft der Musik von Anselm Grün

Musik ist etwas Himmlisches und für uns immer wieder eine Einladung, Gott zu erfahren. Sie berührt alle Menschen und klingt im Herzen weiter. Sie ist Ausdruck des Lebens und Glaubens mit all seinen Höhen und Tiefen. Anselm Grün vermittelt uns mit diesem Buch aber noch sehr viel mehr. So hatte die Musik auch große Bedeutung in der Kirchengeschichte. Sie war immer schon eine tiefe Ausdrucksmöglichkeit des Glaubens - eine von Gott geschenkte Gabe.

Seit jeher haben Menschen Musik als Tor zum Himmel erlebt. Für viele ist Musik der Weg, sich Gott und seinem unsagbaren Geheimnis zu öffnen und mit der mit der spirituellen Sehnsucht in Berührung zu kommen. Die Liebe Jesu wird in der Musik erfahrbar: in der Fastenzeit und an Ostern, im Advent und an Weihnachten und in jedem gesungenen gregorianischen Choral. Musik weckt Freude und Hoffnung.

Anselm Grün, selbst ein großer Musikliebhaber, vertieft zunächst die Zusammenhänge zwischen Musik und Gottesdienst, Musik und Stille, Musik bei den Kirchenvätern, um sich dann gründlich den spirituellen und therapeutischen Qualitäten bei Bach, Haydn und Mozart sowie beim gregorianischen Choral zu widmen. Eine beiliegende CD , die die besprochenen Musikstücke aufgreift, rundet die Ausführungen bestens ab.

Das  herrliche "Et incarnatus est" aus der großen c-Moll Messe KV 427 ist für Anselm Grün der Höhepunkt von Mozarts Kirchenmusik.. Es wird im Buch ausführlich besprochen und befindet sich auch auf der beigefügten CD: In der Menschwerdung Gottes, begegnen sich - auch musikalisch - Himmel und Erde.

Dienstag, 5. August 2025

SCHLECHTE LAUNE? - DA HILFT NUR: EIN AUSFLUG AUF`S LAND!

(Foto: Wanderer auf der Klosterwiese direkt vor meinem Fenster)


Was kann einen immer wieder aufbauen, wenn es einmal nicht so läuft, wie man es sich eigentlich gewünscht hätte? - Was kann man tun, wenn man schlechte Laune hat?

Bei mir ist es ein "Ausflug aufs Land", d.h. genauer gesagt: 
Ein musikalischer "Ausflug auf Land" mit Beethovens "Pastorale" (Sinfonie Nr. 6 F-dur). In dieser Sinfonie steckt eine positive Energie, die jeden wieder auf die Beine bringt.

Die Satzbezeichnungen:
 
1. Allegro ma non troppo
Erwachen heiterer Empfindungen bei der Ankunft auf dem Lande 

2. Andante molto moto
Szene am Bach 

3. Allegro 
Lustiges Zusammensein der Landleute -  Allegro Gewitter, Sturm 

4. Allegretto 
Hirtengesang - Frohe und dankbare Gefühle nach dem Sturm


Wem diese ca. 30minütige Kurz-Therapie nicht helfen sollte, dem ist wahrscheinlich nicht mehr zu helfen! - Hier meine beiden Rezepte:


REZEPT NR. 1:

Unter anderem im Autoradio von Carlos Kleibers Tochter überlebte dieses erstaunliche Tondokument zwanzig Jahre lang, bis überraschte Tontechniker entdeckten, dass sich daraus durchaus eine klanglich überzeugende CD machen ließe - ein Glück, denn der offizielle Mitschnitt, der bei diesem Konzert am 7. November 1983 in der Bayerischen Staatsoper gemacht wurde, hatte die zwei Jahrzehnte nur sehr schlecht überstanden und erwies sich als untauglich für eine Veröffentlichung.

So blieb der Nachwelt ein wahrlich einzigartiges Stück Aufführungsgeschichte erhalten: Carlos Kleiber, einer der großen Skrupulösen und Publikumsscheuen im Klassik-Geschäft, hat Beethovens "Pastorale" nur dieses eine Mal dirigiert und dann nie wieder. Den Hörer erwartet eine Aufnahme mit vielen sensationell gelungenen Passagen von großer musikimmanenter Schlüssigkeit; die leidige Frage nach dem Grad der programmatischen Gebundenheit dieser Außenseiter-Komposition in Beethovens sinfonischem Œuvre stellt sich angesichts einer so stringent und logisch sich entfaltenden Wiedergabe nicht mehr.

Das von Kleiber erreichte Klangbild ist außerdem klar, vergleichsweise hell und sehr durchlässig nicht nur für die melodische, sondern auch für die motorische Struktur der Partitur. Alles in allem ein Glücksfall der Tondokumentation, den sich kein Freund sinfonischer Musik entgehen lassen sollte. Eine Interpretation jenseits des Alltäglichen. In großer Nähe zu Beethovens Metronomangaben blüht hier jede Phrase, vibriert jeder Ton, ohne sich als Detail in den Vordergrund zu drängen. Lustvoller und seelenvoller kann man nicht musizieren (lassen).

Geradezu versunken in diesen "Ausflug aufs Land" scheint bei dieser Live-Aufnahme das Publikum, welches nach Ende des fünften Satzes erst einige Augenblicke benötigt, um quasi wieder aufzutauchen und zu applaudieren.



oder

REZEPT NR. 2:

Von Carlos Kleibers Vater, Erich Kleiber, sind uns leider nur wenige Tonaufzeichnungen überliefert, was wir aber besitzen, ist von unvergleichlichem Wert. So auch diese "Pastorale", die der große Dirigent mit dem Concertgebouw-Orchester Amsterdam aufgezeichnet hat: Klassisch klar und ganz schnörkellos wird das wunderbare Werk vor uns ausgebreitet. Der Klang ist schlank und trotz Monotechnik ausgezeichnet durchhörbar. Man beachte nur die wunderbare Linienführung in der "Szene am Bach". Der Kopfsatz schwelgt geradezu in Naturseligkeit, ohne aber im geringsten sentimental zu wirken. Die Gewitterszene des 4. Satzes wird glasklar und mit niederschmetternder Wucht geboten, um dann in ruhiger Klarheit in den Hirtengesang einzumünden. Die "frohen und dankbaren Gefühle nach dem Sturm" werden so schön und ebenmäßig ausgedrückt, daß der dankbare Hörer nur bedauern kann, daß Erich Kleiber die Vorzüge des Stereozeitalters nicht mehr nutzen konnte (einzige Ausnahme ist seine unvergleichliche Einspielung von Mozarts "Hochzeit des Figaro", die er kurz vor seinem plötzlichen Tod am 27. Januar 1956, Mozarts 200. Geburtstag, noch in der neuen Technik vollenden konnte). Die Aufnahme der Pastorale entstand 1952. Eine Aufnahme, die - wie die seines Sohnes Carlos - alle Zeiten mühelos überdauern wird!

 

Samstag, 2. August 2025

Von der Faszination historischer Aufnahmen (9): Wagners erster Akt der "Walküre" unter Karl Elmendorff in atemberaubender Klangqualität (1944)

Es ist seltsam, dass eine so glanzvolle Aufführung in einer Zeit schrecklicher Zerstörung stattfinden konnte: Wenige Tage nach der Aufnahme in den Studios des Dresdner Rundfunks wurde die Stadt durch Bombenangriffe zerstört. Die meisten deutschen Opernhäuser hatten bereits geschlossen, sodass namhafte Sänger die Möglichkeit hatten, bei Rundfunkaufführungen im Studio aufzutreten. Diese Aufnahme ist seit einigen Jahren bei Preiser erhältlich und hat mich stets durch ihre hohe Qualität begeistert. Ihr verblüffendstes Merkmal ist die Unmittelbarkeit und die atemberaubende Klangqualität der Aufnahme selbst, die den meisten kommerziellen, speziell angefertigten Sets ihrer Zeit weit überlegen ist. Die Stimmen sind so klar und eindringlich, dass man fast glaubt, sie seien mit im Raum, und der Orchesterklang steht dem in Präsenz und Detailreichtum in nichts nach. Unter den sicherlich einschränkenden Umständen des Krieges ist diese Leistung umso bemerkenswerter. 

Elmendorff, der damalige Musikdirektor der Dresdner Staatsoper, befand sich mit 53 Jahren möglicherweise auf dem Höhepunkt seines Schaffens. Sein Dirigat zeugt von einer Autorität, die sich aus der gründlichen Kenntnis einer Partitur ergibt, die er bei den Bayreuther Festspielen und anderswo mehrfach dirigiert hat. Das Tempo des ersten Aktes, der manchmal zäh oder langweilig wirken kann, ist hier ideal, mit klarem Blick auf die Gesamtstruktur, nie übereilt, stets lebendig. Die Blechbläser sind nicht immer absolut stimmig; ansonsten entspricht das Spiel der Sächsischen Staatskapelle allen hohen Erwartungen. 

Der bemerkenswerteste Aspekt des Gesangs ist die Klarheit und der idiomatische Charakter der Diktion: Jedes Wort der drei Sänger ist verständlich, ohne dass ein Libretto benötigt wird. Max Lorenz war der amtierende Siegmund seiner Zeit. Er zeigt seine gewohnte Vitalität und Begeisterung. Seine Interpretation ist nicht so innerlich oder tief empfunden wie die von Melchior oder Suthaus, hat aber eine jugendliche Helligkeit im Timbre, die dem Charakter des jungen Mannes angemessen erscheint. Wie gewohnt geht er gelegentlich freizügig mit Notenwerten um. Teschemacher übertrifft hier ihre gewohnte Form mit einem frischen, offenen Ton, den man heute in der Rolle der Sieglinde so selten hört; alles wird natürlich und charaktervoll vorgetragen. Böhmes düsterer, unerbittlicher Hunding ist einer der besten auf CD, vergleichbar mit Frick, Moll und Salminen. 

Ein absolutes Muss für jeden Wagnerianer!

Donnerstag, 24. Juli 2025

Was ein Mönch so hört (4): Die 5 Klavierkonzerte und Chorfantasie von L. van Beethoven mit Rudolf Serkin und Rafael Kubelik (München, 1977)

Diese Zusammenarbeit zwischen dem 75-jährigen Rudolf Serkin, dem 64-jährigen Rafael Kubelik und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, die aus Live-Auftritten dreier Konzerte im Herbst 1977 stammt, glänzt in den fünf Konzerten und der Chorfantasie. Kubelik und Serkin waren Legenden mit jahrzehntelanger Erfahrung. 

Gemeinsam schufen sie Darbietungen voller Intensität und Leidenschaft. Das Orchester steht Serkins fesselnder Interpretation Note für Note in nichts nach. Das eindringliche Orchesterspiel im Largo des dritten Konzerts ist wohl das Beste, was ich je in diesem Konzert gehört habe, und harmoniert perfekt mit Serkins Spiel. Die Feinfühligkeit, mit der Rudolf Serkin an die Konzerte herangeht sucht bis heute Ihresgleichen. Er benutzt sehr wenig Pedal, grenzt jeden Ton gegen den nächsten ab und vernebelt so zu keiner Zeit die melodische Linie. Zudem hat Serkin mit Rafael Kubelik einen kongenialen Partner, der sein Bestreben nach Ballastfreiheit und unbedingter Artikulation aufgreift und mit seinem Orchester umsetzt. Serkin muss nicht gegen Klangberge ankämpfen, sondern kann sein Spiel frei entfalten. Und wenn in den Kadenzen seine Leidenschaft und seine Lust am Spiel förmlich explodieren, dann überkommt mich ein großartiges Mitfiebern und Gespanntsein auf die nächste Wendung, die nächste Phrase, den nächsten Ton. 

Ich liebe diese Musik, und jede dieser exzellenten Aufführungen zählt zu meinen Lieblingsaufnahmen (viel besser als Serkins spätere und eher zaghafte Zusammenarbeit mit Ozawa). Der Klang von Orfeo hat den Anlass perfekt eingefangen, so dass ich diese Werke uneingeschränkt und begeistert empfehlen kann.

Mittwoch, 11. Juni 2025

"KIRI TE KANAWA!" = "GRÜSS GOTT?" (Erinnerungen aus meinem Kloster-Tagebuch vom 12. Mai 2008)

Der Schock traf mich heute gegen 09.30 Uhr: Ob "Kiri Te Kanawa" irgendeine Übersetzung für "Grüß Gott!" sei, fragte mich heute Bruder U., als er zur Tür hineinkam. 

Nein! - Mit "Kiri Te Kanawa" hatte ich den Mitbruder nicht begrüßt, wie er fälschlicherweise meinte, als er mein Büro betrat, sondern es war eine Anspielung auf meine Lieblings-CD (siehe oben) gewesen, die ich gerade wieder einmal hörte. - Wenn ich nicht bereits gesessen hätte, hätte ich jetzt wahrscheinlich einen Stuhl gebraucht ... - Mitbrüder können so grausam sein ... 

Mit einem Satz: Kiri Te Kanawa ist einfach "die Größte und Beste!" - 
Auf jeden Fall hatte ich immer gedacht, dass alle das wüssten. - 
Aber so kann man sich eben irren. 

Trotzdem:"There are plenty of sopranos who will perform with admirable efficiency in a comparable repertoire, but there is not one in a thousand who can provide such beauty of tone.“ (J.B. Steane, "Stimmpapst"). - 

So einfach kann die Wahrheit sein!


Samstag, 10. Mai 2025

Was ein Mönch so hört (3): Der Freischütz (Böhm, 1972)

Weber: Der Freischütz 
Gundula Janowitz (Agathe), Renate Holm (Aennchen), James King (Max), Eberhard Waechter (Ottokar), Manfred Jungwirth (Kuno), Karl Ridderbusch (Kaspar), Gustav Elger (Samiel), Franz Crass (Eremit) , Heinz Zednik (Kilian) 
Chor und Orchester der Wiener Staatsoper, Karl Böhm

Richard Wagner bezeichnete ihn als den deutschesten aller Musiker. Carl Maria von Webers „Freischütz“ durchbrach die damalige Vorherrschaft der italienischen Oper und galt als die deutsche Volksoper. Aber auch im Ausland wurde Weber bewundert und als Vater der romantischen Schule in der Musik anerkannt.

Karl Böhms „Freischütz“ (1972) strahlt die natürliche Leichtigkeit geborener Seelenverwandtschaft aus. Sein Spiel der Ouvertüre gibt mit Klängen, die sonnenbeschienene Wälder atmen, den Ton an; die Szene in der Wolfsschlucht kippt diese in den lauernden Schrecken, der die dunkle Seite der Oper darstellt. 

Auch die Darsteller verkörpern ihre Rollen, als wären sie hineingeboren. Gundula Janowitz lässt ihren Ton mit hinreißender Wirkung in Agathes „Leise, leise“ und im späteren Gebet „Und ob die Wolke“ schweben. Renate Holm glänzt neben ihr und persifliert köstlich das Lied vom „gespenstischen“ Hund.

Karl Ridderbusch ist der schwärzeste aller Kaspars, unheimlich, aber nicht ohne einen Hauch von Pathos in dieser selbstzerstörerischen Seele. Ebenso besitzt James King, dessen Karriere größtenteils im deutschsprachigen Raum stattfand, den heroischen Klang der Max-Rolle, aber auch die Angst, die seinen Charakter geschwächt hat. Er verdient sich die klangvolle Vergebung von Franz Crass’ Einsiedler. 

Die kleineren Rollen fügen sich nicht weniger harmonisch in diese Dorfgemeinschaft ein, wobei Manfred Jungwirths Kuno mehr als sonst in Szene setzt. Es gibt eine fröhliche Schar von Brautjungfern und Jägern, die sich ansteckend über die Jagd freuen, obwohl das Vorspiel im dritten Akt, das ihren Chor vorwegnimmt, gestrichen wurde (und damit verständlicherweise auch ein Großteil der Dialoge). 

In der Wolfsschlucht selbst gibt es zu viele kreischende Winde und klappernde Hufe, wo doch die Musik eigentlich alles übernimmt; aber es handelte sich ja um eine Bühnenaufführung, und die Szene erntet etwas verblüfften Applaus. Sie ist ein echter Grusel. Böhm meistert alles wunderbar und unaufdringlich, als könne das Werk für sich selbst sprechen, was ja die Kunst echten Opernerlebnisses ist. Es ist eine äußerst attraktive Aufführung.

Dienstag, 8. April 2025

Was ein Mönch so hört (2) - Joseph Haydn: "Nelson-Messe", Te Deum

Franz Joseph Haydn (1732-1809) 
Missa in angustiis (Nelson-Messe), Hob. XXII:11 (1798) 
Te Deum, Hob. XXIIIc:2 (1798-1800) 
The English Concert Choir and Orchestra/Trevor Pinnock 
ARCHIV PRODUKTION 4230972 

Der Titel von Haydns "Missa in angustiis" wurde im Laufe der Jahre auf verschiedene Weise übersetzt; ich bevorzuge die Übersetzung „Messe in sorgenvollen Zeiten“. Wie die Missa mit Vizeadmiral Horatio Nelson in Verbindung gebracht wurde, ist unter Musikwissenschaftlern bisher nicht eindeutig geklärt. Sie entstand 1798, während Haydns zweiter Anstellung als Hofkomponist der Esterházys, nachdem er zuvor drei Jahre lang (ungefähr von 1791 bis 1794) von ihnen in den Ruhestand versetzt worden war. Den Anmerkungen im Booklet zufolge könnte die Verbindung mit Nelson daher rühren, dass Napoleon im August 1798 in der Nilschlacht gegen Nelson besiegt wurde. Möglicherweise wurde die Musik auch mit Nelson in Verbindung gebracht, nachdem er und Lady Hamilton im September 1800 die Esterházys im Schloss Eisenstadt besuchten, wo die beiden Männer in engen Kontakt kamen. Wie dem auch sei, diese Messe wird seit über 200 Jahren unweigerlich als „Nelson-Messe“ bezeichnet. Man sollte meinen, die Musik dieser Messe trage eine triumphale Ader. Zwar gibt es Momente, in denen die Musik auf einen Sieg anspielt, doch am deutlichsten ist ein Eindruck von Spannung und Beklemmung, der fast jeden Abschnitt der Partitur durchdringt. 

Von der dunklen Bedrohung des Kyrie bis zur ekstatischen Erlösung des „Dona nobis pacem“ ist die Nelson-Messe die dramatischste von Haydns späten Messen. Sie hat auch die markanteste Instrumentierung. Da weder Bläser noch Hörner zur Verfügung standen, schrieb Haydn das Werk für drei Trompeten, Pauken, eine obligate Orgel und Streicher, und seine Wirkung im „Benedictus“ ist bekannt: Marschierende Fanfaren, die die Schrecken des Krieges heraufbeschwören, drohen den Chor zu überwältigen, bevor dieser schließlich mit einem dankbaren „Osanna“ triumphiert. 

Trevor Pinnocks großartige, richtungsweisende Aufnahme ist einer jener seltenen Momente, in denen alles genau richtig klingt – das Spiel straff, der Gesang scharf fokussiert, das Tempo absolut fesselnd. Die Solisten sind beeindruckend, trotz der Tatsache, dass nur Sopran und Bass die Chance bekommen, in der Messe zu glänzen.


Montag, 7. April 2025

Was ein Mönch so hört (1) - James Rutherford sings Wagner

Viele Sänger meiden Wagner bis ins hohe Alter; andere - wie James Rutherford - scheinen für diese Herausforderung geboren zu sein. Rutherford absolvierte eine gute Ausbildung, doch der Sieg beim Internationalen Wagner-Wettbewerb in Seattle führte ihn mit nur 37 Jahren dazu, seine reifste Rolle, den Hans Sachs, ab 2010 in Bayreuth zu singen. Seitdem hat er viele weitere Rollen international gesungen.

Die Stimme des in Norfolk geborenen Bassbaritons ist bei diesem Auftritt nahezu ideal – schokoladenbraun und voll im Ton, mit einer natürlichen Mühelosigkeit und Sicherheit, die viele berühmtere Vertreter in den Schatten stellt. Er nähert sich Hans Hotters „Belcanto- Wagner“-Ideal, aber mit schneidend klarer Diktion. Seine Ausdrucksstärke ist nicht übertrieben oder protzig, ohne auf übertriebene Pianissimi zurückzugreifen, aber sie ist vorhanden – besonders bei Sachs und dem Holländer. Sogar Wotans schwierige Lage verrät wenig Anstrengung; er klingt in der Rolle natürlicher als beispielsweise Bryn Terfel, aber nicht weniger berührend. 

Andrew Litton und das Bergen Philharmonic Orchestra begleiten perfekt und die Klangqualität der Aufnahme ist phänomenal. Diese CD ist wirklich eine Empfehlung wert.

 

Freitag, 4. April 2025

Gutes kann so preiswert sein: Der "5 Euro Lohengrin" mit Rudolf Schock unter Wilhelm Schüchter (1953)

In meiner CD-Sammlung befinden sich 18 Lohengrin-Aufnahmen. Und ich muss feststellen, dass die preiswerteste zu den allerbesten gehört. Wilhelm Schüchter dirigierte sie 1953 in Hamburg. 

Sein straffes, theatralisches Dirigat schafft es, die komplexe Partitur ständig in Bewegung zu halten, ohne unnötig zu verweilen, aber auch ohne seine Besetzung übermäßig zu drängen. Schüchter und das NDR-Sinfonieorchester zeigen in vorbildlicher Weise, dass große Oper auch ein echter Krimi sein kann. Kein musikalischer Effekt wird ausgelassen: Fabelhaft, wunderbar! 

Und die Sänger erfüllen durchgehend alle an sie gestellten hohen Anforderungen mit Bravur. Schock singt mit einem Heldentenor der alten Schule eine leidenschaftliche, lyrische und doch paradoxerweise heroische Interpretation der Titelrolle, die keine Wünsche offen lässt und in einer spontanen Erzählung und einem von Herzen kommenden Abschied gipfelt. Rudolf Schocks goldener, attraktiver Tenor, der dem von Franz Völker, dem führenden Lohengrin der 1930er Jahre so ähnlich ist, bietet wahre Verzückung, ist jedoch im Vergleich einen Hauch extrovertierter. 

Kloses Ortrud ist einfach in jeder Hinsicht großartig. Sie bildet einen schönen Kontrast zwischen ihrem lächelnden, falsch loyalen Ton, als sie Elsa unterwürfig anspricht, und ihren furchterregenden Verwünschungen, als sie ihr wenige Takte später vor der Kathedrale gegenübersteht. Gleichzeitig macht sie ihrem Gatten Telramund durch ihre stark artikulierte Ermutigung wieder neuen Mut. Dies ist eine Interpretation, die einem Vergleich mit den allerbesten Ortruds auf CD standhält, etwa Varnay und Ludwig. Ihr passender Partner ist Metternichs schneidend gesungener Telramund, ein Bariton, der seine Argumente ohne Gebell oder Sprechgesang vertritt. Nur Uhde in der Bayreuth/Teldec-Version von 1953 unter Keilberth ist Metternich ebenbürtig. 

Cunitz hat als mädchenhafte Elsa (gemeinsam mit Schock) wunderbare Momente. Sie versteht ihre Rolle und singt viele relevante Phrasen, nicht zuletzt in ihren Soli, sehr beherzt. 

Frick ist als König Heinrich ein Fels in der Brandung, besser als jeder andere in dieser Rolle. Er singt mit seinem festen, dunklen Bass und mit viel Autorität, gemildert durch tiefes Gefühl. Frick ist, wie praktisch alle Sänger in dieser Aufnahme, von der Sprache der Musik durchdrungen und vermittelt dem Text echte Bedeutung. Das gilt in gleichem Maße für Josef Metternich, einen zutiefst bösen Telramund, der Uhde an lebendiger Aussprache in nichts nachsteht. 
 
Die großartigen norddeutschen Chor-Truppen singen mit voller Überzeugung. Der sehr gute Mono-Sound stellt die Solisten in den Vordergrund, wo sie auch sein sollten. 

Dieser "Lohengrin" gehört zu den besten Aufnahmen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und kann durchaus konkurrieren mit denjenigen aller anderer großer Dirigenten jener Zeit. 

Schön ist letztendlich auch, dass jeder der drei Akte auf jeweils eine CD passt.

Fazit: Die beste 5 Euro-Investition, die ich je gemacht habe. - Sie werden es nicht bereuen, es mir nachzutun!

 

Donnerstag, 13. März 2025

Meine persönlichen 6 Referenzaufnahmen von Tristan und Isolde

Wagners "Tristan und Isolde" ist vielleicht das musikalisch anspruchsvollste, revolutionärste und auch "modernste" Werk des Meisters. Meine 6 persönlichen Favoriten möchte ich Ihnen an dieser Stelle vorstellen. Dabei möchte ich auf das Standardwerk "Hermes Handlexikon: Opern auf Schallplatten" von Karl Löbl und Robert Werba zurückgreifen, denn diese beiden Autoren verstehen es vorzüglich, es auf den Punkt zu bringen. In chronologischer Reihenfolge folgen nun die ersten vier Referenzaufnahmen: 

1) Herbert von Karajan (1952)
Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele,
Tristan: Ramon Vinay, Isolde: Martha Mödl, König Marke: Ludwig Weber, Kurwenal: Hans Hotter, Brangäne: Ira Malaniuk (Orfeo)

Mit der Mödl und Vinay trat eine neue Generation für Wagner an, wurde in Bayreuth ein neuer Tonfall kreiert. Beide waren imstande, das Innenleben ihrer Bühnenfiguren, das Menschliche an deren Beziehung musikalisch auszudrücken. Das Schlagwort vom "Musiktheater" - hier hat es Sinn. Karajan formt es hörbar mit. 

2) Wilhelm Furtwängler (1952)
Covent Garden Chor, Philharmonia Orch. London,
Tristan: Ludwig Suthaus, Isolde: Kirsten Flagstad, König Marke: Josef Greindl, Kurwenal: Dietrich Fischer-Dieskau, Brangäne: Blanche Thebom (EMI)

Vergleicht man die monumentalen Darstellungen mit E. Kleiber, de Sabata, Karajan, erkennt man die Relativität der musikalischen Notation: Keiner verstößt gegen die Partitur, jeder legt sie anders aus. Furtwängler absolut heroisch, breit, zergrübelt, mit der Flagstad und Suthaus in imponierender vokaler Leidenschaft.

3) Karl Böhm (1966)
Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele,
Tristan: Wolfgang Windgassen, Isolde: Birgit Nilsson, König Marke: Martti Talvela, Kurwenal: Eberhard Wächter, Brangäne: Christa Ludwig (DG)

Böhms schönste, ergreifendste Wagner-Interpretation, getragen von großer Ruhe und Souveränität, dominiert von einer Wehmut, die sich auf die Sänger übertragen hat. Die Nilsson und Windgassen lassen Schmerzlichkeit anklingen, die auch in den Brangäne-Rufen und in Kurwenals Reaktionen fühlbar wird. Wagner ist kein Denkmal mehr.

4) Carlos Kleiber (1981)
Rundfunkchor Leipzig, Staatskapelle Dresden,
Tristan: Rene Kollo, Isolde: Margaret Price, König Marke: Kurt Moll, Kurwenal: Dietrich Fischer-Dieskau, Brangäne: Brigitte Fassbaender (DG)

Carlos Kleiber enthemmt alle Leidenschaften, alle Ekstasen und Stürme, alle Verzweiflung und Trauer, indem er Wagner beim Wort nimmt: Es ist der aufregendste, hitzigste Tristan, der sich nur denken läßt, besetzt mit einem leichten, an Mozart geschulten Sopran, einem schlanken Tenor und auch rundum erstklassig. Ein Ereignis.

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Soweit die 4 Referenzaufnahmen, die sich allgemeiner Bekanntheit erfreuen dürften. Diese möchte ich um zwei weitere (unbekanntere) ergänzen, denen ich bereits eigene (ausführlichere) Posts gewidmet habe:

5) Eugen Jochum (1953)
Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele,
Tristan: Ramon Vinay, Isolde: Astrid Varnay, König Marke: Ludwig Weber, Kurwenal: Gustav Neidlinger, Brangäne: Ira Malaniuk (Andromeda)

6) Asher Fisch (2018)
WASO Chorus, West Australian Symphony Orchestra,
Tristan: Stuart Skelton, Isolde: Gun-Brit Barkmin, König Marke: Ain Anger, Kurwenal: Boaz Daniel, Brangäne: Ekaterina Gubanova (ABC Classic)



Mittwoch, 19. Februar 2025

Yannick Nézet-Séguin dirigiert Gustav Mahler: Sinfonie Nr. 1 D-Dur - "Titan"

Y. Nézet-Séguin gehört zu den Shootingstars der Klassikszene - wer ihn live erlebt, versteht auch unmittelbar, warum. Er ist ein durchaus charismatischer, sehr energiegeladener Dirigent, der nicht nur die Musiker in seinen Bann zu ziehen vermag. Hier dirigiert er Mahlers erste Sinfonie, mit dem vorzüglich disponierten BR-Symphonieorchester. Und was gleich zu Beginn auffällt, ist die Betonung der Nebenstimmen, das Herausheben einzelner Instrumente(ngruppen), die somit immer wieder zu "Unerherhörtem" im Sinne des so noch nicht gehörten führt. Und das macht die Interpretation äußerst spannend. Von der Grundhaltung hören wir immer wieder eine leise Ironie, er überzieht diesen Ansatz nie ins Sarkastische. Und ist gerade auch im dritten Satz - im Wechsel des ironischen Trauermarschs hin zur berührenden "Lindenbaum"-Passage - sehr überzeugend. Wie er überhaupt das vermeintlich "Titanische" zugunsten einer eher humanistisch-nachdenklichen Haltung zurückstellt. Aber natürlich hat er den Atem, die Steigerungen im letzten Satz spannend und konsequent zu gestalten. Neben den großen Interpretationen eines Walters, eines Bernsteins, eines Abbados eine sehr sehens- und hörenswerte Neuinterpretation: Eine gelungene Visitenkarte des neuen MET-Direktors.

Die Aufführung ist auch auf CD erhältlich.

 

Von Schlümpfen und Heldentenören - Mein Wagner Erstkontakt

“Wer zu Richard Wagner geht, kommt bei ihm um. Auf rätselhafte Weise macht seine Kunst viele Konsumenten bereits beim Erstkontakt süchtig. Danach gibt es kaum Möglichkeiten des Schutzes oder der Immunisierung.” - So sieht es Wolfram Goertz in einem 2013 erschienenen Artikel in der “Zeit” zum 200. Geburtstag des Meisters. Und er hat recht. So weit ich mich erinnern kann, fand mein Erstkontakt mit 13 oder 14 Jahren statt. Meine Mutter sagte mir einmal, dass ich ungefähr zu dieser Zeit anfing, mir anstatt Schlümpfe für meinen Setzkasten, lieber Langspielplatten mit klassischer Musik zu wünschen. Unter diesen ersten Schallplatten war ein Doppelalbum des spanischen Startenors Placido Domingos, den ich zuvor nur aus dem Radio kannte und dessen Stimme mich begeisterte. Ich muss ehrlicherweise zugeben, dass noch bevor ich Wagnerianer wurde, ich ein großer Domingo-Fan war (und es bis heute noch bin): Domingo ist - zusammen mit Fritz Wunderlich - einfach “der Größte”. 

Auf diesem Doppelalbum war nun auch ein Ausschnitt aus Wagners “Meistersinger von Nürnberg”, Walter von Stolzings Preislied “Morgenlich leuchtend” aus dem 3. Akt. Hier können Sie es anhören:

   

Dieses Preislied war also mein “Wagner Erstkontakt”. Und ich war begeistert und hörte mir diese Stelle wieder und wieder an. Ich war “infiziert” und begann mich in unserer Stadtbücherei ausführlicher über das Leben und Werk Richard Wagners zu informieren. Und natürlich wollte ich nun unbedingt mehr hören, eine ganze Wagner Oper oder besser noch, gleich Wagners monumentalen Vierteiler, den “Ring des Nibelungen”. So sammelte ich mein Taschengeld für dieses LP-Grossprojekt und schlug dann zu: Karl Böhms legendärer Bayreuther “Ring” aus dem Jahr 1966. 15 Stunden Wagner nonstop! Denn bei Wagner wird nichts im Kleinformat vorgeführt, seine Opern sind ganz großes Kino.

Wagner war kein Nostalgiker, sondern leidenschaftlicher Revolutionär, der sich mit den bestehenden Verhältnissen überhaupt nicht abfinden wollte. Bei genauerer Betrachtung ist der "Ring" auch keine verklärende Germanen-Sage. Vielmehr ging es um Gesellschaftskritik in archaischem Gewand. Text, Bild und Musik sollten zu einem Gesamtkunstwerk verschmelzen und die Handlung zum Menschheitsgleichnis werden. Es geht um den Gegensatz von Geld und Liebe und die zerstörerische Kraft des Machtstrebens. - 

Aber in diesem Beitrag soll es darum gehen, wie Wagners Musik mir zum unverzichtbaren Alltagsbegleiter wurde. Und nichts eignet sich besser als "Einstiegsdroge", als das Vorspiel zu "Das Rheingold", dem ersten Teil des Opernvierteilers. Hören wir also die ersten 4 Minuten (bei gefallen auch länger) des "Rings" in der bereits angesprochenen Bayreuther Einspielung unter Karl Böhm, meiner ersten Wagner-Gesamtaufnahme auf LP:

   

Im Wasser beginnt alles Leben und endet auch dort am Ende der "Götterdämmerung". Im berühmten 136 Takte dauernden Vorspiel, in dem sich die Keimzelle allen Werdens, als „Es“ in den Kontrabässen allmählich aus dem Urschlamm herauslöst, lässt Wagner den Klang wie aus dem Nichts entstehen. Zum „Es“ intonieren die Fagotte in völliger Ruhe, es regt sich „Leben und Weben“, dann kommen die Hörner dazu, die in weichen Piano-Linien, übergangslos in aufsteigenden Hornquinten das „Werde-Motiv“ bilden. So entsteht nach und nach der vollständige Es-Dur Akkord, die Streicher gehen in eine immer bewegtere Wellenbewegung über, die im jubelnden lautmalerischen Gesang der Rheintöchter gipfelt.

Das ist pure Klangmagie: Musik aus dem Nichts. 

Etwas vergleichbares hatte ich zuvor noch nie gehört. Und auch heute bekomme ich - wie damals - noch immer eine "Gänsehaut", wenn ich das Rheingold-Vorspiel live im Opernhaus (besonders in Bayreuth) oder auf Tonträgern höre. 

So begann "Wagners einzigartiges Werk, in dem sich Mythos und Modernität, Klangmagie und Seelenzauber, Verführungskraft und Menschlichkeit zu einem Netz verknüpfen, das unsere ganze Seele gefangen nimmt" (Dieter Borchmeyer), mein Leben für immer zu verändern.

Mittwoch, 12. Februar 2025

Von der Faszination historischer Aufnahmen (8) - Bruno Walters legendäre Kultaufnahme des ersten Aktes der Walküre mit Lauritz Melchior und Lotte Lehmann (1935)

Diese CD ist nicht nur ein Muss für alle "Wagner-Apostel", sondern sie dürfte auch allgemein die Freunde historischer Klangdokumente interessieren - seien es die Fans von großen Jahrhundert-Dirigenten, bedeutenden Gesangssolisten oder von Orchestern wie den Wiener Philharmonikern. 

Am 22. Juni 1935 fand sich d i e Starbesetzung für Wagner- Opern zur Aufnahme des 1. Aktes der Oper "Die Walküre" in einem Wiener Tonstudio ein, noch nicht wissend, dass eine Kultaufnahme mit Referenzstatus entstehen würde. Die Besetzung: Der unübertroffene dänische Heldentenor Lauritz Melchior als Siegmund, die ausdrucksintensive Sopranistin Lotte Lehmann als Sieglinde und einer der wohl dunkelsten und finstersten Bässe, Emanuel List, als Hunding. Die Klangtechnik der Dreißiger Jahre hat freilich nicht die glatte Stereo-Perfektion der heutigen Zeit, aber man hat die Originale behutsam und sorgfältig restauriert. Die Aufnahme ist sehr lebendig durch ihr dramatisches Feuer. 

Lauritz Melchior, immer schon ein Ausnahmesänger, erfüllt den Siegmund mit verzehrender Intensität und gestaltet bis in die Details höchst ausdrucksstark. Lotte Lehmann lässt den ganzen Glanz ihrer herrlichen, lyrischen Stimme hell aufstrahlen. Sie hat eine sehr schöne Stimme, die ideal für Sieglinde ist: im Kern solide, aber mit weichen Kanten, und auch sie hat eine vorbildliche Diktion und ein ausgezeichnetes Legato. Emanuel List gestaltet den Hunding schwarzstimmig, mächtig im Klang und düster drohend. Und dies alles unter dem Dirigenten Bruno Walter, der die Wiener Philharmoniker musikalisch auf Hochtouren bringt. Unterstützt durch das strahlende Spiel des Orchesters beschwört er Wagners einzigartige Welt aus vermischtem Klang und Emotion herauf wie kein anderer.

Ein erschütterndes, legendäres Musiktheatererlebnis und die Krönung aller historischen Wagner-Dokumente.

Samstag, 1. Februar 2025

Von der Faszination historischer Aufnahmen (7) - Rudolf Kempes' Dresdner Meistersinger

Richard WAGNER (1813-1883) 
Die Meistersinger von Nürnberg – Oper in drei Akten (1868)

Hans Sachs – Ferdinand Frantz;  Veit Pogner – Kurt Böhme;  Sixtus Beckmesser – Heinrich Pflanzl;  Fritz Kothner – Karl Paul; Walther von Stolzing – Bernd Aldenhoff;  David – Gerhard Unger; Eva – Tiana Lemnitz.  - Chor der Staatsoper Dresden. - Staatskapelle Dresden. - Rudolf Kempe 
rec. 29. April 1951, Dresden
PROFIL PH13006 [4 CDs: 79,51 + 61,59 + 65,54 + 53,21]

Dresden hat zweifellos eine lange Inszenierungstradition der „Meistersinger von Nürnberg“, mit weit über 500 Aufführungen seit der Dresdner Uraufführung 1869. Diese fast 4½ Stunden lange Aufnahme von 1951 wurde unter Verwendung der Original-Masterbänder produziert, genauer gesagt 19 Magnetbandspulen, die in einem Lager des Forschungszentrums des Berliner Rundfunks entdeckt wurden, wo sie seit den späten 1950er Jahren gelagert waren. Hier ist nun beim Remastering das Kunststück gelungen, die originalen Bänder klanglich maximal auszuloten und somit diese immerhin schon 74 Jahre alte Aufnahme in neuem Klanggewand zu präsentieren. Das Ergebnis: Es gibt keine andere Aufnahme, in der man so viel vom Text versteht, wie in dieser.  

Ferdinand Frantz stiehlt auf dieser Aufnahme mit seiner Darstellung des Schuster Hans Sachs verdientermaßen allen die Show. Er macht keinen Fehler. In Sachs’ Flieder-Monolog im 2. Akt und Wahn-Monolog im 3. Akt kommt Frantz’ runder Ton sehr wirkungsvoll zur Geltung, verankert durch sein kräftiges und festes, tiefes Register. Besonders gelungen sind auch das Schusterlied im 2. Akt und Verachtet mir die Meister nicht im 3. Akt zum Lob der heiligen deutschen Kunst. 

In ihrer Blütezeit war Tiana Lemnitz’ Darstellung der Eva eine ihrer Paraderollen. In dieser Aufnahme, in der sie Mitte fünfzig gewesen sein muss, singt selbstbewusst eine reife Eva, wobei ihre strahlende, fließende Stimme immer noch die hohen Töne mühelos erreicht. 

In der Rolle des Walther von Stolzing übernimmt der Duisburger Heldentenor Bernd Aldenhoff den jungen Ritter aus Franken. Aldenhoff, der als gelassener und sensibler Wagnerianer bekannt ist, war zum Zeitpunkt dieser Aufnahme Mitglied der Staatsoper Dresden. Später in der Saison spielte er seinen ersten Siegfried bei den Bayreuther Festspielen. Walthers anspruchsvolles Preislied aus dem 3. Akt, ein Liebeslied an Eva, wird von Aldenhoff eindrucksvoll dargeboten. Seine Stimme ist nicht zu hell, mit wunderbar klarer Diktion, hat eine starke Zugkraft und kann bis fast auf eine baritonale Ebene hinunterreichen. 

Gerhard Unger war zum Zeitpunkt dieser Aufnahme etwa 35 Jahre alt und seine Stimme passt problemlos zu Sachs' jungem Lehrling David, einer seiner Paraderollen. Kurt Böhme singt die Rolle des Goldschmieds Veit Pogner. Seine Stimme klingt reif, ist einigermaßen fest und behält hier durchgehend ihren dunklen Ton bei. 

Mit dem durchweg attraktiven Spiel der Staatskapelle gelingt es Rudolf Kempe, die breite Dynamik mit der Melodielinie auszubalancieren. Diese vorliegende epische Dresdner Aufführung von Kempe gehört zu den besten, die ich je gehört habe. Wir hören eine enorm ausgewogene Besetzung, die mit einer Spontanität singt, die man bei Studioaufnahmen nur selten findet.
 
Kurz gesagt, dies sind Meistersinger, die man unbedingt gehört haben sollte.


Mittwoch, 29. Januar 2025

Musik vom Himmel: Bruckners Motetten


Anton Bruckner (1824-1896) gilt als einer der größten Symphoniker des 19. Jahrhunderts. Aber auch Chormusik war ein integraler Bestandteil des Schaffens des Komponisten. Dieses Album enthält eine Auswahl kleinerer Chorwerke, die zwischen 1848 und 1892 geschrieben wurden. Viele dieser Werke gerieten lange in Vergessenheit. Doch nach einer langen Zeit am Rande der Chorwelt sind Bruckners Motetten nun endlich in ein breiteres Bewusstsein zurückgekehrt. Der Lettische Radiochor (LRC) zählt zu den besten professionellen Kammerchören in Europa und sein ausgeprägter Geschmack für musikalisches Material, die Feinheit des Ausdrucks und sein unglaublich großer Stimmumfang haben ihn zu einer bekannten Marke auf der Weltkarte gemacht. Das Repertoire des LRC reicht von der Musik der Renaissance bis zu den anspruchsvollsten Partituren moderner Komponisten; Man könnte es als Klanglabor bezeichnen: Die Sänger erforschen ihre Fähigkeiten, indem sie sich den Geheimnissen des traditionellen Gesangs sowie der Kunst des Viertelton- und Obertongesangs und anderen Techniken der Klangerzeugung widmen. Der Chor hat ein neues Verständnis der Möglichkeiten einer menschlichen Stimme etabliert; Man könnte auch sagen, dass der Chor der Schöpfer eines neuen Chorparadigmas ist: Jeder Sänger ist ein eigenständiges Individuum mit seiner eigenen Stimmhandschrift und seinen eigenen Rollen bei Aufführungen.

Montag, 20. Januar 2025

Musik, die das Leben lebenswerter macht: Chaillys Beethoven-Zyklus mit dem Gewandhausorchester

Mit Ausnahme der Staatskapelle Dresden, die älter ist, gibt es kein deutsches Orchester, das mehr Tradition trägt als das Leipziger Gewandhaus. Es handelt sich um das älteste städtische Orchester der Welt, das 1743 von musikbegeisterten Bürgern und nicht von einem Fürstenhof gegründet wurde. Zu ihren früheren musikalischen Leitern gehörten Mendelssohn selbst sowie Nikisch, Furtwängler und Walter. Darüber hinaus gaben sie 1825 den allerersten vollständigen Zyklus von Beethoven-Symphonien in der Musikgeschichte. Man könnte also meinen, dass niemand stärker mit der klassischen deutschen Tradition des Beethoven-Spiels mit seinen traditionell breiten Tempi und dichten Texturen identifiziert würde. Ganz und gar nicht. Chailly, der diese Erwartung sicherlich kannte, als er sich an das Programm machte, hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese Vorfreude auf den Kopf zu stellen. Seine größte Leistung besteht darin, uns geschmeidiges Spiel, leichte Texturen und agile Tempi zu bieten und gleichzeitig einer vollen symphonischen Textur treu zu bleiben, die diese Musik mit Leben erfüllt und die Spannung wieder einfängt, die man empfindet, wenn man Beethovens Musik zum allerersten Mal hört. 

Dies ist vor allem ein explosiv schneller Zyklus. Chailly bleibt Beethovens Metronomangaben absolut treu – sogar jenen, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts fast sicher nicht umgesetzt werden konnten, wie etwa der für das Finale der Zweiten. Gelegentlich – etwa im Eröffnungssatz der Eroica – scheint die Geschwindigkeit der Musik etwas von ihrer Schwere zu rauben, aber die Straffheit des Spiels, die Detailgenauigkeit – insbesondere der Holzbläser – und die phänomenale dynamische Bandbreite, die dem Gewandhausorchester zur Verfügung steht, bedeuten, dass Chailly immer dann Gewicht und Dramatik zur Verfügung hat, wenn er sie braucht. Der Klang erhält durch die Akustik des Gewandhauses zusätzliche Wärme, aber wie donnernd einige der Höhepunkte auch sein mögen, ob in den frühen Symphonien, die die späteren Revolutionen vorwegnehmen, oder in Werken wie der Fünften, Siebten und Neunten in all ihrer Majestät, die Texturen dieses herausragenden Orchesters bleiben wunderbar transparent. 

Das Ergebnis ist ein Beethoven-Zyklus, der sich mit den besten modernen Orchesterversionen der letzten Zeit messen kann, von Abbado (für Deutsche Grammophon) und Rattle (EMI), und der zudem das scheinbar Unmögliche schafft – die Musik wie neu geschaffen erscheinen zu lassen, ohne auch nur die geringsten Zugeständnisse an die historische Aufführungspraxis zu machen. Das Set enthält außerdem sieben Ouvertüren Beethovens – die ersten beiden Leonora-Ouvertüren fehlen – und es ist bemerkenswert, vergleichsweise seltene Stücke wie Die Ruinen von Athen und König Stephan mit der gleichen Intensität wie die Symphonien zu hören. Sie sind das Sahnehäubchen auf dem Kuchen.

Samstag, 19. Oktober 2024

Von der Faszination historischer Aufnahmen (6) - Tristan und Isolde mit Lauritz Melchior und Kirsten Flagstad unter Fritz Reiner (1936)

Tristan - Lauritz Melchior; Isolde - Kirsten Flagstad; Brangäne - Sabine Kalter; Marke - Emanuel List; Kurwenal - Herbert Janssen; 
Covent Garden Opera Chorus; London Philharmonic Orchestra
Fritz Reiner (Dirigent)
Naxos Historical 8.110068-70 

Kirsten Flagstad und Lauritz Melchoir sind archetypische Wagner-Interpreten, die nicht nur das nötige Gewicht zeigen, um über ein großes Orchester hinweg zu singen, sondern auch über reichlich Leidenschaft, Verständnis und körperliche Ausdauer verfügen. 

Diese berühmte Aufführung, die 1936 live in Covent Garden aufgenommen wurde, ist ein mitreißendes Denkmal ihrer Kunstfertigkeit. Der gegenwärtige Mangel an Wagner-Sängern hat Tristan und Isolde zu einer Dirigentenoper gemacht, aber trotz der aufregenden und anspruchsvollen Leitung von Fritz Reiner stehen Flagstad und Melchoir hier im Mittelpunkt. Man wird von der Schönheit ihres Klangs ebenso mitgerissen wie von ihren ekstatischen Ausdrucksformen der Lust. Selten war das Liebesduett im zweiten Akt so berauschend. 

Es ist bemerkenswert, wie viele Details durchkommen, wenn man das Alter der Aufnahme bedenkt. Naxos hat den Wagner-Fans einen unermesslichen Dienst erwiesen, indem es diese klassische Aufführung erneut veröffentlicht hat. Es ist ein unbezahlbares Dokument aus einer besonders glanzvollen Ära der Wagner-Interpretation.

Dienstag, 8. Oktober 2024

Der Geheimtipp: Fantastischer Tristan aus Australien

Stuart Skelton (Tenor) – Tristan: Gun-Brit Barkmin (Sopran) – Isolde: Ekaterina Gubanova (Mezzosopran) – Brangäne: Boaz Daniel (Bariton) – Kurwenal: Ain Anger (Bass) – König Marke: Angus Wood (Tenor) – Melot: Paul O'Neill (Tenor) – Junger Seemann, Hirte: Andrew Foote (Bariton) – Steuermann: WASO Chor: St. George's Cathedral Ensemble: West Australian Symphony Orchestra: Asher Fisch (Dirigent)
Perth Concert Hall, Australien, 16. und 19. August 2018 
ABC CLASSICS ABC 481 8518 [3 CDs, 77,24 + 73,33 + 71,04] 

Diese Aufnahme – live im Konzert im August 2018 aufgenommen – bietet eine bemerkenswerte Besetzung von Sängern, darunter Stuart Skelton, einer der größten Wagner-Sänger unserer Zeit, der als Tristan seine lang erwartete Debütaufnahme gibt. Skelton hat den Tristan, eine seiner Paraderollen, mit großem Erfolg auf der ganzen Welt gesungen, von der Metropolitan Opera in New York über die English National Opera bis hin zu den deutschen Festspielen in Baden-Baden und an meinem Stammopernhaus, der Bayerischen Staatsoper in München. Er wurde als „ein Tristan für die Ewigkeit“ gefeiert , seine Interpretation sei „ein unermüdlicher, glorreicher Leuchtturm des Wagner-Gesangs, mit unerschöpflicher Kraft, lebendiger Resonanz gepaart mit Wärme, Subtilität und Anmut sowie engagiertem dramatischen Ausdruck“. 

Isolde wird von der deutschen Sopranistin Gun-Brit Barkmin gesungen, die im Laufe ihrer schillernden Karriere für ihre Interpretation von Hauptrollen in Werken von Janáček, Britten, Berg, Wagner und Richard Strauss gefeiert wurde. Ihre Isolde wurde als „aufregend“ gefeiert, als „außerordentlich vollständige Darstellung“, die „eine Offenbarung“ sei. 

Auf dieser Aufnahme werden sie von einer Starbesetzung begleitet, zu der unter anderem Ekaterina Gubanova, Boaz Daniel und Ain Anger gehören, sowie vom West Australian Symphony Orchestra unter der Leitung ihres Chefdirigenten Asher Fisch, einem der bedeutendsten Wagner-Interpreten der Gegenwart. 

Tristan und Isolde veränderte für immer die Regeln darüber, was Musik sein sollte und konnte, und führte Konzepte ein – darunter Chromatik, Dissonanz und sogar Atonalität –, die die Entwicklung der Musik im 20. Jahrhundert bestimmen sollten. 

Vor allem aber ist es ein Werk von atemberaubender Schönheit, von unerfüllter Liebe, in dem Sänger und Orchester in einer der erhabensten Musiken zusammenkommen, die je geschrieben wurde. „Leben und Tod, die ganze Bedeutung und Existenz der Außenwelt“, schrieb Wagner selbst, „hängen hier von nichts anderem ab, als von den inneren Regungen der Seele.“

Dieses ganze Set ist weit mehr als nur ein Andenken an ein Live-Konzert; es ist ein sehr ernsthafter Anwärter darauf, eine der großartigsten Aufnahmen von Tristan und Isolde auf CD zu sein.





Montag, 3. Juni 2024

Von der Faszination historischer Aufnahmen (5) - Der Rosenkavalier mit Lotte Lehmann und Richard Mayr (1933)

Richard Strauss

DER ROSENKAVALIER
Lotte Lehmann, Elisabeth Schumann, Maria Olszewska, Richard Mayr

Wiener Philharmoniker, 
Robert Heger

Naxos Historical
8.110191-92 (2 CDs)

Die akustische Reise durch die »Rosenkavalier«-Gesamtaufnahmen beginnt mit einer ›halben Portion‹, die künstlerisch allerdings alles andere als eine solche ist. Robert Heger hat im September 1933 in Wien einen erweiterten Querschnitt mit den wichtigsten Szenen eingespielt. Die Aufnahme ist eine gekürzte Fassung – sie enthält etwa die Hälfte der Partitur – oder, wie sie damals mit zeitgenössischer Eleganz bezeichnet wurde, „Ausgewählte Passagen“. 

Mit Lotte Lehmann stand gleich bei dieser Studiopremiere eine der herausragendsten Marschallinnen überhaupt vor dem Mikrophon. Ihre klangreiche, warme und seelenvolle Stimme in Verbindung mit ihrer breiten Ausdruckspalette ist in der Tat eine Idealbesetzung. Maria Olszewska singt einen äußerst überzeugenden Octavian. Elisabeth Schumanns leicht dunkel timbrierter Sopran hebt als Sophie entzückend leicht nach oben ab, behält aber immer eine Art Erdverbundenheit. 

Strauss hatte angeblich Richard Mayr vor Augen und Ohren, als er den Ochs ausarbeitete. Man kann es verstehen, wenn man erlebt, wie der Bassist alles quasi en passant serviert, mit unaufdringlicher Nonchalance ein sehr faszinierendes, pointiertes Porträt liefert. Robert Hegers zügige Tempi dürften genau Strauss’ Intentionen entsprechen. Erstmals sind hier auch die Wiener Philharmoniker mit dem Werk zu hören, das sie mit Fug und Recht als ihres betrachten dürfen – mehr Aufnahmen davon gibt es mit keinem anderen Orchester.

           


Freitag, 19. April 2024

Wagner für Fortgeschrittene: Tristan und Isolde (Eugen Jochum, Bayreuth 1953)

Diese Aufnahme von Tristan und Isolde ist besonders wertvoll, da es sich um die einzige verfügbare Bayreuther Aufnahme mit der Isolde der großen Astrid Varnay handelt. Die Aufführung wird von einem der kompetentesten, wenn nicht sogar leidenschaftlichsten Dirigenten des deutschen Repertoires geleitet: Eugen Jochum. Jochum ist in seinem Dirigierstil keineswegs trocken, und dieser Tristan strahlt mehr Wärme und Engagement aus als viele andere, aber wir sprechen hier nicht von einer Aufführung auf dem gleichen Niveau wie die berühmte Aufnahme von Windgassen/Nilsson/Böhm, die viele als die beste verfügbare Version dieser Oper betrachten. Die Schlüsselwörter dieser Bayreuther Aufnahme von 1953 sind von Anfang an Konzentration, Genauigkeit und Engagement, wodurch das Drama sehr überzeugend in Bewegung bleibt. 

Astrid Varnays Isolde ist intelligent und stolz, und wo es darauf ankommt, leidenschaftlich. Sie spielt die Rolle mit ebenso viel Entschlossenheit und Klarheit wie ihre Brünnhilde und verleiht dem Text Schattierungen, die man selten findet. Ihr „Wie lachend sie mir Lieder singen“ zum Beispiel ist nicht so übertrieben wie die Darstellungen vieler anderer Sängerinnen, aber am Ende hat man das Gefühl, dass es sich hier um eine Frau von selbstbewusster Majestät handelt. Varnays Stimme hatte ein enormes Volumen und ein schweres, dunkles Timbre; sie zeigt auch große stimmliche Fähigkeiten mit unglaublicher Musikalität. Ihre Beteiligung an der gesamten Nachtszene, die mit dem großen Liebesduett im zweiten Akt endet, ist sowohl musikalisch als auch dramaturgisch außerordentlich. Ihr „Liebestod“ muss als eines der schönsten jemals aufgenommenen Werke angesehen werden. Es steht auf Augenhöhe mit jeder ihrer großartigen Aufnahmen, und obwohl sie in der Rolle der Brünnhilde absolut ideal war – eine Leistung, die in keiner anderen großartigen Rolle zu erreichen wäre –, verfügt Varnays Isolde über viel mehr Können und echtes Gefühl als fast jeder andere Sängerin in dieser Rolle. Der Liebestod ist dafür ein ebenso gutes Beispiel wie jeder andere Teil der vorliegenden Aufnahme. Wenn es zunächst zum Unsubtilen tendiert, hebt es den Zuhörer schließlich langsam und überraschend auf eine Höhe, die man nur von den größten Wagner-Interpreten erwarten kann. 

Der beliebte und wenig bekannte Ramón Vinay singt den Tristan, und er ist eine gute Wahl für die Rolle. Vinays Tenor zeichnet sich durch ein baritonales, robustes und durchdringendes Timbre aus. Seine Herangehensweise an die Rolle ist vollblütig und kriegerisch, ohne dabei aufdringlich zu wirken. Ob er mit der glühenden Entschlossenheit und Interpretationstiefe von Astrid Varnay mithalten kann, ist schwer zu sagen. Er macht in vielerlei Hinsicht viel aus dem Text und überzeugt uns in den meisten Fällen von seinem Charakter. Seine letzten Worte sind ein rührender, aber gut kontrollierter Ausdruck gestörter Liebe. 

Gustav Neidlinger singt den Kurwenal. Sein Ansatz ist geradlinig und an den richtigen Stellen berührend. Er bringt einen hervorragenden prägnanten Ton mit, der in aufgezeichneten Darstellungen dieser wichtigen Figur so oft fehlt. Die Rolle der Brangäne wird gekonnt vom großen Bayreuther Mezzosopran Ira Malaniuk gesungen, König Marke von Ludwig Weber. Obwohl diese Aufnahme in Mono ist, ist die Klangqualität extrem gut und ausgewogen, vor allem für eine Live-Aufnahme. Dies ist eine Gelegenheit, um fantastische Künstler in der Blütezeit ihrer Karriere zu hören.