Montag, 29. November 2021

Erleucht auch meine finstre Sinnen

In manchen Dingen bin ich gnadenlos altmodisch, vor allem, was die Musik betrifft. Ich habe da so meine Klassiker. Die wunderbare Arie "Erleuchte auch meine finstre Sinne" aus Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium ist für mich der perfekte Ausdruck der Weihnachtssehnsucht. Und so summe ich diese Melodie immer wieder vor mich hin, wahrlich großartig von Bach komponiert. Ich will, dass sie mir in Fleisch und Blut übergeht. Der Text ist ja nicht schwer: 

Erleucht auch meine finstre Sinnen, 
Erleuchte mein Herze 
Durch der Strahlen klaren Schein! 
Dein Wort soll mir die hellste Kerze 
In allen meinen Werken sein; 
Dies lässet die Seele nichts Böses beginnen.

Hier wird meine Adventssehnsucht wunderbar in Worte gefasst. Ich sehne mich nach etwas, was auch meine finstere Sinne erhellen wird. Dabei wird es nichts Grandioses sein, das es bewirkt. Es wird ein Wort sein, das mich trifft durch Mark und Bein, ein Wort, das mich am tiefsten erschüttert, ein Wort, das mein Herz erreicht, ein Wort, das mich verändert, ein Wort, das mich ins Licht stellt, so dass ich meine ganz eigenen Schatten werfe, und ich mich so sehe, wie mich Gott gemacht und gewollt hat. Es ist das Wort, das Fleisch werden wird an Weihnachten, das Kind in der Krippe. 

"Dein Wort", läßt Bach singen, "soll mir die hellste Kerze in allen meinen Werken sein; dies lässet die Seele nichts Böses beginnen." Es ist für mich die zentrale Stelle der Arie. Mir kommt in den Sinn: "Den Fürst dieser Welt, ein Wort kann ihn fällen." Ich versuchen nichts Böses zu beginnen. Ich will mich gegen das Böse, das in dieser Welt ist, stellen - und zwar mit der hellsten Kerze in der Hand und auf der Zunge, die es gibt, mit Deinem Wort in der Hand und auf der Zunge, mit dem Wort, das Fleisch wurde, mit Jesus Christus im Herzen. 

In schier endlosen Schleifen ersehnt der Sänger der Arie aus dem Weihnachtsoratorium die Erleuchtung der eigenen finsteren Sinne. "Ja, erleuchte mein Herze durch der Strahlen klaren Schein." Immer wieder wird dieser Satz wiederholt voller Sehnsucht. Ich bete: "Ach, komm, Herr Jesu Christ, Licht der Welt, meins Herzens Tür Dir offen ist, erleuchte auch meine finsteren Sinne. Amen.” 

Dir, liebe Freundin, lieber Freund, viel Freude und Erheiterung von Körper, Geist und Seele beim Hören. Ich wünsche Dir eine erleuchtende Adventszeit: Unser Herr und Heiland komme Dir entgegen mitten im Trubel Deines Alltags. Mach es gut! Werde erleuchtet!

Samstag, 27. November 2021

Die Entdeckung des Jahres: Konwitschnys Beethoven

Die Ära Konwitschny (1949-1962) war eine goldene Zeit für das Gewandhausorchester Leipzig. Viele hervorragende Aufnahmen entstammen diesem Abschnitt. Natürlich legte Franz Konwitschny (1901-1962) auch eine Gesamteinspielung aller Sinfonien Ludwig van Beethovens vor, und nicht nur eine: Die vorliegende Gesamteinspielung aus den Jahren 1959 bis 1961 ist die dritte und letzte.

Konwitschnys Beethoven hat Größe, Durchsichtigkeit und Schneid. Bei ihm hört man Details, die man sonst nie hört: nicht bei Carlos Kleiber, nicht bei Casals, bei Harnoncourt, bei Gardiner, Karajan, Zinman oder Abbado. Was jedoch über alle Maßen besticht, ist der unendliche Fluss der Musik, der bei Konwitschny mit Aura, Wärme und wundervollen Ideen vereint wird. Da zieht er das Tempo unmerklich an, da lässt er retardieren und dies alles nicht gekünstelt, sondern unendlich musikalisch. Ein Spritzer Furtwängler und eine Prise Toscanini, vereint mit eigenständiger Genialität. 

Diese Darstellung erscheint mir musikalisch als eine der bedeutendsten, die uns der Plattenmarkt bietet. Allein die Tatsache, daß mit peinlicher Gewissenhaftigkeit jede Wiederholung ausgeführt wird, verleiht den einzelnen Sätzen das nötige Eigengewicht und der Gesamtgestalt die richtigen Proportionen. Wichtig ist das vor allem für den ersten und letzten Satz, denen im Verein mit ideal bestimmten und unbeirrt durchgehaltenen Tempi titanische Kraft und an manchen Stellen ungeheure, kaum zu ertragende Spannungen verliehen werden. 

 Als Zugabe gibt's noch einige Ouvertüren in einheitlich grandioser Einspielung: Die drei Leonore Ouvertüren plus die Fidelio Ouvertüre - herausragend vor allem in den Fortepassagen -, die Coriolan Ouvertüre - ein weiterer Höhepunkt dieser Box - und die Ouvertüre zu Beethovens Ballett "Die Geschöpfe des Prometheus". Angesichts des hohen Alters der Aufnahmen muss die wunderbare Aufnahmequalität in höchsten Tönen gelobt werden. Kurz: Ein 'Must' für jeden Beethoven-Sammler.