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Freitag, 4. April 2025

Gutes kann so preiswert sein: Der "5 Euro Lohengrin" mit Rudolf Schock unter Wilhelm Schüchter (1953)

In meiner CD-Sammlung befinden sich 18 Lohengrin-Aufnahmen. Und ich muss feststellen, dass die preiswerteste zu den allerbesten gehört. Wilhelm Schüchter dirigierte sie 1953 in Hamburg. 

Sein straffes, theatralisches Dirigat schafft es, die komplexe Partitur ständig in Bewegung zu halten, ohne unnötig zu verweilen, aber auch ohne seine Besetzung übermäßig zu drängen. Schüchter und das NDR-Sinfonieorchester zeigen in vorbildlicher Weise, dass große Oper auch ein echter Krimi sein kann. Kein musikalischer Effekt wird ausgelassen: Fabelhaft, wunderbar! 

Und die Sänger erfüllen durchgehend alle an sie gestellten hohen Anforderungen mit Bravur. Schock singt mit einem Heldentenor der alten Schule eine leidenschaftliche, lyrische und doch paradoxerweise heroische Interpretation der Titelrolle, die keine Wünsche offen lässt und in einer spontanen Erzählung und einem von Herzen kommenden Abschied gipfelt. Rudolf Schocks goldener, attraktiver Tenor, der dem von Franz Völker, dem führenden Lohengrin der 1930er Jahre so ähnlich ist, bietet wahre Verzückung, ist jedoch im Vergleich einen Hauch extrovertierter. 

Kloses Ortrud ist einfach in jeder Hinsicht großartig. Sie bildet einen schönen Kontrast zwischen ihrem lächelnden, falsch loyalen Ton, als sie Elsa unterwürfig anspricht, und ihren furchterregenden Verwünschungen, als sie ihr wenige Takte später vor der Kathedrale gegenübersteht. Gleichzeitig macht sie ihrem Gatten Telramund durch ihre stark artikulierte Ermutigung wieder neuen Mut. Dies ist eine Interpretation, die einem Vergleich mit den allerbesten Ortruds auf CD standhält, etwa Varnay und Ludwig. Ihr passender Partner ist Metternichs schneidend gesungener Telramund, ein Bariton, der seine Argumente ohne Gebell oder Sprechgesang vertritt. Nur Uhde in der Bayreuth/Teldec-Version von 1953 unter Keilberth ist Metternich ebenbürtig. 

Cunitz hat als mädchenhafte Elsa (gemeinsam mit Schock) wunderbare Momente. Sie versteht ihre Rolle und singt viele relevante Phrasen, nicht zuletzt in ihren Soli, sehr beherzt. 

Frick ist als König Heinrich ein Fels in der Brandung, besser als jeder andere in dieser Rolle. Er singt mit seinem festen, dunklen Bass und mit viel Autorität, gemildert durch tiefes Gefühl. Frick ist, wie praktisch alle Sänger in dieser Aufnahme, von der Sprache der Musik durchdrungen und vermittelt dem Text echte Bedeutung. Das gilt in gleichem Maße für Josef Metternich, einen zutiefst bösen Telramund, der Uhde an lebendiger Aussprache in nichts nachsteht. 
 
Die großartigen norddeutschen Chor-Truppen singen mit voller Überzeugung. Der sehr gute Mono-Sound stellt die Solisten in den Vordergrund, wo sie auch sein sollten. 

Dieser "Lohengrin" gehört zu den besten Aufnahmen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und kann durchaus konkurrieren mit denjenigen aller anderer großer Dirigenten jener Zeit. 

Schön ist letztendlich auch, dass jeder der drei Akte auf jeweils eine CD passt.

Fazit: Die beste 5 Euro-Investition, die ich je gemacht habe. - Sie werden es nicht bereuen, es mir nachzutun!

 

Donnerstag, 13. März 2025

Meine persönlichen 6 Referenzaufnahmen von Tristan und Isolde

Wagners "Tristan und Isolde" ist vielleicht das musikalisch anspruchsvollste, revolutionärste und auch "modernste" Werk des Meisters. Meine 6 persönlichen Favoriten möchte ich Ihnen an dieser Stelle vorstellen. Dabei möchte ich auf das Standardwerk "Hermes Handlexikon: Opern auf Schallplatten" von Karl Löbl und Robert Werba zurückgreifen, denn diese beiden Autoren verstehen es vorzüglich, es auf den Punkt zu bringen. In chronologischer Reihenfolge folgen nun die ersten vier Referenzaufnahmen: 

1) Herbert von Karajan (1952)
Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele,
Tristan: Ramon Vinay, Isolde: Martha Mödl, König Marke: Ludwig Weber, Kurwenal: Hans Hotter, Brangäne: Ira Malaniuk (Orfeo)

Mit der Mödl und Vinay trat eine neue Generation für Wagner an, wurde in Bayreuth ein neuer Tonfall kreiert. Beide waren imstande, das Innenleben ihrer Bühnenfiguren, das Menschliche an deren Beziehung musikalisch auszudrücken. Das Schlagwort vom "Musiktheater" - hier hat es Sinn. Karajan formt es hörbar mit. 

2) Wilhelm Furtwängler (1952)
Covent Garden Chor, Philharmonia Orch. London,
Tristan: Ludwig Suthaus, Isolde: Kirsten Flagstad, König Marke: Josef Greindl, Kurwenal: Dietrich Fischer-Dieskau, Brangäne: Blanche Thebom (EMI)

Vergleicht man die monumentalen Darstellungen mit E. Kleiber, de Sabata, Karajan, erkennt man die Relativität der musikalischen Notation: Keiner verstößt gegen die Partitur, jeder legt sie anders aus. Furtwängler absolut heroisch, breit, zergrübelt, mit der Flagstad und Suthaus in imponierender vokaler Leidenschaft.

3) Karl Böhm (1966)
Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele,
Tristan: Wolfgang Windgassen, Isolde: Birgit Nilsson, König Marke: Martti Talvela, Kurwenal: Eberhard Wächter, Brangäne: Christa Ludwig (DG)

Böhms schönste, ergreifendste Wagner-Interpretation, getragen von großer Ruhe und Souveränität, dominiert von einer Wehmut, die sich auf die Sänger übertragen hat. Die Nilsson und Windgassen lassen Schmerzlichkeit anklingen, die auch in den Brangäne-Rufen und in Kurwenals Reaktionen fühlbar wird. Wagner ist kein Denkmal mehr.

4) Carlos Kleiber (1981)
Rundfunkchor Leipzig, Staatskapelle Dresden,
Tristan: Rene Kollo, Isolde: Margaret Price, König Marke: Kurt Moll, Kurwenal: Dietrich Fischer-Dieskau, Brangäne: Brigitte Fassbaender (DG)

Carlos Kleiber enthemmt alle Leidenschaften, alle Ekstasen und Stürme, alle Verzweiflung und Trauer, indem er Wagner beim Wort nimmt: Es ist der aufregendste, hitzigste Tristan, der sich nur denken läßt, besetzt mit einem leichten, an Mozart geschulten Sopran, einem schlanken Tenor und auch rundum erstklassig. Ein Ereignis.

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Soweit die 4 Referenzaufnahmen, die sich allgemeiner Bekanntheit erfreuen dürften. Diese möchte ich um zwei weitere (unbekanntere) ergänzen, denen ich bereits eigene (ausführlichere) Posts gewidmet habe:

5) Eugen Jochum (1953)
Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele,
Tristan: Ramon Vinay, Isolde: Astrid Varnay, König Marke: Ludwig Weber, Kurwenal: Gustav Neidlinger, Brangäne: Ira Malaniuk (Andromeda)

6) Asher Fisch (2018)
WASO Chorus, West Australian Symphony Orchestra,
Tristan: Stuart Skelton, Isolde: Gun-Brit Barkmin, König Marke: Ain Anger, Kurwenal: Boaz Daniel, Brangäne: Ekaterina Gubanova (ABC Classic)



Mittwoch, 19. Februar 2025

Buchtipp - Alex Ross: Die Welt nach Wagner - Ein deutscher Künstler und sein Einfluss auf die Moderne

Ein Standardwerk über den großen Komponisten - von einem der angesehensten Musikkritiker der USA. Beginnend mit dem Tod Wagners erzählt Alex Ross, was für uns zur Gegenwart geworden ist: Wir leben und sehen die Welt seit Wagner mit seinen Augen, seine Themen und Szenen prägen auch heute noch unser gesellschaftliches Bühnenbild. Wagner ist für Ross ein deutsches Drama, das sich aus der Wirklichkeit, aber auch aus dem Wahn speist. Sein Buch ist eine eindrucksvolle Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts, durchzogen von dem Erbe Richard Wagners - der widersprüchlich war, ungreifbar, vielleicht sogar unvollendet. Nur so ist auch seine Musik und sein Nachleben in Deutschland zu verstehen: Wir sind noch immer Wagner. 

Die „Schatten“, die ex post auf Wagner und sein Werk projiziert wurden, möchte Ross weder kleinreden noch wegdiskutieren. Er stellt ihnen jedoch in einer monumentalen Studie die Glanzlichter einer seit bald zwei Jahrhunderten ununterbrochen brodelnden Auseinandersetzung mit (und um) Wagner entgegen. In seiner Breite und Vielfalt, aber ebenso in seiner Widersprüchlichkeit hat dieser Diskurs wenige Entsprechungen in der Kulturgeschichte. Auf annähernd tausend eng bedruckten Seiten summiert sich seine in zwölf Jahren zusammengetragene Enzyklopädie der Wagner-Lesarten. Keine einzige davon möchte man missen. Es bleibt ein klares Bild mit Hunderten feingezeichneter Details und Facetten. In einer Zeit, die ein fatales Bedürfnis nach einfachen Antworten wiederentdeckt, ist dieses Buch das eindringlichste Plädoyer gegen jegliche Schwarz-Weiss-Malerei, gerade bei diesem Jahrhundertkomponisten. 

(Christian Wildhagen  - Neue Zürcher Zeitung)

Jetzt wagt sich Alex Ross, Musikkritiker des „New Yorker“, an eine Aufgabe, für die bei Wagner die Riesen aus „Rheingold“ zuständig wären: Er baut eine 906 Seiten starke Burg, in deren Räumen er spektakuläre Funde der Wagner-Literatur zusammenträgt. Von der Zeitachse aus arbeitet sich der Generalist Ross durch sämtliche Etagen, durch Politik und Kunst, Philosophie und Werkdeutung, Theologie und Kompositionslehre. Das Ergebnis ist grandios. Wer dem Meister auf höchstem Niveau begegnen möchte, muss in „Die Welt nach Wagner“ eindringen. 

(Wolfram Goertz  - Rheinische Post)

Mittwoch, 12. Februar 2025

Von der Faszination historischer Aufnahmen (8) - Bruno Walters legendäre Kultaufnahme des ersten Aktes der Walküre mit Lauritz Melchior und Lotte Lehmann (1935)

Diese CD ist nicht nur ein Muss für alle "Wagner-Apostel", sondern sie dürfte auch allgemein die Freunde historischer Klangdokumente interessieren - seien es die Fans von großen Jahrhundert-Dirigenten, bedeutenden Gesangssolisten oder von Orchestern wie den Wiener Philharmonikern. 

Am 22. Juni 1935 fand sich d i e Starbesetzung für Wagner- Opern zur Aufnahme des 1. Aktes der Oper "Die Walküre" in einem Wiener Tonstudio ein, noch nicht wissend, dass eine Kultaufnahme mit Referenzstatus entstehen würde. Die Besetzung: Der unübertroffene dänische Heldentenor Lauritz Melchior als Siegmund, die ausdrucksintensive Sopranistin Lotte Lehmann als Sieglinde und einer der wohl dunkelsten und finstersten Bässe, Emanuel List, als Hunding. Die Klangtechnik der Dreißiger Jahre hat freilich nicht die glatte Stereo-Perfektion der heutigen Zeit, aber man hat die Originale behutsam und sorgfältig restauriert. Die Aufnahme ist sehr lebendig durch ihr dramatisches Feuer. 

Lauritz Melchior, immer schon ein Ausnahmesänger, erfüllt den Siegmund mit verzehrender Intensität und gestaltet bis in die Details höchst ausdrucksstark. Lotte Lehmann lässt den ganzen Glanz ihrer herrlichen, lyrischen Stimme hell aufstrahlen. Sie hat eine sehr schöne Stimme, die ideal für Sieglinde ist: im Kern solide, aber mit weichen Kanten, und auch sie hat eine vorbildliche Diktion und ein ausgezeichnetes Legato. Emanuel List gestaltet den Hunding schwarzstimmig, mächtig im Klang und düster drohend. Und dies alles unter dem Dirigenten Bruno Walter, der die Wiener Philharmoniker musikalisch auf Hochtouren bringt. Unterstützt durch das strahlende Spiel des Orchesters beschwört er Wagners einzigartige Welt aus vermischtem Klang und Emotion herauf wie kein anderer.

Ein erschütterndes, legendäres Musiktheatererlebnis und die Krönung aller historischen Wagner-Dokumente.

Samstag, 1. Februar 2025

Von der Faszination historischer Aufnahmen (7) - Rudolf Kempes' Dresdner Meistersinger

Richard WAGNER (1813-1883) 
Die Meistersinger von Nürnberg – Oper in drei Akten (1868)

Hans Sachs – Ferdinand Frantz;  Veit Pogner – Kurt Böhme;  Sixtus Beckmesser – Heinrich Pflanzl;  Fritz Kothner – Karl Paul; Walther von Stolzing – Bernd Aldenhoff;  David – Gerhard Unger; Eva – Tiana Lemnitz.  - Chor der Staatsoper Dresden. - Staatskapelle Dresden. - Rudolf Kempe 
rec. 29. April 1951, Dresden
PROFIL PH13006 [4 CDs: 79,51 + 61,59 + 65,54 + 53,21]

Dresden hat zweifellos eine lange Inszenierungstradition der „Meistersinger von Nürnberg“, mit weit über 500 Aufführungen seit der Dresdner Uraufführung 1869. Diese fast 4½ Stunden lange Aufnahme von 1951 wurde unter Verwendung der Original-Masterbänder produziert, genauer gesagt 19 Magnetbandspulen, die in einem Lager des Forschungszentrums des Berliner Rundfunks entdeckt wurden, wo sie seit den späten 1950er Jahren gelagert waren. Hier ist nun beim Remastering das Kunststück gelungen, die originalen Bänder klanglich maximal auszuloten und somit diese immerhin schon 74 Jahre alte Aufnahme in neuem Klanggewand zu präsentieren. Das Ergebnis: Es gibt keine andere Aufnahme, in der man so viel vom Text versteht, wie in dieser.  

Ferdinand Frantz stiehlt auf dieser Aufnahme mit seiner Darstellung des Schuster Hans Sachs verdientermaßen allen die Show. Er macht keinen Fehler. In Sachs’ Flieder-Monolog im 2. Akt und Wahn-Monolog im 3. Akt kommt Frantz’ runder Ton sehr wirkungsvoll zur Geltung, verankert durch sein kräftiges und festes, tiefes Register. Besonders gelungen sind auch das Schusterlied im 2. Akt und Verachtet mir die Meister nicht im 3. Akt zum Lob der heiligen deutschen Kunst. 

In ihrer Blütezeit war Tiana Lemnitz’ Darstellung der Eva eine ihrer Paraderollen. In dieser Aufnahme, in der sie Mitte fünfzig gewesen sein muss, singt selbstbewusst eine reife Eva, wobei ihre strahlende, fließende Stimme immer noch die hohen Töne mühelos erreicht. 

In der Rolle des Walther von Stolzing übernimmt der Duisburger Heldentenor Bernd Aldenhoff den jungen Ritter aus Franken. Aldenhoff, der als gelassener und sensibler Wagnerianer bekannt ist, war zum Zeitpunkt dieser Aufnahme Mitglied der Staatsoper Dresden. Später in der Saison spielte er seinen ersten Siegfried bei den Bayreuther Festspielen. Walthers anspruchsvolles Preislied aus dem 3. Akt, ein Liebeslied an Eva, wird von Aldenhoff eindrucksvoll dargeboten. Seine Stimme ist nicht zu hell, mit wunderbar klarer Diktion, hat eine starke Zugkraft und kann bis fast auf eine baritonale Ebene hinunterreichen. 

Gerhard Unger war zum Zeitpunkt dieser Aufnahme etwa 35 Jahre alt und seine Stimme passt problemlos zu Sachs' jungem Lehrling David, einer seiner Paraderollen. Kurt Böhme singt die Rolle des Goldschmieds Veit Pogner. Seine Stimme klingt reif, ist einigermaßen fest und behält hier durchgehend ihren dunklen Ton bei. 

Mit dem durchweg attraktiven Spiel der Staatskapelle gelingt es Rudolf Kempe, die breite Dynamik mit der Melodielinie auszubalancieren. Diese vorliegende epische Dresdner Aufführung von Kempe gehört zu den besten, die ich je gehört habe. Wir hören eine enorm ausgewogene Besetzung, die mit einer Spontanität singt, die man bei Studioaufnahmen nur selten findet.
 
Kurz gesagt, dies sind Meistersinger, die man unbedingt gehört haben sollte.


Donnerstag, 16. Januar 2025

Wıe man zum Wagnerianer wird

Dieses Buch eignet sich perfekt für alle, die im Pausengespräch glänzen wollen. In zehn Lektionen führen die Autoren Anfänger und Fortgeschrittene mit kleinen Anekdoten, unterhaltsamen und informativen Geschichten rund um Richard Wagner in dessen Imperium und Werk ein. Und es räumt so nebenbei mit einigen Mythen auf. Denn hier wird enthüllt: Ludwig ll. hatte gar kein Schwanenboot! Ätsch. Seine Liebe für Schwäne hatte er lange vor der Oper „Lohengrin“ entdeckt, und rüber nach Herrenchiemsee fuhr er - ganz unspektakulär - mit einem modernen Dampfschiff. Ansonsten geht's um Wagner und das liebe Geld, Wagner und die Psychoanalyse, Wagner und die Frauen und um die Wagnersche Nachlassverwaltung durch Ehefrau Cosima. Das Beste: Das Buch eignet sich auch hervorragend für diejenigen, die mit Wagner so gar nichts anfangen können, denn hier wird endlich einmal erklärt, warum „da capo“ bei Wagner einfach so gar keinen Sinn macht. Deswegen: Kaufen Sie dieses Buch. Und dann: lesen, lachen, lieben.

Wie ich zum Wagnerianer wurde können Sie >> HIER erfahren.

Samstag, 19. Oktober 2024

Von der Faszination historischer Aufnahmen (6) - Tristan und Isolde mit Lauritz Melchior und Kirsten Flagstad unter Fritz Reiner (1936)

Tristan - Lauritz Melchior; Isolde - Kirsten Flagstad; Brangäne - Sabine Kalter; Marke - Emanuel List; Kurwenal - Herbert Janssen; 
Covent Garden Opera Chorus; London Philharmonic Orchestra
Fritz Reiner (Dirigent)
Naxos Historical 8.110068-70 

Kirsten Flagstad und Lauritz Melchoir sind archetypische Wagner-Interpreten, die nicht nur das nötige Gewicht zeigen, um über ein großes Orchester hinweg zu singen, sondern auch über reichlich Leidenschaft, Verständnis und körperliche Ausdauer verfügen. 

Diese berühmte Aufführung, die 1936 live in Covent Garden aufgenommen wurde, ist ein mitreißendes Denkmal ihrer Kunstfertigkeit. Der gegenwärtige Mangel an Wagner-Sängern hat Tristan und Isolde zu einer Dirigentenoper gemacht, aber trotz der aufregenden und anspruchsvollen Leitung von Fritz Reiner stehen Flagstad und Melchoir hier im Mittelpunkt. Man wird von der Schönheit ihres Klangs ebenso mitgerissen wie von ihren ekstatischen Ausdrucksformen der Lust. Selten war das Liebesduett im zweiten Akt so berauschend. 

Es ist bemerkenswert, wie viele Details durchkommen, wenn man das Alter der Aufnahme bedenkt. Naxos hat den Wagner-Fans einen unermesslichen Dienst erwiesen, indem es diese klassische Aufführung erneut veröffentlicht hat. Es ist ein unbezahlbares Dokument aus einer besonders glanzvollen Ära der Wagner-Interpretation.

Dienstag, 8. Oktober 2024

Der Geheimtipp: Fantastischer Tristan aus Australien

Stuart Skelton (Tenor) – Tristan: Gun-Brit Barkmin (Sopran) – Isolde: Ekaterina Gubanova (Mezzosopran) – Brangäne: Boaz Daniel (Bariton) – Kurwenal: Ain Anger (Bass) – König Marke: Angus Wood (Tenor) – Melot: Paul O'Neill (Tenor) – Junger Seemann, Hirte: Andrew Foote (Bariton) – Steuermann: WASO Chor: St. George's Cathedral Ensemble: West Australian Symphony Orchestra: Asher Fisch (Dirigent)
Perth Concert Hall, Australien, 16. und 19. August 2018 
ABC CLASSICS ABC 481 8518 [3 CDs, 77,24 + 73,33 + 71,04] 

Diese Aufnahme – live im Konzert im August 2018 aufgenommen – bietet eine bemerkenswerte Besetzung von Sängern, darunter Stuart Skelton, einer der größten Wagner-Sänger unserer Zeit, der als Tristan seine lang erwartete Debütaufnahme gibt. Skelton hat den Tristan, eine seiner Paraderollen, mit großem Erfolg auf der ganzen Welt gesungen, von der Metropolitan Opera in New York über die English National Opera bis hin zu den deutschen Festspielen in Baden-Baden und an meinem Stammopernhaus, der Bayerischen Staatsoper in München. Er wurde als „ein Tristan für die Ewigkeit“ gefeiert , seine Interpretation sei „ein unermüdlicher, glorreicher Leuchtturm des Wagner-Gesangs, mit unerschöpflicher Kraft, lebendiger Resonanz gepaart mit Wärme, Subtilität und Anmut sowie engagiertem dramatischen Ausdruck“. 

Isolde wird von der deutschen Sopranistin Gun-Brit Barkmin gesungen, die im Laufe ihrer schillernden Karriere für ihre Interpretation von Hauptrollen in Werken von Janáček, Britten, Berg, Wagner und Richard Strauss gefeiert wurde. Ihre Isolde wurde als „aufregend“ gefeiert, als „außerordentlich vollständige Darstellung“, die „eine Offenbarung“ sei. 

Auf dieser Aufnahme werden sie von einer Starbesetzung begleitet, zu der unter anderem Ekaterina Gubanova, Boaz Daniel und Ain Anger gehören, sowie vom West Australian Symphony Orchestra unter der Leitung ihres Chefdirigenten Asher Fisch, einem der bedeutendsten Wagner-Interpreten der Gegenwart. 

Tristan und Isolde veränderte für immer die Regeln darüber, was Musik sein sollte und konnte, und führte Konzepte ein – darunter Chromatik, Dissonanz und sogar Atonalität –, die die Entwicklung der Musik im 20. Jahrhundert bestimmen sollten. 

Vor allem aber ist es ein Werk von atemberaubender Schönheit, von unerfüllter Liebe, in dem Sänger und Orchester in einer der erhabensten Musiken zusammenkommen, die je geschrieben wurde. „Leben und Tod, die ganze Bedeutung und Existenz der Außenwelt“, schrieb Wagner selbst, „hängen hier von nichts anderem ab, als von den inneren Regungen der Seele.“

Dieses ganze Set ist weit mehr als nur ein Andenken an ein Live-Konzert; es ist ein sehr ernsthafter Anwärter darauf, eine der großartigsten Aufnahmen von Tristan und Isolde auf CD zu sein.





Freitag, 19. April 2024

Wagner für Fortgeschrittene: Tristan und Isolde (Eugen Jochum, Bayreuth 1953)

Diese Aufnahme von Tristan und Isolde ist besonders wertvoll, da es sich um die einzige verfügbare Bayreuther Aufnahme mit der Isolde der großen Astrid Varnay handelt. Die Aufführung wird von einem der kompetentesten, wenn nicht sogar leidenschaftlichsten Dirigenten des deutschen Repertoires geleitet: Eugen Jochum. Jochum ist in seinem Dirigierstil keineswegs trocken, und dieser Tristan strahlt mehr Wärme und Engagement aus als viele andere, aber wir sprechen hier nicht von einer Aufführung auf dem gleichen Niveau wie die berühmte Aufnahme von Windgassen/Nilsson/Böhm, die viele als die beste verfügbare Version dieser Oper betrachten. Die Schlüsselwörter dieser Bayreuther Aufnahme von 1953 sind von Anfang an Konzentration, Genauigkeit und Engagement, wodurch das Drama sehr überzeugend in Bewegung bleibt. 

Astrid Varnays Isolde ist intelligent und stolz, und wo es darauf ankommt, leidenschaftlich. Sie spielt die Rolle mit ebenso viel Entschlossenheit und Klarheit wie ihre Brünnhilde und verleiht dem Text Schattierungen, die man selten findet. Ihr „Wie lachend sie mir Lieder singen“ zum Beispiel ist nicht so übertrieben wie die Darstellungen vieler anderer Sängerinnen, aber am Ende hat man das Gefühl, dass es sich hier um eine Frau von selbstbewusster Majestät handelt. Varnays Stimme hatte ein enormes Volumen und ein schweres, dunkles Timbre; sie zeigt auch große stimmliche Fähigkeiten mit unglaublicher Musikalität. Ihre Beteiligung an der gesamten Nachtszene, die mit dem großen Liebesduett im zweiten Akt endet, ist sowohl musikalisch als auch dramaturgisch außerordentlich. Ihr „Liebestod“ muss als eines der schönsten jemals aufgenommenen Werke angesehen werden. Es steht auf Augenhöhe mit jeder ihrer großartigen Aufnahmen, und obwohl sie in der Rolle der Brünnhilde absolut ideal war – eine Leistung, die in keiner anderen großartigen Rolle zu erreichen wäre –, verfügt Varnays Isolde über viel mehr Können und echtes Gefühl als fast jeder andere Sängerin in dieser Rolle. Der Liebestod ist dafür ein ebenso gutes Beispiel wie jeder andere Teil der vorliegenden Aufnahme. Wenn es zunächst zum Unsubtilen tendiert, hebt es den Zuhörer schließlich langsam und überraschend auf eine Höhe, die man nur von den größten Wagner-Interpreten erwarten kann. 

Der beliebte und wenig bekannte Ramón Vinay singt den Tristan, und er ist eine gute Wahl für die Rolle. Vinays Tenor zeichnet sich durch ein baritonales, robustes und durchdringendes Timbre aus. Seine Herangehensweise an die Rolle ist vollblütig und kriegerisch, ohne dabei aufdringlich zu wirken. Ob er mit der glühenden Entschlossenheit und Interpretationstiefe von Astrid Varnay mithalten kann, ist schwer zu sagen. Er macht in vielerlei Hinsicht viel aus dem Text und überzeugt uns in den meisten Fällen von seinem Charakter. Seine letzten Worte sind ein rührender, aber gut kontrollierter Ausdruck gestörter Liebe. 

Gustav Neidlinger singt den Kurwenal. Sein Ansatz ist geradlinig und an den richtigen Stellen berührend. Er bringt einen hervorragenden prägnanten Ton mit, der in aufgezeichneten Darstellungen dieser wichtigen Figur so oft fehlt. Die Rolle der Brangäne wird gekonnt vom großen Bayreuther Mezzosopran Ira Malaniuk gesungen, König Marke von Ludwig Weber. Obwohl diese Aufnahme in Mono ist, ist die Klangqualität extrem gut und ausgewogen, vor allem für eine Live-Aufnahme. Dies ist eine Gelegenheit, um fantastische Künstler in der Blütezeit ihrer Karriere zu hören.

Montag, 29. Januar 2024

Von der Faszination historischer Aufnahmen (3) - Lohengrin 1943 an der MET


Richard Wagner
Lohengrin
Astrid VarnayKerstin ThorborgLauritz MelchiorAlexander SvedNorman CordonMetropolitan Opera OrchestraErich Leinsdorf

Naxos 8.110235-37
(200 Min., 1/1943) 3 CDs

Es rauscht. Ein bisschen nur. Gerade soviel, um uns in die alte Met zu versetzen, in diesen gewaltigen, dunkelgoldenen Prunkraum aus besseren Opernzeiten, der 1966 den Abrissbirnen zum Opfer fiel. Wir schreiben das Jahr 1943, auf der anderen Seite des Atlantiks tobt der Krieg, und in New York spielt man "Lohengrin". Astrid Varnay ist gerade 24 Jahre alt und singt die Elsa mit einer so dramatischen, reichen, vollen Stimme, dass die Figur wie eine Schwester Brünnhildes klingt. Die Titelpartie in der "Walküre" hatte sie bereits mit 22 an der Met verkörpert. Kerstin Thorborg fürchtet die Varnay'sche Klangwucht nicht und setzt ihr als Ortrud abgründige Dämonie entgegen. Nach "Entweihte Götter!" gibt es kein Halten mehr, und das Publikum bricht in wilde Ovationen, mitten in die Musik hinein, so geht das an der Met, auch heute noch. Lauritz Melchior ist der Schwanenritter vom Dienst, in diesen Jahren gehörte er an der Met gleichsam zur Grundausstattung von Wagner-Aufführungen. Einen besseren Heldentenor gibt es zu dieser Zeit wirklich nicht. Alexander Sved singt den Telramund, anstatt ihn wie viele andere Baritone verzweifelt zu brüllen. Erich Leinsdorf dirigiert in bester Kapellmeistertradition. Und hier und da mit einem Silberschimmer. Met-Alltag 1943. Schöne Zeiten für die Oper.

Dienstag, 5. Mai 2020

ERINNERUNGEN AN DAS ERSTE MAL

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Eigentlich wollte ich - wie wahrscheinlich jedes normale deutsche Kind - immer schon "Heldentenor" werden. Vor allem die beiden singenden "Super-Ritter" Lohengrin und Tristan hatten es mir schon als 15-jährigen ganz besonders angetan. Und zum Entsetzen meiner Eltern gab es deshalb ab diesem Zeitpunkt - eigentlich täglich - in IHREM Wohnzimmer stundenlange Opernaufführungen.



Parsifal im Kampf mit dem roten Ritter (Schloss Neuschwanstein)
So ziemlich jedes Kind - wie hier der junge Parsifal - möchte natürlich einmal ein "Heldentenor-Ritter" werden. -
Das ist vollkommen normal!

Auch der ganze "Ring" stand da, über die ganze Woche verteilt, auf dem Programm. - Auf jeden Fall muss es für meine Eltern (meinen Bruder und unsere Dackel) dann irgendwann doch zu viel gewesen sein: Sie sind dann ausgezogen und haben sich ein zweites Wohnzimmer eingerichtet.
MEIN Wohnzimmer konnte damit endgültig zu einem zweiten Bayreuth eingeweiht werden. - Natürlich mit dem passenden Bühnen(ritter)weihfestspiel: dem Parsifal. Da mir eine übliche "Privatvorstellung" für diesen Anlaß nicht angemessen erschien, die ganze Familie - samt Dackel - sollte ja an diesem Ereignis teilhaben dürfen, ließ ich mir deshalb zu Weihnachten von meinem Patenonkel meinen ersten Parsifal (die legendäre Bayreuther Kna. - Aufnahme von 1962) schenken. Da sich der am Hl. Abend geschmückte Christbaum und der große Speisetisch für das von meinem Großvater jedes Jahr gestiftete Weihnachtsfestkaninchen nunmal in MEINEM Wohnzimmer befanden, brauchte ich jetzt nur noch die alljährlichen Worte meines Vaters "leg´ doch jetzt bitte eine schöne Platte auf" abzuwarten. Darauf war ich vorbereitet (die erste der fünf LPs lag natürlich schon längst auf Plattenteller): "Ich leg´ jetzt das Weihnachtgeschenk von Onkel Josef auf", war die wohlüberlegte Antwort. Und zum ersten Mal erklang das Vorspiel zum Parsifal (zwar etwas zweckentfremdet) als weihnachtliche Tafelmusik in MEINEM Bayreuth. - Und alle, wirklich alle (2 Omas, 1 Opa, Mama, Papa, der kleine Bruder, der Patenonkel und natürlich der etwas neurotische Dackel, der wahrscheinlich auf abfallende Knochen wartete) mussten nun zuhören! Niemand konnte - wie üblich - weglaufen oder einen "Plattenwechsel" erbitten, wäre das doch gegenüber meinen Patenonkel wirklich unhöflich gewesen: Mein erster Parsifal (zumindest die erste von fünf LPs) im weihnachtlichen Kreise der ganzen Familie. - Mein schönstes Weihnachten. - Kindheitserinnerungen. -

Aus der geplanten "Ritter-Heldentenor-Karriere" ist dann später irgendwie nichts mehr geworden, - wie eben bei den meisten anderen Kindern auch. - Zuviele Ritter und Heldentenöre wären ja auch gar nicht gut. - Aber dennoch hat besonders der Parsifal, sogar meine theologische Diplomarbeit habe ich später irgendwann über dieses religiös anmutende "Bühnenweihfestspiel" geschrieben, mich immer wieder begleitet und bereichert.
Mittlerweile - d.h. 120 Jahre nach der Bayreuther Uraufführung - gibt es natürlich unendlich viel (mehr oder weniger gescheite) Literatur über Wagners letztes Werk. - Aber den wirklich allerersten Kommentar, den seines Schülers Hans von Wolzogen (1848 -1938), den möchte ich Ihnen (d.h. der interessierten Menschheit) nun an dieser Stelle - als Download - zur weiteren Auseinandersetzung mit diesem Werk erstmals wieder im Internet zur Verfügung stellen. Selbst in wirklich großen öffentlichen Bibliotheken ist dieser erste "Leitmotiv"-Kommentar oft nur äußerst mühsam (meistens aber überhaupt nicht) zu bekommen. - "Gott sei Dank" gibt es da aber noch die guten, alten Klosterbibliotheken. Und wenn dann auch noch der Klosterbibliothekar ein leidenschaftlicher Wagnerianer (und Webmaster) ist und Sie vor allem auch noch die richtigen Suchworte in Ihre Suchmaschine eingegeben haben (denn höchstwahrscheinlich werden Sie so diese Seite gefunden haben), dann: "Heil, dir Sonne! Heil, dir Licht!"- Auf jeden Fall wünsche ich Ihnen eine anregende Lektüre beim Studium dieses "Ur-Leitmotiv-Führers". Und falls Sie - ganz zufällig - noch eine Karte für den "grünen Hügel" übrig haben sollten? - Sie dürfen sich jederzeit bei mir ((siegfried@ottilien.de) melden! PAX ET BONUM!
Ihr Pater Siegfried


LEITFÄDEN DURCH DIE MUSIK


Wolzogen, Hans ¬von¬:
Thematischer Leitfaden durch die Musik des Parsifal, nebst einem Vorworte über den Sagenstoff des Wagner'schen Dramas. - 2. Aufl. - Leipzig : Senf, 1882. - 92 S. : mit Notenbeispielen

DOWNLOAD - Click here!
Zum Downloaden (pdf) klicken Sie bitte auf das "Parsifal-Motiv"



Wolzogen, Hans ¬von¬:
Thematischer Leitfaden durch die Musik zu Richard Wagners´s Tristan und Isolde, nebst einem Vorworte über den Sagenstoff des Wagner'schen Dramas. - 3. unveränd. Aufl. - Leipzig : Reinboth, 1888. - 47 S. : mit Notenbeispielen
DOWNLOAD - Click here!
Zum Downloaden (pdf) klicken Sie bitte auf das "Tristan-Motiv"

Sonntag, 3. Mai 2020

Richard Wagners Bühnenweihfestspiel Parsifal und die Idee der Kunstreligion








Wewers, Siegfried (Stefan): Richard Wagners Bühnenweihfestspiel Parsifal und die Idee der Kunstreligion / Siegfried (Stefan) Wewers. Diplomarbeit im Fach Mittlere und Neuere Kirchengeschichte der Kath.-Theol. Fakultät der Universität Münster. Prof. Dr. Arnold Angenendt [Gutachter]. - Münster, 1994. - 192 S.
zugl.: Münster, Univ./Kath.-Theol. Fakultät., Dipl.-Arb., 1994

DOWNLOAD hier:

>> https://drive.google.com/file/d/0B7_d23E9EK0MZFRuQ2tVdlo5T0U/view?usp=sharing&resourcekey=0-TbqYBjEw692g_onDa5QTzw

VORWORT:

Wagners Bühnenweihfestspiel Parsifal stellt den Versuch dar, auf dem Höhepunkt, der durch fortschreitende Säkularisierung gekennzeichneten europäischen Neuzeit eine religiöse Wiedergeburt mit Mitteln der Kunst herbeizuführen. “Man könnte sagen“, schrieb Wagner 1880 in der Abhandlung Religion und Kunst, seinem philosophischen Kommentar zu Parsifal, “dass da, wo die Religion künstlich wird, der Kunst es vorbehalten sei, den Kern der Religion zu retten, indem sie die mythischen Symbole, welche die erstere im eigentlichen Sinne als wahr geglaubt wissen will, ihrem sinnbildlichen Werte nach erfasst, um durch ideale Darstellung derselben die in ihnen verborgene tiefe Wahrheit erkennen zu lassen". Somit ist Parsifal also unleugbar ein Dokument der »Kunstreligion« des 19. Jahrhunderts und seiner Absicht entsprechend, dass Religion - oder deren Wahrheit - aus der Form des Mythos in die Kunst übergegangen sei, übernahm Wagner aus den mittelalterlichen Vorbildern seines Dramas, dem Perceval ou Le conte du Graal von Chrestien de Troyes, dem Parzival Wolfram von Eschenbachs und dem Roman de l'estoire del Graal von Robert de Boron, den religiösen Gehalt nahezu vollständig.

Parsifal gehört zwar zweifellos zur Gattung des Wagnerschen Musikdramas, hat aber zugleich Züge der kultisch-rituellen Handlung, des Mysterienspiels und des Oratoriums angenommen. In Wagners Parsifal sind verschiedene religiösen Strömungen, die in der Geschichte anzutreffen sind zur Synthese gelangt. Dem in den Werken Chretiens und Wolframs gespiegelten, dem sich außerhalb der kirchlichen Herrschaftsorganisationen entfaltenden (esoterischen) Christentum hat Wagner, der »Mittler des Mittelalter«, Schopenhauerisches Gedankengut, das Erlösungsdenken und die Mitleidsethik Buddhas und seine eigene "Regenerationslehre" hinzugefügt.

Somit stellt sich letztlich die Frage: Ist Wagners Parsifal dennoch ein christliches Werk? Diese Frage, hervorgerufen durch die christlich-sakrale Symbolik, auf die man in jenem Bühnenweihfestspiel immer wieder stößt, die die Interpretationsgeschichte des Werkes zu verschiedensten Ergebnissen ("Roms Glaube" [F. Nietzsche]; "hochreligiöses Weihespiel" [Th. Mann]; "das Ergebnis einer Privat-Theologie Richard Wagners...als ein Geflecht aus altpersischen, altindischen, christlichen Mysterien" [H. Mayer; ähnlich E. Bloch]) geführt hat, soll abschließend und gleichzeitig die Thematik zusammenfassend behandelt werden.

Walhalla-Wallen


Walhalla-Wallen

Wieder, trotz widriger Winde, `gen Walhall wallten
Wackere Wesen in Wagen auf weiten Wegen zur Walstatt
Wollen wie weiland Wagner erweisen wahrhafte Ehre.
Dragees und Dropse verdrückend in dräuendem Dunkel,
Die Gucker gerichtet auf jene in glimmendem Glast,

Warten sie willig auf Wotan, den wägenden Walter,
Venus verfluchend, die Tannhäuser trickreich betörte,
Bei Tristan Trost suchend, dem Tränentrockner Isoldes,
Lustvoll durchleidend mit Lohengrin lodernde Liebe,
Parsifals Prüfungen preisend, des holden Probanden,

Dessen gedenkend, der auf seiner Dschunke verdarb.
Zahlende Zuschauer zieren sich nicht zu zerquetschen
Die Hände, erheben sie, blutend durch brandenden Beifall.
Mögen die Mägen ermatteter Männer ermüden,
Gerötete Augen aufschrecken bei argem Applaus.

"Wehe dem wahnwitz`gen Wirker solch wuchtiger Weisen",
Schäumen im Stillen die Schläfrigen, schlapp im Gestühl,
Nie wieder wallen `gen Walhall ihr Wunsch ist.
Gegen die grollende Gattin sie grimmen vergeblich,
Die bebend, der Begum benachbart, um Bildung bemüht ist.

In Bayreuth beim Baumeister bindender Buhlschaft.
Doch wenn der Götter Groll grausam ein Ende gefunden,
Breitet im Fränkischen Friede vorm Vorhang sich aus.
Hoch auf dem Hügel herrscht himmlische Ruhe ein Jahr lang,
Ehe aufs Neue die Erde von ehernen Füßen erbebt.


(Bisher unveröffentlichtes Frühwerk eines unbekannten Mönches,
nach des Meisters Art geschrieben im Festspielsommer 1987)

Samstag, 2. Mai 2020

Herbert Huber: Nirvana und Ewigkeit. Östliches und Westliches in Richard Wagners Dichtungen


In dem Hauptwerke Arthur Schopenhauers „Die Welt als Wille und Vorstellung“ finden sich einige Zeilen, die man, von heute aus geurteilt, als Prophezeiung zu lesen versucht sein könnte: „In Indien fassen unsere Religionen nie und nimmermehr Wurzel: die Urweisheit des Menschengeschlechts wird nicht von den Begebenheiten in Galiläa verdrängt werden. Hingegen strömt Indische Weisheit nach Europa zurück und wird eine Grundveränderung in unserm Wissen und Denken hervorbringen“ . Ist es nicht tatsächlich so, dass trotz der christlichen Missionierungsbemühungen unser Jahrhundert eine Renaissance ohnegleichen des Islam, des Buddhismus, des Hinduismus und vieler anderer teils archaischer teils stammesgebundener Religionen erlebt? Hat Schopenhauer also nicht recht, wenn er dem Christentum wenig Erfolgsaussichten bei jenen Kulturen einräumt? Und hat er nicht auch damit recht, dass es nicht bei der Selbstbehauptung der östlichen Religionen bleibt, sondern dass deren Vorstellungen – in einer gleichsam umgekehrten Missionierung – untereinander bunt vermischt nach Europa strömen? In der Hippie-Bewegung der sechziger Jahre unseres Jahrhunderts finden wir eine vor allem bei Jugendlichen sehr breitenwirksame Sehnsucht nach der Auflösung des eigenen Ich in der quasi-mystischen Vereinigung mit weiteren Horizonten. Nachdem eine Zeit lang solche Entindividualisierung auf politischem Wege gesucht wurde, indem der Einzelne sich im Rahmen einer marxistischen Theorie auf eine gesellschaftliche Funktionsgröße reduzieren ließ, sehen wir seit längerem einen religiösen Supermarkt erblühen, dessen Angebot inzwischen von keltischen Druiden über feministische Hexen, buddhistisch inspirierte Sekten, okkulte und esoterische Heilslehren bis hin zu den sich philosophisch gebenden Spekulationen der Theoretiker des sogenannten „New Age“ reicht. Meditation, Loslösung vom Ich, Verschmelzung mit dem Ganzen, - das ist heute streckenweise sogar in den christlichen Kirchen zur Mode geworden. Das religiöse Verhältnis des Menschen zur Gottheit wird heute nicht selten ersetzt durch trunkene Gruppenerlebnisse und durch den als Naturfrömmigkeit mißdeuteten Einsatz für den Umweltschutz.


Türkheim, im Frühjahr 2002

Herbert Huber

>> Download des Manuskripts (PDF, 24 Seiten, 317k)

Richard Wagner: Die Leitmotive


Sämtliche Leitmotive zum Ausdrucken auf jeweils nur einem einzigen Blatt! - Unentbehrlich, praktisch und handlich für tiefsinnige Pausengespräche in der Oper. Diese Leitmotiv-Tafeln trotzen auch den geistlosesten und unmusikalischsten Regisseuren!

"Irgendwann sitzen wir alle in Bayreuth zusammen und begreifen gar nicht mehr, wie man es anderswo aushalten konnte." (Friedrich Nietzsche)


DOWNLOAD (PDF):

Der fliegende Holländer
Tannhäuser
Lohengrin
Tristan und Isolde
Die Meistersinger von Nürnberg
Das Rheingold
Die Walküre
Siegfried
Götterdämmerung
Parsifal


Dienstag, 16. Juli 2019

Wilhelm Furtwängler: Die Walküre (Wien, 1954)


Es sollte der Auftakt zu einer Studioaufnahme von Richard Wagners 'Der Ring des Nibelungen' werden, doch es blieb bei der Walküre. Bedauerlicherweise verließ Wilhelm Furtwängler der Lebenswille, und er starb nur zwei Monate nach dieser Produktion (28. September bis 6. Oktober 1954) an einer Lungenentzündung. Es ist die letzte Studioaufnahme eines Ausnahmekünstlers, der solchen lange skeptisch begegnete, da er der Technik nicht traute.

Die Oper fesselt von Anbeginn. Furtwängler läßt das Vorspiel stürmen, so daß man Siegmunds Hast und Erschöpfung förmlich spürt, wenn er eintritt und nach Ruhe sucht. Dieser Einstieg in das Drama zeigt, wie Furtwängler die Oper sieht. Man merkt nichts von der Lebensmüdigkeit, die den 68jährigen Meister bereits erfaßt hatte.

Furtwängler schafft eine 'wahrhaftige' Walküre - kein unnötiger Pathos, kein überflüssiges Feuerwerk, stattdessen ein reines Drama. Nichts Künstliches ist an diesem Werk. Vielmehr habe ich stets das Gefühl, nie eine solche authentische Walküre gehört zu haben. Alles paßt hier zusammen, und es wirkt, als habe Furtwängler einen zutiefst menschlichen Zugang zum Drama gefunden.

Neben dem herausragenden Dirigat des Meisters zeigen sich die Wiener Philharmoniker von ihrer besten Seite. Es gibt nur wenige Orchester, die das Zeug haben, so zu spielen. Gleichzeitig komplettieren die Sänger die Perfektion der Aufnahme. Mit Leonie Rysanek und Ludwig Suthaus standen eine großartige Sieglinde und ein großartiger Siegmund bereit. Martha Mödl als Brünnhilde und Ferdinand Frantz als Wotan bilden das zweite kongeniale Paar dieser Einspielung.

Bereits seine hochgelobte und noch heute unübertroffene Studioaufnahme von 'Tristan und Isolde' mit dem Philharmonia Orchestra (1952) hatte Furtwängler eines Besseren belehrt: Die Technik ließ schon gute Aufzeichnungen zu. Das ist auch bei dieser ursprünglich für die EMI gemachten Aufnahme der Fall. Die Qualität ist für 1954 sehr gut. Es gibt ein kleines Hintergrundrauschen, aber das ist in Anbetracht der Klarheit der instrumentalen und gesanglichen Stimmen absolut nachrangig.

An dieser Walküre ist nur eines bedauerlich: Es folgten ihr nicht die drei anderen Teile des Rings. Auf drei CDs gebannt, liegt hier ein Meisterwerk ohne Abstriche vor!




Freitag, 31. März 2017

Richard Wagner und der christliche Gottesdienst


Im Frühjahr 1865 besuchte der in München lebende Richard Wagner des öfteren die Benediktinerabtei St. Bonifaz vor den Toren der Stadt. Wagner hatte vor kurzem ein Mitglied des Konventes kennengelernt, nämlich den aus dem Augsburgischen stammenden Pater Petrus Hamp (1838 - 1909). Der Komponist entwarf gerade das Textbuch zum Parsifal und wünschte, sich bei Pater Petrus "über die katholische Messe zu informieren". Dem ehrwürdigen Geistlichen schien es, als ob Wagner das "Messelesen lernen wollte".

Der Künstler, das Theatergenie seiner Epoche, holt sich Rat für sein künftiges Bühnenweihfestspiel bei einem Mann der Kirche. Diese bemerkenswerte Episode aus Wagners Biographie soll Ausgangspunkt sein für die folgenden Überlegungen zum Thema: Richard Wagner und der christliche Gottesdienst. Wir fragen zunächst nach der Rolle, die der Gottesdienst im Leben des evangelischen Christen Richard Wagner spielte. Dann ist zweitens von Wagners Eintreten für den katholischen Gottesdienst zu handeln. Aufgrund dieser Befunde erörtern wir drittens die Rezeption gottesdienstlicher Elemente in Wagners Musikdramen. Schließlich sind viertens Gemeinsamkeiten zwischen Theater und Liturgie aufzuzeigen...".

Kurt Küppers:
Richard Wagner und der christliche Gottesdienst
Antrittsvorlesung an der Universität Augsburg am 16. Mai 1991

Download der Vorlesung (PDF)

Samstag, 30. Juli 2016

Der Ring des Nibelungen (Bayreuth 2016, Castorf / Janowski)


Das Rheingold




Die Walküre




Siegfried




Götterdämmerung








Frank Castorf, der große Provokateur, wird auch in Bayreuth seiner Rolle gerecht: Der Regisseur des "Ring des Nibelungen" ist nach der Premiere der "Götterdämmerung" in Bayreuth vom Publikum minutenlang ausgebuht und ausgepfiffen worden. Der Berliner reagierte seinerseits mit Provokation des Publikums. Er zeigte immer wieder auf die Zuschauer, forderte sie mit Gesten auf, lauter zu buhen, tippte sich an die Stirn.

Etliche Minuten harrten Castorf und sein Team geradezu stoisch im wütenden Proteststurm aus, der nur von einigen wenigen "Bravo"-Rufen unterbrochen wurde. Der Regisseur deutete immer wieder auf seine Uhr: Er habe Zeit. Erst danach trat Castorf von der Bühne ab.


Mittwoch, 22. Mai 2013

Im wunderschönen Monat Mai kroch Richard Wagner aus dem Ei

(mit diesen humorvollen Worten an seine erste Frau Minna
gratulierte sich Wagner selbst zu seinem Geburtstag am 22. Mai 1813)

Wenn der Meister nicht gestorben wäre, dann wäre er heute 200 Jahre alt geworden! - Na ja, damals gab es noch keinen "Medizin-Fortschritt", so dass er "nur" 70 wurde. Trotzdem: HAPPY BIRTHDAY, MAESTRO! - Wir haben Dich nicht vergessen!

Nur aus diesem aktuellen Grund habe ich den Meister für heute wieder einmal "freigelassen"!



Und natürlich möchte ich auch einen "vernünftigen" Beitrag zu diesem "Heiligen Jahr" beitragen. Deshalb habe ich mir überlegt, zum 22. Mai 2013, meine theologische Diplomarbeit aus dem Jahre 1994 im Internet zu veröffentlichen, für alle, die tiefsinnigere Gedanken über den Meister und seinen "Parsifal" brauchen:

Wewers, Siegfried (Stefan): Richard Wagners Bühnenweihfestspiel Parsifal und die Idee der Kunstreligion / Siegfried (Stefan) Wewers. Diplomarbeit im Fach Mittlere und Neuere Kirchengeschichte der Kath.-Theol. Fakultät der Universität Münster. Prof. Dr. Arnold Angenendt [Gutachter]. - Münster, 1994. - 192 S.
zugl.: Münster, Univ./Kath.-Theol. Fakultät., Dipl.-Arb., 1994

DOWNLOAD hier:
>> http://de.scribd.com/doc/134376997/Diplomarbeit

Damit Sie auch wissen, was da auf 192 Seiten auf Sie zukommt, das

VORWORT:

Wagners Bühnenweihfestspiel Parsifal stellt den Versuch dar, auf dem Höhepunkt, der durch fortschreitende Säkularisierung gekennzeichneten europäischen Neuzeit eine religiöse Wiedergeburt mit Mitteln der Kunst herbeizuführen. “Man könnte sagen“, schrieb Wagner 1880 in der Abhandlung Religion und Kunst, seinem philosophischen Kommentar zu Parsifal, “dass da, wo die Religion künstlich wird, der Kunst es vorbehalten sei, den Kern der Religion zu retten, indem sie die mythischen Symbole, welche die erstere im eigentlichen Sinne als wahr geglaubt wissen will, ihrem sinnbildlichen Werte nach erfasst, um durch ideale Darstellung derselben die in ihnen verborgene tiefe Wahrheit erkennen zu lassen". Somit ist Parsifal also unleugbar ein Dokument der »Kunstreligion« des 19. Jahrhunderts und seiner Absicht entsprechend, dass Religion - oder deren Wahrheit - aus der Form des Mythos in die Kunst übergegangen sei, übernahm Wagner aus den mittelalterlichen Vorbildern seines Dramas, dem Perceval ou Le conte du Graal von Chrestien de Troyes, dem Parzival Wolfram von Eschenbachs und dem Roman de l'estoire del Graal von Robert de Boron, den religiösen Gehalt nahezu vollständig.


Parsifal gehört zwar zweifellos zur Gattung des Wagnerschen Musikdramas, hat aber zugleich Züge der kultisch-rituellen Handlung, des Mysterienspiels und des Oratoriums angenommen. In Wagners Parsifal sind verschiedene religiösen Strömungen, die in der Geschichte anzutreffen sind zur Synthese gelangt. Dem in den Werken Chretiens und Wolframs gespiegelten, dem sich außerhalb der kirchlichen Herrschaftsorganisationen entfaltenden (esoterischen) Christentum hat Wagner, der »Mittler des Mittelalter«, Schopenhauerisches Gedankengut, das Erlösungsdenken und die Mitleidsethik Buddhas und seine eigene "Regenerationslehre" hinzugefügt.


Somit stellt sich letztlich die Frage: Ist Wagners Parsifal dennoch ein christliches Werk? Diese Frage, hervorgerufen durch die christlich-sakrale Symbolik, auf die man in jenem Bühnenweihfestspiel  immer wieder stößt, die die Interpretationsgeschichte des Werkes zu verschiedensten Ergebnissen ("Roms Glaube" [F. Nietzsche]; "hochreligiöses Weihespiel" [Th. Mann]; "das Ergebnis einer Privat-Theologie Richard Wagners...als ein Geflecht aus altpersischen, altindischen, christlichen Mysterien" [H. Mayer; ähnlich E. Bloch]) geführt hat, soll abschließend und gleichzeitig die Thematik zusammenfassend behandelt werden.