Mittwoch, 19. November 2008

Die Opernkritik

Ab dem 20. November sind erst einmal zwei Wochen Urlaub in meiner westfälischen Heimat angesagt. Natürlich sind in dieser Zeit auch zwei Opernbesuche in der Aalto-Oper in Essen eingeplant. Wagners "Rheingold" steht dabei u.a. auf meinem Programm. - Für alle, die mit Wagner und der Oper wenig anfangen können, ein "kleines Trostpflaster": Meine beiden Lieblingsszenen aus "Monaco Franze", über die ich immer wieder herzlich lachen kann. Die Filme und Drehbücher (natürlich auch der fein- und tiefsinnige Humor und Wortwitz) von Helmut Dietl und Patrick Süskind sind eine Klasse für sich... Der einmalige Helmut Fischer sowieso. - So wünsche ich Ihnen (und natürlich auch mir im Opernhaus) viel Vergnügen beim Anschauen. - Im nächsten Blog-Beitrag werde ich mich dann übrigens auch einmal als "Opernkritiker" versuchen. - Ob ich´s so gut kann wie der "Monaco Franze"? -
Bis bald und alles Gute!
Ihr Pater Siegfried OSB


Monaco Franze hat mit der so genannten Hochkultur nicht viel am Hut. Opern-Besuche mit den feinen Freunden seiner Ehefrau gehören nicht gerade zu den bevorzugten Freizeit-Beschäftigungen des ewigen Stenz. Im Gegenteil, auf Monacos Abendprogramm steht eine wichtige "Fahndung" nach einer jungen Dame, mit der er kürzlich vor einem Schaufenster geflirtet hat. Wagners "Rheingold" entkommt Franze noch, aber beim zweiten Nibelungen-Teil kennt Frau von Soettingen keine Gnade mehr. Sie schleift ihren Mann in die Oper und zum anschließenden Umtrunk mit der vornehmen Gesellschaft, vor dem ihm zunächst noch mehr graut. Doch dort überrascht Monaco die Herrschaften mit einer unerwarteten Theaterkritik. Es kommt zum Eklat ...

FILM-AUSSCHNITT 1:
VORBEREITUNG AUF "DIE WALKÜRE"
MIT DEM KOLLEGEN "MANNI" KOPFECK IM BÜRO


Manni Kopfeck: Zeit wird´s Franze.
Monaco Franze: Weisst, Manni, das Schlimmste wäre ja nicht mal die Oper selber, das Schlimmste ist ja das was hinterher kommt. Weinstube verstehst, die ganzen Dampfplauderer, der Dr. Schönfärber, der Dr. Braun und die Olga. Die sind doch alle schon ganz glücklich, dass sie heute so einen Deppen wie mich dabei haben.
Manni Kopfeck: Jetzt tu Dich nicht reinsteigern, Franze, soll Dir nix Schlimmeres passieren im Leben.
Monaco Franze: Ja, Du hast leicht daherreden. Rede und Antwort muss ich dann stehen. Und ein falsches Wort wenn ich sag, dann bin ich sauber blamiert und mein Spatzl auch.
Manni Kopfeck: Dann sagst halt einfach nix.
Monaco Franze: Und wenn mich einer direkt fragt?
Manni Kopfeck: Dann sagst Deine Meinung.
Monaco Franze: Und wenn ich keine hab?
Manni Kopfeck: Ja, dann sagst Du, Du stehst noch so unter dem Eindruck dieser Jahrhundertaufführung, dass Du mindestens 14 Tage bis 3 Wochen brauchst, bis Du dieses aufwühlende Erlebnis irgendwo hirnmäßig verdaut hast und erst dann kannst Du Dir eine genauere Meinung bilden. Genau das sagst, Franze.
Monaco Franze: Ja, und woher weiß ich des, ob´s überhaupt eine Jahrhundertaufführung war oder ein rechter Scheißdreck?
Manni Kopfeck: Ja merkt man das nicht?
Monaco Franze: Ja, wenn Du was davon verstehst schon. Sonst nicht, das sag ich Dir.
Manni Kopfeck: Dann sagst Du halt einfach gerade raus, was Dir gefallen hat und was nicht.
Monaco Franze: Ja, so wie ich meinen Geschmack kenn gefällt mir dann akkurat das Flasche und dann bin ich erst recht ein Banause, nana, so geht´s nicht. Ich muss irgendwie einen Weg finden, wie ich irgendwas sagen kann, ohne dass mir das gleich als eine eigene Meinung ausgelegt wird, nicht, was irgendwie interessant klingt, aber so dass es keiner versteht. Verstehst? Dann sind nämlich die anderen die Deppen und das ist das Wichtigste, verstehst? Dass nicht ich am Schluss der Depp bin, sondern die anderen.
Manni Kopfeck: Das wird schwer sein, Franze…

SZENE: IN DER OPERNPAUSE


Annette von Söttingen: Na, Franz, wie ist Dein erster Eindruck?

Monaco Franze: Mei, Spatzl, da kann man jetzt noch gar nix genaues sagen. Ich mein, natürlich könnte man jetzt sicher irgendwas sagen… Was wollte ich jetzt sagen? Ahso, ja, äh, seriöserweise sollte man jetzt noch überhaupt nix sagen, weil für mich stellen sich jetzt erst einmal verschiedene Fragen, äh, verstehst Spatzl?

Annette von Söttingen: Franz, wenn Du irgendwelche Fragen hast, frag lieber zuerst mich.

Monaco Franze: Was ich Dich schon die ganze Zeit fragen wollte, wer ist denn der Mann da unten, der da. Der ist zwei Sitze neben uns gesessen und hat die ganze Zeit irgendwas aufgeschrieben, so mit einem Kugelschreiber, mit einer kleinen Lampe dran. Ist das ein Kritiker?

Annette von Söttingen: Das ist nicht ein Kritiker, Franz, das ist DER deutsche Musikkritiker überhaupt, Hans Böttner-Salm.

Monaco Franze: Der, genau. Was der sagt, das gilt, gell Spatzl?

Annette von Söttingen: Ja Franz.

Monaco Franze: Und täuschen tut sich der nie, ha?

Annette von Söttingen: Nein, nie Franz. Komm wir gehen jetzt was trinken.

Monaco Franze: Ja. Du, äh, ich komm gleich nach, geht´s Ihr schon mal voraus, ich muss nur noch schnell auf die Toilette, gell?

Annette von Söttingen: Wir sind dann am Buffett.


SZENE: MONACO FRANZE MIT DEM

MUSIKKRITIKER HANS BÖTTNER-SALM


Monaco Franze: Entschuldigen´s. Sie sind doch der Musikkritiker Hans Böttner-Salm.

Hans Böttner-Salm: Ja, richtig.

Monaco Franze: Mein Name ist Münchinger. Sie müssen mir helfen.

Hans Böttner-Salm: Helfen?

Monaco Franze: Ja. Es ist dringend. Es ist dringend. Ich muss mit Ihnen reden - also ungestört. Ich bitte Sie. Ich bitte Sie.…

(Monaco Franze und Hans Böttner-Salm führen ein kurzes, aber intensives Gespräch im Opernfoyer.)

Monaco Franze: Danke. Also kann ich mich jetzt darauf verlassen, dass Sie das was Sie mir freundlicherweise gesagt haben, dass das auch äh genau so in Ihrer Kritik steht?

Hans Böttner-Salm: Ja, ja schon um einiges ausführlicher, weil das war ja eine Vorkritik, die ich an die Zeitung gegeben habe, das war eine Kurzfassung, gewissermaßen die Quintessenz, wenn Sie verstehen was ich damit meine. In drei Stunden können Sie´s lesen, ja.

Monaco Franze: Ja, äh, wortwörtlich?

Hans Böttner-Salm: Ja, äh, wortwörtlich, äh: Der Dirigent uninspiriert bis lahm, Brünnhilde indisponiert bis schlecht, Wotan farblos bis nicht vorhanden, die ganze Inszenierung altmodisch bis provinziell. Das ist ja wirklich unglaublich… Das ist wirklch unglaublich, was die einem manchmal zumuten. Eine Frechheit ist das. Aber die werden sich noch wundern. Das lass ich mir nicht bieten.

Monaco Franze: Weil´s so hundsmiserabel schlecht ist, gell? Eine Unverschämtheit ist das.

Hans Böttner-Salm: Aber am schlimmsten ist das münchner Opernpublikum - hat überhaupt keine Ahnung, aber jubelt kritiklos jeden Schmarren zu einem einmaligen Erlebnis hoch.

Monaco Franze: Ehrlich?

Hans Böttner-Salm: Je länger ich darüber nachdenk, desto mehr kommt mir die Galle hoch. Ich war noch viel zu milde. Ich bin überhaupt immer viel zu milde. Und jetzt werd ich Ihnen was sagen - jetzt geh ich da noch einmal hinein und ruf die Zeitung an und formulier das Ganze noch einmal viel drastischer.

Monaco Franze: Nana, nicht Herr Salm, bleibens da. Das reicht jetzt schon, gell? So wie Sie mir das gesagt haben, so lassen wir das jetzt.

Hans Böttner-Salm: War es nicht zu milde?

Monaco Franze: Nein, das war schon scharf genug.

Hans Böttner-Salm: War´s wirklich so scharf?

Monaco Franze: Ja, messerscharf war´s Herr Böttner.

Hans Böttner-Salm: Vielleicht war´s zu scharf.

Monaco Franze: Jetzt beruhigen Sie sich, es ist ja nix passiert, das ist ja bloß eine Oper. Äh, jedenfalls, ich bedanke mich vielmals, äh, Herr von Böttner-Salm. Hier haben Sie meine Karte, ich bin bei der Kriminalpolizei, und wenn Sie einmal ein einschlägiges Problem haben, nicht, eine Hand wäscht die andere, nicht?… Habe die Ehre.

Hans Böttner-Salm: Grüß Gott.

FILM-AUSCHNITT 2:
MONACOS OPERNKRITIK IN DER WEINSTUBE

Sonntag, 9. November 2008

Fremdgegangen

(Die erste Pfeife am 7. Nov. 2008, Fotos: Bruder U.)

Ja, das wird Monsignore M. (Foto rechts unten, damals noch ohne Bart) gar nicht gerne sehen. "Fremdgegangen" wird er sich wohl jetzt denken, er, der Großmeister der "Corps Diplomatique", der mir vor vielen Jahren (ich war damals noch Theologie-Student, Monsignore M. der Leiter der "Kommende" in Dortmund-Brackel) nach einem anstrengenden und lehrreichen Vortrag über das "Subsidiaritätsprinzip" und der Verleihung des "Kommendepreises" an Pater J. (übrigens der dritte Westfale im Bunde, der jetzt hier in der Gegend gelandet ist: gemeinsam machen wir jetzt Bayern katholisch!) das Zigarrerauchen beigebracht hat, und von dem ich seit diesem Tag nicht mehr losgekommen bin. - Ausdrücklich möchte ich Monsignore M. an dieser Stelle nochmals hierfür danken: Seine "Jüngerschaft" hat bei ihm immer auch sinnvolle Dinge gelernt, die man auch "wirklich" für´s Leben brauchen kann! - (Die "kirchliche Sozial- und Gesellschaftslehre" natürlich auch.)

Aber Schuld an allem ist eigentlich nur Bruder U., er, der mit einer herrlich duftenden Pfeife neulich in meinem Büro saß: Da kam ich mir mit meiner Zigarre im Mund einfach irgendwie "kulturlos" vor und musste mir einen Tag auch "so etwas" besorgen. Noch am gleichen Abend habe ich dann unter der fachkundigen Anleitung von Bruder U. dann meine allererste Pfeife (gestopft, - das ist schon eine Kunst für sich!) und geraucht. - Und ich kann nur eins sagen: Es schmeckt (auch), aber es ist anstrengend! - Eine Pfeife brennt nicht einfach so, wie eine Zigarre, die praktisch "unauslöschlich" ist: Da muss man ständig "Hüter des Feuers" sein und das auch noch mit ungewohnt vielen "kleinen Zügen". Ein kleiner Konzentrationsfehler, eine kleine Unaufmerksamkeit und die Pfeife ist aus (Foto links: Die verbrauchten Streichhölzer nach der ersten Pfeife). Und jetzt weiß ich endlich auch, warum Pfeifenraucher so "schweigsam" sind: Im Gegensatz zur Zigarre muss man viel mehr "walten und schalten". - Vielleicht kann man das am besten mit dem Autofahren vergleichen: Die Pfeife ist ein Wagen mit Gangschaltung, die Zigarre ein "Automatic". - Allerdings macht das "Schalten" ja auch Spaß und übt einen gewissen Reiz aus. Das Ganze hat schon etwas sehr spielerisches: Es reizt einfach, die Glut am Brennen zu halten. -

"Bei der nächsten Pfeife wird alles viel einfacher und irgendwann geht´s dann ganz von allein", sagt Bruder U. - Etwas ähnliches hatte mir Monsignore M. damals nach meiner ersten Zigarre auch gesagt. - Das lässt ja hoffen!

Und falls dennoch alle Stricke reißen sollten: Dann nehme eben ich einige "Nachhilfestunden" bei unserem Abtprimas Notker, der in regelmäßigen Abständen immer wieder gerne einmal in die Bibliothek vorbeischaut, nicht zuletzt, um die vielen Bücher zu "entsorgen", die er immer wieder in Rom geschenkt bekommt. Abtprimas Notker ist bekanntlich leidenschaftlicher Pfeifenraucher, im Benediktinerorden unbestritten "the king of pipe". - Das habe ich über einige Jahre direkt miterleben (bzw. "mitriechen") dürfen, da unser Bibliothekars-Büro direkt seinen Räumlichkeiten benachbart war, als er noch Erzabt hier in St. Ottilien war:
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Ja, von unseren Äbten und Bischöfen können wir sehr viel lernen!

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Anmerkung:
Die
"Corps Diplomatique" ist wahrscheinlich die bekannteste belgische (!) Zigarrenmarke.

Dienstag, 4. November 2008

Was man hören sollte, bevor das Leben vorbei ist

Genau diese Frage ging mir neulich wieder einmal durch den Kopf, als ich die neue Klassik-Abteilung von "Ludwig Beck" in München betrat. Auf insgesamt 1.000 qm findet man nun dort mit über 100.000 Tonträgern die größte Klassik- und Jazz-Auswahl weltweit: Ganz orientierungslos stand ich da (obwohl ja eigentlich "alles" ordentlichst sortiert ist) und wurde förmlich erschlagen von der CD-Vielfalt: Der "mediale Super-Gau"! - Mittlerweile gibt es ja "alles" irgendwie auf CD oder DVD. - Und da steht man (wahrscheinlich nicht nur als Mönch) oft ziemlich hilflos herum in dieser "supermedialen" Welt und denkt sich, das "alles" ist dann doch ein bisschen zuviel des Guten.

Und so ist es interessant, dass ich vor ein paar Tagen ein Buch fand, mit genau der gleichen Fragestellung: "1001 KLASSIK-ALBEN, die sie hören sollten, bevor das Leben vorbei ist". - Und dieses Buch gibt wirklich Orientierung, weshalb ich es allen Klassik-Liebhabern besonders empfehlen möchte: Von den Madrigalen des Mittelalters bis zu bedeutenden zeitgenössischen Komponisten wie Steve Reich und Philip Glass ist alles vertreten - auch die großen Namen, von denen oder über die man schon viel gehört hat, ohne ihren Werken einmal selbst aufmerksam gelauscht zu haben: Brahms, Bruckner, Antonín Dvorák, Mahler, Sibelius...

Die wichtigsten Informationen zu den Hauptwerken der größten Komponisten aus Vergangenheit und Gegenwart in einem handlichen Band! Berauschende Sonaten, bewegende Arien und Opern, erhebende Choräle und dramatische Sinfonien - 35 Musiker und Musik-Kritiker besprechen die Kompositionen und vor allem: Sie empfehlen die besten Interpretationen, die besten Aufnahmen. Im Gegensatz zu vielen anderen Nachschlagewerken zur klassischen Musik zeigt der vorliegende Band die Plattencover, hebt empfehlenswerte Veröffentlichungen hervor und steuert treffende Zitate bei. Egal ob Klassik-Neuling oder erfahrener Konzertbesucher - dieses Werk liefert einen einzigartigen und kompakten Wegweiser durch die Welt der klassischen Musik.

... Was man gehört haben sollte, bevor das Leben vorbei ist. - Aber wahrscheinlich gibt es auch im Himmel einen Bach, Mozart, Bruckner (und Wagner)? - Vielleicht eilt es ja (wenn man genauer überlegt und dazu noch einen festen Glauben hat) doch nicht so? ... Wer aber bereits zu Lebzeiten auf "Nummer-Sicher" gehen möchte, der sollte sich dieses Kompendium auf jeden Fall unbedingt zulegen. Denn auch falls Bach, Mozart und Co. im Himmel sein sollten, wer kann einem die Garantie dafür geben, dass man selbst ... ?



W. A. Mozart:
Klavierkonzert Nr. 21, C-Dur, KV 567
Andante