Sonntag, 11. November 2007

"WER SICH AUF DEN HIMMEL FREUT, DER ..."


Die DDR gibt es schon lange nicht mehr. – Und langsam gerät in Vergessenheit, welche sonderbaren Experimente damals dort gemacht wurden. Ein Experiment war das, einer radikalen Diesseitskultur. Dabei sollten die Themen Tod und Bestattung möglichst umgegangen werden: Kreuze auf Friedhöfen waren unerwünscht. Der Staat förderte bewusst die Feuerbestattung und die Beisetzung in sog. anonymen „Urnengemeinschaftsanlagen“: Der tote Mensch sollte ganz unauffällig verschwinden.

Diese radikale Diesseitskultur der DDR war der stumme Protest gegen einen bestimmten Weltentwurf, - gegen den christlichen Weltentwurf. - Aber genau genommen war er dessen geheime Niederlage. Denn auch wenn es peinlich war: Im Paradies der Werktätigen, Arbeiter und Bauern wurde immer noch gestorben! - Und viele wurden betrogen, weil die versprochenen „herrlicher Zeiten“ in ihrem Leben nicht eintraten.

"Vertröstung auf das Jenseits" wurde dem Christentum immer schon vorgeworfen. - Und auch heute gibt es nicht wenige Menschen, die, wie die Sadduzäer, einen Glauben an den Himmel ablehnen: „Wer sich auf den Himmel freut, der wird sich wohl kaum noch auf dieser Erde engagieren“.

Aber die Sadduzäer und die modernen Hüter der Nächstenliebe irren: In einer Gesellschaft, die nicht mehr an einen Himmel glauben kann, werden viele auf der Strecke bleiben. - Denn, wer nicht mehr an einen gerechten Ausgleich im Jenseits glaubt, der muss sich den Ausgleich schon hier auf der Erde selbst schaffen. Und zum Leistungsdruck kommt dann auch noch der Vergnügungsdruck: Wenn nachher nichts mehr ist, dann muss man eben hier schon nehmen, was man kriegen kann: Ja, im „Himmel auf Erden“ wird es wohl ziemlich hart zugehen.

Wer allerdings an ein Jenseits glaubt, der ist gelassener. Der kann auch einmal verzichten - er ist nicht verpflichtet, nur an sich zu denken. - Menschen, die an ein Leben nach dem Tod glauben, wird manches Opfer leichter fallen. - Der Glaube an das ewige Leben bei Gott schenkt Gelassenheit und Ruhe.

Man kann es eigentlich auf einen einfachen Nenner bringen:
Wer nicht an Gott und das ewige Leben glaubt, der muss diese Welt und sich selbst retten!
Und das ist das Problem! – Bisher sind alle Versuche gescheitert.

Leider sind bisher auch alle Versuche gescheitet, sich vorzustellen, wie die Toten wohl auferstehen werden. Jahrhunderte lang hat man sich gefragt, in welcher Gestalt der Mensch wohl auferstehen werde. Wie die Sadduzäer - mit ihrer Fangfrage im heutigen Evangelium - wollte man mehr Details wissen.

Und selbstverständlich hat man auch eine Antwort gefunden, denn Theologen finden auf alles eine Antwort: Der Leib, den der Mensch am Ende aller Zeiten erhalten wird – so hat ein findiger Kopf des Mittelalters geschlossen – dieser Leib muss ja ein vollkommener Leib sein. Und die einzig vollkommene Form, die es in diesem Kosmos gäbe, das sei die Kugelform. Und damit war das Rätsel auch schon gelöst: Als Kugel, - in Kugelgestalt würden die Menschen am jüngsten Tag auch wieder auferstehen!

Ganz abgesehen von der unangenehmen Vorstellung - wie wir dann alle nach der Auferstehung durch den Himmel kugeln - zeigt diese Episode aus der Geschichte der Theologie eigentlich nur, was für ein Unsinn dabei herauskommen kann, wenn Menschen immer alles ganz genau wissen wollen, - so wie die Sadduzäer mit ihrer so schön konstruierten Scheinfrage.-

Aber auf solche Spekulationen lässt sich Jesus gar nicht erst ein. Solche Antworten verweigert er regelmäßig. Und er tut es auch im heutigen Evangelium. Er sagt eigentlich nur eines: Das was ihr euch vorstellt, das ist völlig falsch, so ist es ganz bestimmt nicht. – Mehr sagt er eigentlich nicht.

Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde die sind nicht nur unvorstellbar, die sind sogar undenkbar. Und was sich nicht denken lässt, dass lässt sich nun einmal auch nicht sagen, nicht einmal von Jesus.

Und auch jede vernünftige Theologie muss deshalb solche Fragen offen lassen. – Da kapituliert selbst der Katechismus der katholischen Kirche, der ja in Glaubensfragen - auf so ziemlich alles - eine Antwort kennt:

Frage: „Was geschieht im Tod mit unserer Seele und unserem Leib?“
Antwort: „Durch den Tod wird die Seele vom Leib getrennt. Der Leib fällt der Verwesung anheim. Die Seele, die unsterblich ist, geht dem Gericht Gottes entgegen und wartet darauf, wieder mit dem Leib vereint zu werden, der bei der Wiederkunft des Herrn verwandelt auferstehen wird. - Das Wie dieser Auferstehung übersteigt unsere Vorstellung und unser Verstehen.“ (KKKK, 205)

Liebe Brüder und Schwestern,
eine gute und vernünftige Theologie kennt ihre Grenzen, sonst geht es in Richtung Esoterik und New-Age: Da bekommen Sie dann auf alles eine Antwort!

Jesus befriedigt nicht unsere Spekulationssucht und Neugier. - Aber die Bibel malt uns die Zukunft in Bildern aus, wohin wir im Tod gehen. Und die sind weit sprechender, als alle menschlichen Spekulationen und Traktate.

Am Ende möchte ich Ihnen noch mein persönliches Lieblingsbild vorstellen. Es ist das Bild einer „Wohnung“. - Jesus sagt vor seinen Tod: „Ich gehe, um für euch eine Wohnung vorzubereiten.“ (Joh 14,2) - Und ich stelle mir das so vor: Wir werden in die ewige Wohnung hinein sterben. Diese Wohnung hat Jesus für uns vorbereitet. Wir dürfen aber auch darauf vertrauen, dass die Lieben, die vor uns gestorben sind, uns diese Wohnung mitbereiten. Jeder, der stirbt, nimmt etwas von uns mit: Das, was wir mit ihm geteilt haben an Liebe und Freude. Und damit schmückt er gleichsam die Wohnung, in die wir hinein sterben werden: Wir werden also nicht in etwas völlig Unbekanntes eintreten, sondern in eine liebevoll vorbereitete Wohnung, in der wir für immer daheim sein werden.

Liebe Brüder und Schwestern,
mein Glaube sagt mir, dass ich mich in dieser Welt nicht einrichten muss - und es auch gar nicht kann!

Und wie gesagt, wer nicht – wie damals viele in der DDR - an die himmlischen Wohnungen glauben kann, der hat das große Problem, sich mühsam hier auf Erden ein eigenes - und doch recht kurzfristiges irdisches Paradies aufbauen zu müssen.

Seien wir dankbar und froh, dass wir nicht unter diesem Druck stehen: Unsere Wohnungen sind - Gott sei Dank - schon längst bereitet. Amen.

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Predigt für den 32. Sonntag im Jahreskreis (C) am 11. XI. 2007 (Konventamt, St. Ottilien)
Evangeliumstext (Luk 20, 27-38)

Sonntag, 22. Juli 2007

"MAN WIRD BELIEBT, INDEM MAN ..."


Vor einigen Tagen schaute ich - wie jeden Tag - in mein Postfach und fand dort zu meiner Überraschung ein Kalenderblatt mit einem Spruch: Wahrscheinlich ein – mehr oder weniger – gut gemeinter Ratschlag eines Mitbruders. Auf dem Kalenderblatt stand folgender Spruch: „Man wird beliebt, indem man sich bemüht, anderen nützlich zu sein“ (Pierre-Jean de Béranger).

„Man wird beliebt, indem man sich bemüht, anderen nützlich zu sein.“ – Ja, das wird sich vielleicht auch Marta gedacht haben. - Und der Dank und die Antwort Jesu: „Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen.“

Das Evangelium von Maria und Marta gehört zu den provozierenden Stellen in der Hl. Schrift. - Es gibt nicht wenige Menschen, die Schwierigkeiten mit diesem Evangelium haben. – Und der Autor des Kalenderspruches und sein „Verteiler“ werden wahrscheinlich auch dazu gehören.

Da sind die beiden Schwestern: Maria und Marta.
Marta macht sich viel zu schaffen. Sie ist "ganz in Anspruch genommen", für Jesus zu sorgen.

Und Jesus? Er scheint das gar nicht anzuerkennen. Statt dessen lobt er die untätige Maria, die anscheinend nichts anderes tut, als ihm genau zuzuhören. - Ist das nicht ungerecht?

Die meisten Menschen würden wahrscheinlich eher Marta loben. Denn wir sind es gewohnt nach den Gesetzen unserer Leistungsgesellschaft zu denken: Hast du was, dann bist du was. Schaffst du was, dann giltst du was. - Nur wer etwas leistet, sich nützlich macht, hat eine Daseinsberechtigung.

Um etwas vom Sinn dieses Evangeliums zu verstehen und zu begreifen, dass es sich hier um keine ärgerliche Botschaft handelt, sondern - im Gegenteil - um eine befreiende und heilsame, ist vielleicht ein Denkspiel hilfreich. Wäre unser Evangelium eigentlich sympathischer, wenn es so lautete:"Marta beschwerte sich bei Jesus: Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester die ganze Arbeit mir allein überlässt? Sag ihr doch, sie soll mir helfen! Da wandte sich der Herr an Maria und sprach: Maria, Maria: wenn du dir nicht genauso viel Mühe gibst wie deine Schwester, wirst du nur schwerlich den ewigen Lohn erhalten."

Liebe Gläubige, ich habe nicht das Gefühl, dass diese Version erfreulicher für uns wäre. Im Gegenteil: Sie würde uns einen ungeheuren Leistungsdruck aufbürden, einen Druck, der da hieße: "Nur wer unermüdlich arbeitet, sich sorgt und müht - und ohne Rast und Ruh Leistung bringt, der verdient sich Gottes Liebe und Gnade".

Gott sei Dank: So lautet die Botschaft des Evangeliums nicht.
Christsein heißt nicht in erster Linie: wir haben viel zu sorgen; sondern: Gott sorgt für uns.

Für den Glaubenden gilt: Er muss sich seine Anerkennung, seine Daseinsberechtigung, sein Ansehen nicht durch Leistungen verdienen. Das alles hat er dadurch, dass er Kind Gottes sein darf.

Allerdings muss man bei diesem Evangelium ganz genau hinhören. Es geht hier nicht um eine einfache Schwarz-Weiß-Malerei: Marta schlecht, Maria gut! Jesus sagt: „Maria hat das Bessere gewählt, das soll ihr nicht genommen werden.“ –
Und das Wort „Besser“ ist ja auch die Steigerung von „Gut“. – D.h. in Schulnoten ausgedrückt: Marta – „Gut“; Maria – „Sehr gut“. Aber „Gut“ ist ja auch keine schlechte Note. – Man kann das leicht übersehen.

Es geht also nicht darum, dass Marta etwas schlechtes macht, sondern etwas richtiges zum falschen Zeitpunkt. Es geht darum, dass in einer bestimmten Situation der eine Mensch – Maria – das Gebot der Stunde erkennt. Und der andere Mensch – Marta – erkennt das Gebot der Stunde nicht, wegen angeblicher Verpflichtungen. Worauf es also im Leben ankommt ist es, zur richtigen Stunde die richtige Entscheidung zu treffen.

Interessanterweise steht im Lukasevangelium direkt vor dieser Maria-Marta Geschichte die Geschichte vom Barmherzigen Samariter: Da fällt jemand unter die Räuber. Der Priester und der Levit gehen – weil sie andere Pflichten und Berufungen haben – vorbei, während sich der Samariter um den scheinbar Toten kümmert.

Diese beiden Geschichten gehören zusammen. In beiden Geschichten ruft Jesus uns zu: Erkenne den Augenblick: Was ist in diesem Augenblick not-wendig. - Was wendet die Not? - Für Dich kann es gerade jetzt gut sein, wie Maria sich Zeit zu nehmen, zu sprechen und zu fragen. - Aber wenn einer am Weg liegt, dann ist es richtig, den Gefallenen jetzt aufzuheben, egal, ob Du eigentlich für den Gottesdienst zuständig bist: Hier ist Handeln angesagt, - also genau das Gegenteil der Maria-Marta Geschichte. – Erkenne den Augenblick!

Beide Geschichten wollen uns folgendes sagen: Wir dürfen uns nicht durch Rollen, Pflichten oder Ordnungen alles eigene Denken abnehmen lassen. Wir müssen aufmerksam durch den Tag gehen, um Gottes Stimme im Alltag zu hören.

Hören und Handeln gehören also zusammen: eine Kirche voller Martas rennt genauso in die falsche Richtung - wie eine Kirche voller Marias gar nicht erst aufsteht. Man kann das eine nicht vom anderen Trennen: „Hört das Wort nicht nur an, sondern handelt danach; sonst betrügt ihr euch selbst“ (Jak 1,22). Aber die Reihenfolge ist klar: Bevor wir handeln müssen wir lernen auf das zu Hören, was Gott uns zu sagen hat. Nur dann können wir unsere Prioritäten im Leben auch richtig setzen.

Liebe Mitbruder, liebe Mitfeiernde,
in Bayern und in Österreich gibt es sogar ein treffendes Wort für Menschen, die diese sinnvolle Reihenfolge - erst hören und dann handeln – nicht beachten. Einen treffenden hochdeutschen Begriff gibt es nicht, weshalb ich auch im Internet nachschauen musste, als ich ihn zum ersten Mal vor einigen Jahren gehört habe.

Es ist das Wort „Gschaftlhuber“. – Und ich fand folgende Erklärung: „Ein „Gschaftlhuber“ ist ein unangenehm betriebsamer, wichtigtuerischer und geltungssüchtiger Mensch, deren permanenter Aktionismus als störend empfunden wird. - „Gschaftlhuberei“ ist eine Bezeichnung für Tätigkeiten, die verhältnismäßig viel Energie verbrauchen, obwohl sie nur wenig Wirkung haben oder Ergebnisse zeigen...“.

In der Offenbarung des Johannes finden wir folgende Stelle: „Ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten, und wir werden Mahl halten, ich mit ihm und er mit mir“ (Offb 3,20). So hat es Maria gemacht. Sie hat Jesus nicht - wie Marta - nur die äußere Tür geöffnet, sondern ihre innere. Sie hat sich Zeit genommen für den Herrn.

Damit wir nicht auch zu „Gschaftelhubern“ werden, brauchen wir regelmäßig Zeit für Gott, wo wir unsere „inneren Türen“ öffnen. Erst diese mit Gott verbrachte Zeit gibt unserem täglichen Tun und Arbeiten einen tieferen Sinn und Bedeutung. Dem lieben Gott gelegentlich ein paar Gedanken aus der Sofakuhle zu funken oder in kniffeligen Situationen ein Stoßgebet aus den Staubwinkeln der Erinnerungen zu reaktivieren reicht nicht. – Wer Auto fahren will, der muss vorher erst einmal Tanken, damit er losfahren kann. Und überhaupt: Wer nicht regelmäßig tankt, der wird irgendwann stehen bleiben. – Niemand kann ewig auf Reserve fahren.

Wenn wir das übertragen auf unser geistliches Leben gilt: Evangelium, Kirche und die Hl. Messe sind sichere Quellen, Tankstellen der wahren Gottesbegegnung, wenn man es - wie Maria - versteht zuzuhören und aufzutanken.

Liebe Mitbrüder, liebe Mitfeiernde,
bitten wir Gott, das wir nicht zu verbitterten und geltungssüchtigen Geschaftlhubern werden, die schaffen, um sich bei anderen beliebt zu machen. - Beliebtheit ist oft ein schlechter Lehrer. – Auf das not-wendige kommt es an!

„Man wird beliebt, indem man sich bemüht, anderen nützlich zu sein.“
Ein gefährlicher Kalenderspruch. Amen.

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Predigt für den 16. Sonntag im Jahreskreis (C) am 22. VII. 2007 (Konventamt, St. Ottilien)
Evangeliumstext (Luk 10, 38-42)

Montag, 18. Juni 2007

"WIE WASSER ZU WEIN WIRD ..."


Liebes Brautpaar, liebe Gäste!

„Das Bier ist alle“. – Mit diesen Worten hat die Zeitung mit den vier großen Buchstaben vor einiger Zeit auf Plakaten für sich geworben. Und darunter stand: „Einer muss die Wahrheit sagen“. Geklaut, - aber gut geklaut.

Diese urpeinliche Wahrheit steht schon im Johannesevangelium, das wir gerade gehört haben. Und natürlich geht es da nicht um Bier, sondern um Wein.

In der Kirche ist diese berühmt berüchtigte „Hochzeit zu Kanaan“ eine der offiziellen Schrifttexte bei einer der Trauung.
Offenbar steckt darin eine besondere Botschaft über die Ehe. Welche könnte das sein? - Könnte nicht ein Hinweis auf die Ehe darin liegen, dass "der Wein ausging"?

Der Wein gibt einem Mahl die festliche Note, lässt die Herzen höher schlagen und bringt die Gäste in Stimmung.

So gibt es auch in der Ehe etwas, das das Zusammenleben zum Fest macht, was erst eigentlich und zutiefst glücklich macht: die Liebe. Und auch im Alten Testament finden wir ja schon das Sprichwort: "Köstlicher als Wein ist die Liebe."

Aber kommt nicht in jeder Ehe einmal die Stunde, da man feststellen muss: "Der Wein ist ausgegangen"?

Wenn die "HOCH-Zeit" versunken ist und der graue Alltag kommt,
wenn das Gespräch seltener wird oder ganz verstummt,
wenn gesundheitliche oder wirtschaftliche Schwierigkeiten auftreten,
wenn sich herausstellt, dass der Partner Untugenden hat,
die man noch gar nicht kannte,
oder wenn man entdeckt,
dass in Nachbars Garten auch schöne Rosen blühen:

"Der Wein ist ihnen ausgegangen."

Anders aber in der Ehe, zu der Jesus und seine Mutter geladen sind. - Hier geschieht etwas ganz Ähnliches wie auf der Hochzeit in Kanaan. Maria wird auch hier Fürsprache einlegen: "Sie haben keinen Wein mehr".

Die Antwort Jesu klingt ziemlich schroff: „Was willst du von mir, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen“. – Jesus scheint eben auch ohne mütterliche Ratschläge sehr genau zu wissen, wann und was er zu tun hat.

Und Maria beugt sich diesem Bescheid und geht zur Bedienung: "Was ER euch sagt, das tut!"
Dieses Wort seiner Mutter ist ein wichtiges Wort, vielleicht sogar das wichtigste Wort des ganzen Berichtes.
Es ist auch das letzte Wort, das die Evangelien überhaupt von Maria wiedergeben.
Es ist wie ein Testament: „Was ER euch sagt, das tut!“

Auf die Ehe angewandt heißt das: Nicht auf die Stimme des Blutes horchen, nicht auf den Rat von Freunden oder Angehörigen,
sondern allein auf den Herr: "Was ER euch sagt, das tut!"

Und was sagt der Herr? - "Füllet die Krüge mit Wasser!"

Wenn der Wein eine tiefere Bedeutung hat als Zeichen des Festes und der Liebe, dann hat auch das Wasser einen tieferen Sinn. Sechs Krüge werden damit gefüllt - bis zum Rand - wie es im Text heißt. Vielleicht hat das etwas mit dem Alltag zu tun! Wasser schmeckt auch nicht besonders gut, es ist ein ziemlich fades und langweiliges Getränk. Und auch ist die Beschaffung war zu biblischer Zeit mit einiger Mühe verbunden. - Wofür könnte das Wasser also stehen?

Es deutet auf die Treue! - Auf die Treue, die es im Alltag durchzuhalten gilt.

Für die Ehe scheint das Gleiche zu gelten wie für uns Mönche: „Aushalten, Durchhalten, Maulhalten“
oder „heiliges Stillschweigen“ – in der Benediktusregel klingt das doch etwas eleganter – das alles gehört irgendwie zur Treue.

Wenn der "Wein der Liebe“ ausgegangen ist, dann schmeckt dieses gewöhnliche Wasser nicht immer besonders gut. Es erscheint es als ein fader Ersatz. - Aber es ist absolut lebenswichtig!

Inzwischen hat der Wirt den geheimnisvollen Inhalt der Krüge gekostet, lässt den Bräutigam rufen und erklärt. "Jeder setzt zuerst den guten Wein vor und erst, wenn die Gäste schon zuviel getrunken haben, den weniger guten. Du jedoch hast den guten Wein bis jetzt zurückgehalten."

Liebes Brautpaar, liebe Gäste!

Passt das nicht auch für die Ehe? Am Anfang ist man verliebt.
Aber es ist mehr eine Liebe, die haben will.
Eine Liebe, die den anderen begehrt.

Jesus aber will eine schenkende Liebe bewirken,
eine Liebe, die gelernt hat, das DU etwas größer zu schreiben als das ICH.
Diese Liebe ist gewissermaßen durch eine "Leidensgeschichte" hindurch gegangen.

Weil die Liebe vom Opfer lebt, verliert eine Liebe, die nicht bereit ist zum Verzicht, sehr schnell ihren Glanz und erlischt. - Aber ohne Opfer und Prüfungen geht es im Leben nicht ab, weder in der Ehe, noch im Kloster, noch in der Oper. – Wie in der Oper geht es auch in der Ehe durch „Feuer und Flammen“. - Pamina und Tamino überwinden Hand in Hand diese Prüfungen, bevor sie „eingeweiht“ werden.

Und auch Papst Benedikt sagt ganz realistisch: „Die menschliche Liebe muss gereinigt werden, muss reifen ... um Ursprung wahrer, dauerhafter Freude zu sein.“ Und so ist es auch in der Ehe: Das „Wasser der Treue“ ist der Trank in mühevoller Zeit, der die Liebe der Ehepartner wachsen und reifen lässt.

Wir können dieses Wunder der Verwandlung immer wieder bei älteren Ehepaaren erleben: Liebe verbraucht sich nicht, sie wandelt sich im Laufe der Jahre und nimmt eine neue Gestalt an. Und diese Liebe muss am Ende nicht schlechter sein als die junge Liebe, sondern vielleicht sogar reifer, tiefer voller, - so wie der „gute“ Wein in Kanaan. - Dieses Wunder der Verwandlung wirkt Jesus bei denen, die ihn in die Mitte nehmen und in ihrer Ehe nicht nur auf die eigenen Kräfte vertrauen.

Liebe Susanne, lieber Peter,
am Ende möchte ich Euch deshalb folgenden Ratschlag geben:
Ladet Jesus und seine Mutter zu Eurer Hochzeit ein, in Eure Familie,
in euer neues gemeinsames Leben ein:

Er will auch bei Euch das Wunder der Verwandlung bewirken.
Dann bekommt Euer Leben Geschmack, Sinn und Tiefe. –
Dann wird Wasser zu Wein.

Und vertraut dabei auf die Worte seiner Mutter:
„Was ER euch sagt, das tut.“ – Dann seid ihr wirklich gut beraten. Amen.

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Predigt für die Trauung von Susanne und Peter am 18. VI. 2007 (Ottilienkapelle, St. Ottilien)
Evangeliumstext (Joh 2, 1-11)

Mittwoch, 7. Februar 2007

Offener Brief an alle, die gerne nachdenken möchten...


Offener Brief an alle, die gerne nachdenken möchten... – Der französische Erzbischof Hippolyte Simon verteidigt Benedikt XVI. gegen seine Kritiker

Der stellvertretende Vorsitzende der Französischen Bischofskonferenz. Erzbischof Hippolyte Simon hat am Freitag einen offenen Brief an die Medien gerichtet. Darin kritisiert er den unfairen Umgang mit Papst Benedikt XVI. im Zusammenhang mit der Aufhebung der Exkommunikation von vier Bischöfen der Priesterbruderschaft Pius X.

"Ich weiß nicht, ob ich wütend oder unglücklich bin: in Wahrheit wahrscheinlich beides. Doch was zuviel ist, ist zuviel, also sage ich: es reicht! Der mediale Aufruhr gegen Papst Benedikt XVI., der vier fundamentalistische Bischöfe und unter ihnen einen erwiesenen Holocaust-Leugner angeblich wieder in die Kirche eingegliedert hätte, stellt keine Kritik dar, sondern Verleumdung und Desinformation. Denn was auch immer man über die Entscheidungen des Papstes denken mag, so muss gesagt, wiederholt und betont werden, dass diese vier Bischöfe nicht wieder eingegliedert worden sind. Bischof Williamson, dessen Äußerungen im schwedischen Fernsehen in der Tat untragbar sind, ist also noch nicht in den Schoß der katholischen Kirche zurückgekehrt, und er untersteht immer noch nicht der Autorität des Papstes. Die Nachrichten, die von Wiedereingliederung sprechen, beruhen auf einer schweren Verwechslung zwischen Aufhebung der Exkommunikation und vollständiger Wiedereingliederung.

Ich zeige mich gerne allen Journalisten und Kommentatoren gegenüber nachsichtig, die guten Glaubens die Aufhebung der Exkommunikation mit der einfachen Wiedereingliederung durcheinander bringen konnten. Die von der Kirche benutzten Kategorien können für die breite Öffentlichkeit missverständlich sein. Doch die Wahrheit verpflichtet zu sagen, dass dies nach dem Kirchenrecht absolut nicht dasselbe ist. Wenn man die Ebenen verwechselt, wird man ein Opfer von Simplifizierungen, die nur denen nutzen, die provozieren wollen. Und man macht sich unfreiwillig zu deren Komplizen. Normalerweise ist die Öffentlichkeit im Recht, wenn sie von einem Sportjournalisten verlangt, dass er etwa zwischen einem Eckball und einem Versuch [Begriff aus dem Rugby A.d.Ü.] unterscheiden kann. Warum sollte die Kirche nicht ebenfalls das Recht auf ein „technisches“ Vokabular haben, und warum sollte man solche schweren Ungenauigkeiten nur unter dem Vorwand, dass es sich um Religion handelt, dulden?

Sehen wir uns einfach noch einmal genau an, was passiert ist. Nach der Wahl von Papst Benedikt XVI. im April 2005 haben die Bischöfe der Priesterbruderschaft St. Pius X., die vor mehr als dreißig Jahren von Erzbischof Lefebvre gegründet worden ist, darum gebeten, den Dialog mit Rom wieder aufzunehmen, doch sie haben zwei Vorbedingungen gestellt: erstens, die Liberalisierung des Missales von 1962, was durch ein Motu proprio im Juli 2007 geschehen ist, und zweitens die Aufhebung der Exkommunikation.

Was bedeutet die Aufhebung der Exkommunikation? Um einen geläufigen Vergleich zu gebrauchen würde ich sagen: als Erzbischof Lefebvre ausgetreten ist, das heißt als er ungehorsam war, weil er trotz der ausdrücklichen Mahnung des Papstes vier Bischöfe geweiht hat, wurde sozusagen automatisch eine Schranke heruntergelassen und eine Ampel auf Rot gestellt, um auszudrücken, dass er ausgetreten war. Das bedeutete, dass er, wenn er eines Tages wieder eintreten wollte, vorher Abbitte leisten müsse. Erzbischof Lefebvre ist tot. Friede seiner Seele! Heute, nach zwanzig Jahren, sagen seine Nachfolger dem Papst: „Wir sind bereit, den Dialog wieder aufzunehmen, aber von Ihrer Seite ist eine symbolische Geste erforderlich. Heben Sie die Schranke hoch und stellen Sie das gelbe Blinklicht an!“

Der Papst hat also, um dem Dialog nichts in den Weg zu legen, die Schranken hochgehoben und das gelbe Blinklicht angestellt. Die Frage ist nun, ob diejenigen, die um Wiedereintritt bitten, dies auch tun werden. Werden sie alle wiedereintreten? Wann? Unter welchen Bedingungen? Man weiß es nicht. Wie Kardinal Giovanni Battista Re (der Präfekt der Kongregation für die Bischöfe) in seinem offiziellen Dekret sagt: „Es handelt sich darum, die Bedingungen des Dialogs festzulegen.“ Es ist möglich, dass der Papst ihnen nach einer Frist, die wir nicht kennen, ein kanonisches Statut verleihen wird. Doch das ist derzeit noch nicht geschehen. Die Vorbedingung für den Dialog ist erfüllt, doch der Dialog hat noch nicht begonnen. Wir können also nicht die Ergebnisse des Dialogs beurteilen, bevor dieser überhaupt stattgefunden hat.

Nun veröffentlicht also ein schwedischer Fernsehsender am Vorabend des Tages, an dem das Dekret von Kardinal Re publiziert werden soll, die klar den Holocaust leugnenden Äußerungen eines der vier betroffenen Bischöfe, Bischof Williamson. Konnte der Papst, als er grünes Licht für die Unterzeichnung des Dekrets durch den Kardinal gegeben hatte, die Aussagen von Bischof Williamson kennen? Ich glaube, ganz ehrlich gesagt, das verneinen zu können. Und das ist in einem Sinne eher beruhigend: es ist ein Zeichen dafür, dass der Vatikan wirklich nicht die Mittel hat, alle Bischöfe und alle Fernsehkanäle der Welt überwachen zu lassen! Hier also darf man keine falsche Interpretation vornehmen: was bedeutet dieses Zusammenfallen der Unterzeichnung eines Dekrets, das für den 21. Januar vorgesehen war und Bischof Williamson folglich bekannt war, und der Ausstrahlung seiner Äußerungen im Fernsehen?

Jeder sollte sich fragen: wem nützt das Verbrechen? Wem nützt der Skandal, der durch die Äußerung einer solchen Obszönität hervorgerufen wird? Die Antwort scheint mir klar: dem- oder denjenigen, die den durch die Unterzeichnung des Dekrets begonnenen Prozess torpedieren wollen! Nun, wenn man nur ein wenig diese Fragen und die verschiedenen Aussagen von Msgr. Williamson während der letzten Jahre verfolgt, ist es eindeutig, dass er die Versöhnung mit Rom um keinen Preis will! Dieser Bischof – und ich wiederhole nochmals, dass er Rom heute noch in keiner Weise rechtlich unterstellt ist – hat sich schlicht der Methode der Terroristen bedient: er lässt eine (geistige) Bombe explodieren und hofft, dass der gesamte Prozess der Versöhnung entgleist. Er hält es, wie alle Ultras zu allen Zeiten: er lässt lieber ein Ruinenfeld zurück als sich mit denen zu versöhnen, die er als seine Feinde betrachtet.

Ich sage also von Traurigkeit erfüllt all denen, die – ob mit Genugtuung oder mit Schmerzen – Benedikt XVI. und Bischof Williamson miteinander vermischt haben: Sie haben unbewusst das Spiel eines zynischen Provokateurs gespielt! Und – so wage ich zu sagen – als Prämie haben Sie ihm ein zweites Ziel angeboten, das ihn nur entzücken konnte: auf die schlimmste Weise den Ruf des Papstes zu beschmutzen. Eines Papstes, dem er mehr misstraut als allem anderen, denn er sieht genau, dass dieser Papst die gesamte Argumentation entkräftet, die Erzbischof Lefebvre einstmals aufgestellt hatte. Ich kann auf diesen Punkt hier nicht genauer eingehen. Ich möchte nur auf einen Artikel verweisen, den ich letztes Jahr zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Motu proprio in der Zeitung „Le Monde“ geschrieben habe: „Wenn ich ein wenig überall lese, dass der Papst den Fundamentalisten alles bewilligt und nichts im Gegenzug verlangt, so kann ich dem nicht zustimmen: er bewilligt ihnen alles, was die Form der Riten anbelangt, doch er entkräftet ihre Argumentation von Grund auf. Die gesamte Argumentation von Erzbischof Lefebvre beruhte auf einer angeblich substanziellen Differenz zwischen dem Ritus des heiligen Pius V. und dem Ritus Pauls VI.. Nun erklärt Benedikt XVI., dass es keinen Sinn hat, von zwei Riten zu sprechen. Man könnte allenfalls einen Widerstand gegen das Konzil legitimieren, wenn man ganz ehrlich denken würde, dass ein substanzieller Unterschied zwischen den Riten bestehe. Kann man diesen Widerstand und schließlich sogar ein Schisma aber legitimieren, wenn man lediglich von einem Unterschied in den Formen ausgeht?

Für einen Fundamentalisten und zumal für einen Leugner des Holocaust wie Bischof Williamson ist Benedikt XVI. unendlich viel schlimmer, als alle diejenigen, die einen „Bruch“, der durch das Zweite Vatikanische Konzil herbeigeführt wurde, verherrlichen. Denn wenn es einen Bruch gibt, dann wird er durch seinen Gegensatz zum „Neuen“ gestärkt. Doch derjenige, der friedlich aufzeigt, dass das Missale von Paul VI., die Religionsfreiheit und die Ökumene integrierender Bestandteil der authentischen katholischen Tradition sind, der entzieht ihnen jede Rechtfertigung.

Ich bin mir wohl bewusst, dass ich meine Argumentation weiter entwickeln müsste. Möge mir jeder verzeihen, wenn ich auf die Internetseiten verweise, wo all das ersichtlich wird. Doch ich wünsche mir vor allem, dass jeder sich vor allzu gut aufgezogenen Provokationen hüten möge. Was diejenigen betrifft, die meinen, ständig wiederholen zu müssen, dass Joseph Ratzinger in der Hitlerjugend gedient hat, so mögen sie bitte das Zeugnis lesen, dass er am 6. Juni 2006 in Caen aus Anlass des sechzigsten Jahrestags der Landung der Alliierten in der Normandie abgegeben hat, und sich dann fragen, was sie an seiner Stelle getan hätten... Wenn man ein wenig zu laut mit den heutigen Wölfen heult, dann bringt man nicht unbedingt den Beweis dafür, dass man in der Lage gewesen wäre, sich von der Wölfen der damaligen Zeit abzugrenzen....

Es bleibt noch ein Punkt, der zweitrangig, aber trotzdem äußerst schwerwiegend ist: man muss sich jedenfalls Fragen zur Kommunikation der römischen Instanzen stellen, wenn es sich um so heikle Themen handelt. Nach der Polemik von Regensburg (die es ebenfalls verdiente, aufmerksam demontiert zu werden... ) hoffe ich – aber ich behalte mir vor, darüber eher intern zu reden –, dass die Verantwortlichen der Kurie ihrer missglückten Kommunikation eine ernsthafte Besprechung widmen. Um es kurz zu sagen, habe ich die Dinge folgendermaßen erlebt: Am Mittwoch, dem 21. Januar, wird von den italienischen Fundamentalisten, die zu triumphieren glauben, in der italienischen Zeitung „Il Giornale“ „eine Flucht organisiert“. Sofort wird das Tamtam in den Medien ausgelöst. Doch wir, die Mitglieder der Bischofskonferenzen, wir wissen absolut nichts! Drei Tage lang verbreiten sich ständig mehr Nachrichten – irrige, die die ganze Zeit von Wiedereingliederung reden – wie ein Buschfeuer. Und dann kommt die „Bombe“ von Bischof Williamson... Und erst am Samstagmorgen – drei Tage zu spät! – erhalten wir das offizielle Kommuniqué von Kardinal Re. Wie stellen Sie sich vor, dass wir da die Diskussion wieder auf eine richtige Grundlage stellen können? Kardinal Ricard hat sich redlich darum bemüht, doch das Feuer war schon ausgebrochen und niemand konnte noch ein vernünftiges Wort hören.

Jetzt, wo sich der Wirbel allmählich legt, müssen wir versuchen, uns wieder in Ruhe zu besinnen. Wie meine Großmutter sagte: Gott kann aus etwas Schlechtem etwas Gutes hervorgehen lassen. Das Schlechte ist, dass Papst Benedikt XVI. wieder einmal von einer Mehrheit der überregionalen Medien durch den Dreck gezogen wurde, ausgenommen – Gott sei Dank – „La Croix“ und einige andere. Viele Katholiken und viele Menschen guten Willens begegnen dem mit Verständnislosigkeit und Leid. Doch das Gute ist, dass die Masken gefallen sind! Wenn der Dialog mit den Bischöfen der Priesterbruderschaft St. Pius X. trotz allem weitergeht – unter dem Vorbehalt natürlich, dass sie durch die nunmehr hoch gehobene Schranke gehen – dann wird man eine Unterscheidung treffen können, denn jetzt wissen alle ein bisschen besser, was die einen und was die anderen denken.

Zum Abschluss möchte ich mich an die gläubigen Katholiken wenden, die – nicht ohne Grund – das Gefühl haben können, in dieser Geschichte ein wenig verraten, um nicht zu sagen verachtet worden zu sein: denkt über das Gleichnis vom verlorenen Sohn nach und führt es weiter. Wenn der ältere Sohn, der sich zunächst weigert, am Fest teilzunehmen, sagt, dass er doch daran teilnehmen möchte, werdet Ihr ihn dann zurückweisen? Vertraut genug auf Euch selbst und auf den Geist, der die Kirche führt und der auch das Zweite Vatikanische Konzil geführt hat, um zu glauben, dass die reine Anwesenheit dieses älteren Sohns nicht ausreichen wird, um das Fest zu ersticken. Gebt demjenigen, der zuletzt gekommen ist, ein wenig Zeit, um sich an das Licht der Festversammlung zu gewöhnen, bei der Ihr Euch aufhalten...

Hippolyte Simon,
Erzbischof von Clermont
Stellvertretender Vorsitzender
der Französischen Bischofskonferenz


Quelle:
http://www.die-tagespost.de/2008/index.php?option=com_content&task=view&id=100045801&Itemid=1

Sonntag, 4. Februar 2007

"HERR, GEH WEG VON MIR, ICH BIN EIN SÜNDER"


Liebe Mitbrüder, liebe Mitfeiernde!

wie oft haben wir das heutige Evangelium von der Berufung des Petrus schon gehört oder gelesen. Die Geschichte vom „Menschenfischer“ ist bekannt. – Und überhaupt scheinen sich die Berufungsgeschichten der Jünger, die alles zurücklassen und Jesus sofort nachfolgen, irgendwie zu gleichen. – Und doch gibt es gerade bei der Berufung des Petrus doch eine Besonderheit, die mich immer wieder beeindruckt.

Es sind die Worte: „Herr, geh weg von mir, ich bin ein Sünder“. –
Zu dieser Selbsterkenntnis kommt Petrus. Nicht durch Nachgrübeln erfährt der Mensch wer er ist. Er weiß es durch die Begegnung mit Gott: Wen Gott anspricht, der erfährt erst einmal seine eigene menschliche Kleinheit. Und Petrus sieht der Wirklichkeit ins Auge: Mein Leben hat Fehler, Knoten und Löcher.

Das Wort Sünde ist zwar in unserer Sprache noch nicht ausgestorben, wird aber oft verharmlost: Das gibt es im Straßenverkehr die „Parksünder“, die für ihre Sünden „Knöllchen“ bekommen. – Wir kennen die „Baussünder“, die da einfach einen hässlichen Betonklotz in unsere idyllische bayerische Landschaft hingestellt haben. Und immer häufiger hören wir von „Umwelt-„ und „Dopingsündern“. – Und besonders viel gesündigt wird es heute anscheinend, wenn es ums Essen und die Gesundheit geht: „Gestern hab ich wieder reingehauen. Da hab ich wirklich gesündigt. – Und dann noch der Nachtisch: Der war echt eine Sünde wert!“.

Sünde beschreibt im heutigen Sprachgebrauch also oft etwas relativ harmloses und banales. Mit Schuld und Sünde bringen nur wenige Menschen noch Gott und den Mitmenschen in Verbindung: „Jeden Abend mache ich das mit mir selbst aus.“

„Ich bin ein Sünder“. - Was ist damit gemeint?
Das altgriechische Wort für Sünder heißt „hamartolos“ und meint, dass ich mich verfehlt habe: - Ich habe mein eigentliches Ziel verfehlt und danebengeschossen. Ich habe meine Netze an der falschen Stelle ausgeworfen und brauche Gottes Hilfe.

Sich - wie Petrus - vor Gott zu bekennen, dass man das Ziel im Leben oft verfehlt hat, ist unangenehm und macht Schwierigkeiten. - Die Sünde im eigenen Inneren zu erkennen ist schwer. Bei anderen lässt sie sich leicht unterscheiden: „Die meisten Menschen beichten am liebsten die Sünden anderer Leute“ - hat Graham Greene einmal ganz richtig beobachtet. - Es ist nicht einfach, immer nur die Lichtseiten des Lebens herauszukehren, sondern auch eigene Schuld und Versagen einzugestehen und zu bearbeiten: Aber die Wahrheit ist sehr hartnäckig.

„Ein Katholik hat die Beichte... - Ich habe bloß meinen Hund“ (Max Frisch) - habe ich neulich einmal gelesen. - Die Beichte ist wahrscheinlich die einzige wirksame Möglichkeit seinen „inneren Dreck“ endgültig loszuwerden. – Nutzen wir diese Chance! Schuld sind nicht immer die anderen, - oder eine bestimmte familiäre und gesellschaftliche Struktur in meiner Umgebung. Die Einsicht: „Ich bin ein Sünder“ und die Aufgabe einer falschen Selbstsicherheit ist ein erster Schritt auf dem Weg zur Veränderung. – "Herr, geh weg von mir; ich bin ein Sünder" sagt Petrus: Es gibt keine Gotteserkenntnis ohne Selbsterkenntnis.

„Herr, geh weg von mir; ich bin ein Sünder“ hat hier aber auch noch eine andere wichtige Bedeutung, die über ein konkretes Sündenbewusstsein hinausgeht: In Jesus begegnet Petrus dem großen, allmächtigen Gott, vor dem er sich klein und unwürdig fühlt.
Petrus erlebt die Macht Jesu im überreichen Fischfang. Und diese Größe und Macht Gottes lässt ihn aber auch den Abstand zwischen Mensch und Gott erahnen. Er fürchtet sich ganz ähnlich, wie wir es vorher vom Propheten Jesaja gehört haben. Vielleicht haben wir ja noch die Worte aus der ersten Lesung in den Ohren:

„Weh mir, ich bin verloren. Denn ich bin ein Mann mit unreinen Lippen und lebe mitten in einem Volk mit unreinen Lippen. – Und meine Augen haben den König, den Herrn der Heere, gesehen.“ (Jes 6, 5) – Petrus und der Prophet Jesaja bringen in ihren Worten zum Ausdruck, was die Bibel auch „Gottesfurcht“ nennt: es ist die „Ehrfurcht vor Gott“. – „Angesichts der geheimnisvollen Gegenwart Gottes wird der Mensch sich seiner Kleinheit inne“ (KKK 208), so bringt es der Katechismus der Katholischen Kirche genau mit der „Gottesfurcht“ auf den Punkt, - und genannt werden genau diese beiden Bibelstellen.

Liebe Brüder und Schwestern,
nun gibt es da am Ende aber ein Problem: Petrus und Jesaja erkennen, dass sie unfähig sind, diesen unendlichen Abstand zwischen Gott und Mensch aus eigener Kraft zu überwinden. Von sich aus können sie diese „Angst vor Gott“ nicht überwinden. – Beide erkennen sich als Sünder, die von sich aus keinen Zugang zu Gott haben. Was können wir also tun?

Die Antwort ist eigentlich ziemlich einfach. Und wieder sagt es der Römische Katechismus ganz präzise in nur einem Satz: „Da Gott heilig ist, kann er dem Menschen verzeihen, der sich vor ihm als Sünder erkennt.“ (KKK 208) – Den Abstand zwischen Gott und Mensch kann nur Gott selbst überbrücken! – Gott ist es, der uns in Jesus selbst entgegenkommt. Gott steigt ein in mein kleines, wackeliges Boot. - Und meine Aufgabe besteht eigentlich nur darin in hineinzulassen, in mein wackeliges Boot, - damit er mir sagen kann, wo es lang geht in meinem Leben und wo ich meine Netze auswerfen soll.

Paulus schreibt an die Römer: „Gott sandte seinen Sohn in der Gestalt des Fleisches, das unter der Macht der Sünde steht, zur Sühne für die Sünde.“ (Röm 8, 3). – Genau deshalb steigt Jesus in unser Boot, - deshalb hat Gott ihn gesandt, deshalb ist er erschienen! – Er ist „erschienen, um durch sein Opfer die Sünde zu tilgen“ (Hebr 9, 27), so steht es im Hebräerbrief.

Bis dieses Jahr Weihnachten habe ich das auch immer so geglaubt und auch so gesungen. – „Christ ist erschienen, uns zu versühnen“. Bei unserer romantischen Weihnachtsfeier im Kloster gab es dieses Jahr aber - zu meiner großen Überraschung - eine ganz neue Textvariante, warum Jesus erschienen ist: „Christ ist erschienen, um uns zu dienen“. – Das ist ja sicherlich auch nicht falsch, aber doch etwas ganz anderes. – Mich hat das auf jeden Fall nachdenklich gemacht, anderen ist es vielleicht gar nicht aufgefallen. – Wenn man den Begriff „Sühne“ unter den Tisch fallen lässt, nimmt man Jesus viel von seiner geheimnisvollen Gottheit: Er wird zum guten Menschen, der anderen dient, wie es ja viele andere gute Menschen auf dieser Erde auch tun - oder getan haben. – Aber Jesus geht weit darüber hinaus: Er ist vor allem auch erschienen, wegen meiner Sünden: Um den Abstand zwischen Gott und den Menschen zu überbrücken! Petrus hat das als erster erkannt:

„Herr, geh weg von mir; ich bin ein Sünder“.
Es gibt keine Gotteserkenntnis ohne diese Selbsterkenntnis. Amen.

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Predigt für den 5. Sonntag im Jahreskreis (C) am 4. II. 2007 (Konventamt, St. Ottilien)
Evangeliumstext (Luk 5, 1-11)