Sonntag, 4. Februar 2007

"HERR, GEH WEG VON MIR, ICH BIN EIN SÜNDER"


Liebe Mitbrüder, liebe Mitfeiernde!

wie oft haben wir das heutige Evangelium von der Berufung des Petrus schon gehört oder gelesen. Die Geschichte vom „Menschenfischer“ ist bekannt. – Und überhaupt scheinen sich die Berufungsgeschichten der Jünger, die alles zurücklassen und Jesus sofort nachfolgen, irgendwie zu gleichen. – Und doch gibt es gerade bei der Berufung des Petrus doch eine Besonderheit, die mich immer wieder beeindruckt.

Es sind die Worte: „Herr, geh weg von mir, ich bin ein Sünder“. –
Zu dieser Selbsterkenntnis kommt Petrus. Nicht durch Nachgrübeln erfährt der Mensch wer er ist. Er weiß es durch die Begegnung mit Gott: Wen Gott anspricht, der erfährt erst einmal seine eigene menschliche Kleinheit. Und Petrus sieht der Wirklichkeit ins Auge: Mein Leben hat Fehler, Knoten und Löcher.

Das Wort Sünde ist zwar in unserer Sprache noch nicht ausgestorben, wird aber oft verharmlost: Das gibt es im Straßenverkehr die „Parksünder“, die für ihre Sünden „Knöllchen“ bekommen. – Wir kennen die „Baussünder“, die da einfach einen hässlichen Betonklotz in unsere idyllische bayerische Landschaft hingestellt haben. Und immer häufiger hören wir von „Umwelt-„ und „Dopingsündern“. – Und besonders viel gesündigt wird es heute anscheinend, wenn es ums Essen und die Gesundheit geht: „Gestern hab ich wieder reingehauen. Da hab ich wirklich gesündigt. – Und dann noch der Nachtisch: Der war echt eine Sünde wert!“.

Sünde beschreibt im heutigen Sprachgebrauch also oft etwas relativ harmloses und banales. Mit Schuld und Sünde bringen nur wenige Menschen noch Gott und den Mitmenschen in Verbindung: „Jeden Abend mache ich das mit mir selbst aus.“

„Ich bin ein Sünder“. - Was ist damit gemeint?
Das altgriechische Wort für Sünder heißt „hamartolos“ und meint, dass ich mich verfehlt habe: - Ich habe mein eigentliches Ziel verfehlt und danebengeschossen. Ich habe meine Netze an der falschen Stelle ausgeworfen und brauche Gottes Hilfe.

Sich - wie Petrus - vor Gott zu bekennen, dass man das Ziel im Leben oft verfehlt hat, ist unangenehm und macht Schwierigkeiten. - Die Sünde im eigenen Inneren zu erkennen ist schwer. Bei anderen lässt sie sich leicht unterscheiden: „Die meisten Menschen beichten am liebsten die Sünden anderer Leute“ - hat Graham Greene einmal ganz richtig beobachtet. - Es ist nicht einfach, immer nur die Lichtseiten des Lebens herauszukehren, sondern auch eigene Schuld und Versagen einzugestehen und zu bearbeiten: Aber die Wahrheit ist sehr hartnäckig.

„Ein Katholik hat die Beichte... - Ich habe bloß meinen Hund“ (Max Frisch) - habe ich neulich einmal gelesen. - Die Beichte ist wahrscheinlich die einzige wirksame Möglichkeit seinen „inneren Dreck“ endgültig loszuwerden. – Nutzen wir diese Chance! Schuld sind nicht immer die anderen, - oder eine bestimmte familiäre und gesellschaftliche Struktur in meiner Umgebung. Die Einsicht: „Ich bin ein Sünder“ und die Aufgabe einer falschen Selbstsicherheit ist ein erster Schritt auf dem Weg zur Veränderung. – "Herr, geh weg von mir; ich bin ein Sünder" sagt Petrus: Es gibt keine Gotteserkenntnis ohne Selbsterkenntnis.

„Herr, geh weg von mir; ich bin ein Sünder“ hat hier aber auch noch eine andere wichtige Bedeutung, die über ein konkretes Sündenbewusstsein hinausgeht: In Jesus begegnet Petrus dem großen, allmächtigen Gott, vor dem er sich klein und unwürdig fühlt.
Petrus erlebt die Macht Jesu im überreichen Fischfang. Und diese Größe und Macht Gottes lässt ihn aber auch den Abstand zwischen Mensch und Gott erahnen. Er fürchtet sich ganz ähnlich, wie wir es vorher vom Propheten Jesaja gehört haben. Vielleicht haben wir ja noch die Worte aus der ersten Lesung in den Ohren:

„Weh mir, ich bin verloren. Denn ich bin ein Mann mit unreinen Lippen und lebe mitten in einem Volk mit unreinen Lippen. – Und meine Augen haben den König, den Herrn der Heere, gesehen.“ (Jes 6, 5) – Petrus und der Prophet Jesaja bringen in ihren Worten zum Ausdruck, was die Bibel auch „Gottesfurcht“ nennt: es ist die „Ehrfurcht vor Gott“. – „Angesichts der geheimnisvollen Gegenwart Gottes wird der Mensch sich seiner Kleinheit inne“ (KKK 208), so bringt es der Katechismus der Katholischen Kirche genau mit der „Gottesfurcht“ auf den Punkt, - und genannt werden genau diese beiden Bibelstellen.

Liebe Brüder und Schwestern,
nun gibt es da am Ende aber ein Problem: Petrus und Jesaja erkennen, dass sie unfähig sind, diesen unendlichen Abstand zwischen Gott und Mensch aus eigener Kraft zu überwinden. Von sich aus können sie diese „Angst vor Gott“ nicht überwinden. – Beide erkennen sich als Sünder, die von sich aus keinen Zugang zu Gott haben. Was können wir also tun?

Die Antwort ist eigentlich ziemlich einfach. Und wieder sagt es der Römische Katechismus ganz präzise in nur einem Satz: „Da Gott heilig ist, kann er dem Menschen verzeihen, der sich vor ihm als Sünder erkennt.“ (KKK 208) – Den Abstand zwischen Gott und Mensch kann nur Gott selbst überbrücken! – Gott ist es, der uns in Jesus selbst entgegenkommt. Gott steigt ein in mein kleines, wackeliges Boot. - Und meine Aufgabe besteht eigentlich nur darin in hineinzulassen, in mein wackeliges Boot, - damit er mir sagen kann, wo es lang geht in meinem Leben und wo ich meine Netze auswerfen soll.

Paulus schreibt an die Römer: „Gott sandte seinen Sohn in der Gestalt des Fleisches, das unter der Macht der Sünde steht, zur Sühne für die Sünde.“ (Röm 8, 3). – Genau deshalb steigt Jesus in unser Boot, - deshalb hat Gott ihn gesandt, deshalb ist er erschienen! – Er ist „erschienen, um durch sein Opfer die Sünde zu tilgen“ (Hebr 9, 27), so steht es im Hebräerbrief.

Bis dieses Jahr Weihnachten habe ich das auch immer so geglaubt und auch so gesungen. – „Christ ist erschienen, uns zu versühnen“. Bei unserer romantischen Weihnachtsfeier im Kloster gab es dieses Jahr aber - zu meiner großen Überraschung - eine ganz neue Textvariante, warum Jesus erschienen ist: „Christ ist erschienen, um uns zu dienen“. – Das ist ja sicherlich auch nicht falsch, aber doch etwas ganz anderes. – Mich hat das auf jeden Fall nachdenklich gemacht, anderen ist es vielleicht gar nicht aufgefallen. – Wenn man den Begriff „Sühne“ unter den Tisch fallen lässt, nimmt man Jesus viel von seiner geheimnisvollen Gottheit: Er wird zum guten Menschen, der anderen dient, wie es ja viele andere gute Menschen auf dieser Erde auch tun - oder getan haben. – Aber Jesus geht weit darüber hinaus: Er ist vor allem auch erschienen, wegen meiner Sünden: Um den Abstand zwischen Gott und den Menschen zu überbrücken! Petrus hat das als erster erkannt:

„Herr, geh weg von mir; ich bin ein Sünder“.
Es gibt keine Gotteserkenntnis ohne diese Selbsterkenntnis. Amen.

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Predigt für den 5. Sonntag im Jahreskreis (C) am 4. II. 2007 (Konventamt, St. Ottilien)
Evangeliumstext (Luk 5, 1-11)

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