Samstag, 2. August 2025

Von der Faszination historischer Aufnahmen (9): Wagners erster Akt der "Walküre" unter Karl Elmendorff in atemberaubender Klangqualität (1944)

Es ist seltsam, dass eine so glanzvolle Aufführung in einer Zeit schrecklicher Zerstörung stattfinden konnte: Wenige Tage nach der Aufnahme in den Studios des Dresdner Rundfunks wurde die Stadt durch Bombenangriffe zerstört. Die meisten deutschen Opernhäuser hatten bereits geschlossen, sodass namhafte Sänger die Möglichkeit hatten, bei Rundfunkaufführungen im Studio aufzutreten. Diese Aufnahme ist seit einigen Jahren bei Preiser erhältlich und hat mich stets durch ihre hohe Qualität begeistert. Ihr verblüffendstes Merkmal ist die Unmittelbarkeit und die atemberaubende Klangqualität der Aufnahme selbst, die den meisten kommerziellen, speziell angefertigten Sets ihrer Zeit weit überlegen ist. Die Stimmen sind so klar und eindringlich, dass man fast glaubt, sie seien mit im Raum, und der Orchesterklang steht dem in Präsenz und Detailreichtum in nichts nach. Unter den sicherlich einschränkenden Umständen des Krieges ist diese Leistung umso bemerkenswerter. 

Elmendorff, der damalige Musikdirektor der Dresdner Staatsoper, befand sich mit 53 Jahren möglicherweise auf dem Höhepunkt seines Schaffens. Sein Dirigat zeugt von einer Autorität, die sich aus der gründlichen Kenntnis einer Partitur ergibt, die er bei den Bayreuther Festspielen und anderswo mehrfach dirigiert hat. Das Tempo des ersten Aktes, der manchmal zäh oder langweilig wirken kann, ist hier ideal, mit klarem Blick auf die Gesamtstruktur, nie übereilt, stets lebendig. Die Blechbläser sind nicht immer absolut stimmig; ansonsten entspricht das Spiel der Sächsischen Staatskapelle allen hohen Erwartungen. 

Der bemerkenswerteste Aspekt des Gesangs ist die Klarheit und der idiomatische Charakter der Diktion: Jedes Wort der drei Sänger ist verständlich, ohne dass ein Libretto benötigt wird. Max Lorenz war der amtierende Siegmund seiner Zeit. Er zeigt seine gewohnte Vitalität und Begeisterung. Seine Interpretation ist nicht so innerlich oder tief empfunden wie die von Melchior oder Suthaus, hat aber eine jugendliche Helligkeit im Timbre, die dem Charakter des jungen Mannes angemessen erscheint. Wie gewohnt geht er gelegentlich freizügig mit Notenwerten um. Teschemacher übertrifft hier ihre gewohnte Form mit einem frischen, offenen Ton, den man heute in der Rolle der Sieglinde so selten hört; alles wird natürlich und charaktervoll vorgetragen. Böhmes düsterer, unerbittlicher Hunding ist einer der besten auf CD, vergleichbar mit Frick, Moll und Salminen. 

Ein absolutes Muss für jeden Wagnerianer!

Freitag, 1. August 2025

Was ein Klassik begeisterter Mönch so hört (5): Der Podcast über Claudio Abbado auf rbb 3

Musikserie in 26 Folgen von Kai Luehrs-Kaiser 

CLAUDIO ABBADO 

Claudio Abbado war der erste Antiautoritäre und das wohl größte Erotikon unter den Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker. Hier wirkte er von 1989 bis 2002 in einer Zeit voller Umbrüche und Neuanfänge. Obwohl er zum Zeitpunkt seiner Amtsübernahme schon 56 Jahre zählte, brachte er ein unbestreitbares Moment von Jugend nach Berlin. 

Claudio Abbados Nahbarkeit lag begründet in Zurückhaltung und Dezenz. Darin entwickelte er eine enorme Sog- und Schubkraft sowie unerhörte Produktivität nicht nur in Berlin. Vor allem Wien, Mailand und London haben ihm viel zu verdanken. Sein Stil war unverwechselbar. Seine Fangemeinde weltweit. Er war der erste Lässige in einer aufgesteiften, durch ihn sinnlicher gewordenen Klassik-Welt.