Samstag, 31. Juli 2004

"HAT MAN NICHT AUCH GOLD BEINEBEN..."


Liebe Mitbrüder, liebe Mitfeiernde,

im Kloster da wird eigentlich viel gesungen. Nicht nur täglich hier in der Kirche. - Auch bei der Arbeit hat so mancher Mönch schon einmal ein Lied auf den Lippen. – Vor einigen Wochen kam ich in ein Büro, - da sang ein Mitbruder gerade eine ganze Opernarie:

“Hat man nicht auch Gold beineben,
Kann man nicht ganz glücklich sein;
Traurig schleppt sich fort das Leben,
Mancher Kummer stellt sich ein.
Doch wenn´s in der Tasche fein klingelt und rollt,
Da hält man das Schicksal gefangen,
Und Macht und Liebe verschafft dir das Gold
Und stillet das kühnste Verlangen.
Das Glück dient wie ein Knecht für Sold,
Es ist ein schönes Ding, das Gold.“

Die zweite Strophe haben wir dann gemeinsam im Duett beendet. –

„Die Goldarie aus Beethovens „Fidelio“ ist wohl auch in Belgien recht gut bekannt ?“ - habe ich noch nachgefragt. - „Ja natürlich, in der Arie da steckt so unheimlich viel an Wahrheit drin! - Vor allem die Stelle: „Wer bei Tisch nur Liebe findet, wird nach Tische hungrig sein.“ – Die gefällt mir besonders gut. Das ist so richtig aus dem Leben gegriffen.“

„Wer bei Tisch nur Liebe findet, wird nach Tische hungrig sein“. – Das wird sich vielleicht auch der reiche Bauer beim Bau der größeren Scheune gedacht haben. Und wenn wir momentan auch keine größere Scheune bauen – man kann aber auch an andere Großbauprojekte auf der grünen Wiese denken - so machen wir uns doch viele Pläne und Sorgen darüber, wie wir unser Leben irgendwie absichern können: „Heute das Leben von morgen sichern“ – lautet die Devise einer großen Versicherungsgesellschaft - und wohl auch die des reichen Kornbauern.

Aber was regt Gott an diesen Bauern so auf, dass er ihn einen Narren nennt? Ich denke mir: Gott ärgert sich am meisten darüber, dass es ausgerechnet das Gute ist, was diesen Menschen dazu verführt, sein Leben zu verfehlen. – Hier geht alles schief, nicht weil ihm so viel fehlt, sondern weil er so viel hat. – Weil er so viel Erfolg hat!

Er ist von Gott doppelt gesegnet: Er ist reich, - und seine Äcker tragen in diesem Jahr auch noch besonders gut. – Statt sich darüber zu freuen und sich zu sagen: In diesem Jahr brauchst du dir überhaupt keine Sorgen mehr zu machen und kannst zufrieden sein. – Und weil die Scheunen jetzt schon voll sind kannst du dir mehr Zeit nehmen für dich selbst und für die Familie.
Statt dessen lässt er sich vom Erfolg in den Stress treiben: „Was mache ich bloß?! Diese Ernte bringe ich ja gar nicht unter!“ – Schließlich kommt ihm die rettende Idee: Abreißen! Den Betrieb erweitern! Statt sich jetzt mehr Ruhe und Zeit zu gönnen, fängt er an zu rotieren. Er muss den Neubau planen und rechnen, wie er das alles finanzieren kann. Er braucht eine Baufirma und Baumaterial. Die Zeit drängt. Er kommt in Panik.

Das Einzige was ihn tröstet, ist eine beinahe magische Vorstellung: Danach! – Danach wird mein Leben beginnen. Danach, wenn alles unter Dach und Fach ist, fängt das Leben richtig an. Dann lass ich´s mir gut geh´n. Dann wenn das Haus gebaut und die Kinder groß sind; nach der Pensionierung usw.

Derartige Zukunftspläne kommentiert Jesus mit nur zwei Wörtern: „Du Narr!“. – Denn am Ende stehen die streitendenden Erben. Und zu deren Schlichter gemacht zu werden, weigert sich Jesus entschieden. Jesus hat Wichtigeres zu tun. Er ist nicht gekommen, um die Erbmasse von Leuten zu ordnen, die sich selbst kaputt gemacht haben, weil sie nicht zu leben wussten. - Jesus will uns nicht zum Abrackern anleiten: Jesus will uns lehren zu leben. – Und nicht erst irgendwann einmal, sondern hier und heute. „Ich bin gekommen, dass sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh. 10,10), sagt er bei Johannes. - „Vergiss über deinen Sorgen und Pflichten dein Leben nicht!“ – Das ist die Botschaft des heutigen Evangeliums.

Liebe Brüder und Schwestern,
zwei Dinge können wir also aus dem heutigen Evangelium für das Leben lernen:

1. LEBE IN DER GEGENWART!
„Wenn uns Verzweiflung überkommt, dann liegt das gewöhnlich daran, dass wir zu viel an die Vergangenheit und an die Zukunft denken“, schreibt die hl. Theresa von Lisieux. Es hilft also wenig, wenn wir ständig an die Zukunft denken: Wie wird sie sein? Werde ich den Anforderungen gerecht werden? Wird die Gemeinschaft mich tragen können? Werde ich krank? Werde ich Krebs haben? – All diese Überlegungen können mich in die Verzweiflung treiben.
Der einzige Weg solchen Gedanken zu entrinnen, besteht darin, in der Gegenwart zu leben. Wenn ich ja sage zum Augenblick, zu dem, was gerade ist, - dann zerbreche ich mir nicht den Kopf um Vergangenheit und Zukunft. Nur wenn du in der Gegenwart leben kannst, lebst Du nicht am Leben vorbei. – Lebe in der Gegenwart! - Die Zukunft liegt in Gottes Hand!

Und das zweite was wir lernen können: KEIN GIERGER KANN WIRKLICH LEBEN!

„Die Geizigen sind mit Bienen zu vergleichen. Sie arbeiten, als ob sie ewig leben würden.“ Diese Beobachtung hat der griechische Philosoph Demokrit bereits im vierten Jahrhundert vor Christus gemacht. Und sie gilt wohl auch noch heute: Es gibt Menschen, die arbeiten, als ob es kein Ende für sie gäbe. Sie müssen immer mehr sammeln, aus Angst, es könnte einmal nicht mehr reichen. Demokrit sieht als Ursache solch ruheloser Arbeit nicht den Fleiß, sondern den Geiz. – Der Fleiß sieht anders aus: Da strömt die Arbeit. Da macht die Arbeit Lust. – Der Geizige arbeitet verbissen. Er kann nicht aufhören, weil er Angst hat, nicht genug zu bekommen. Geiz ist Habgier, - Gier nach Reichtum. Wer von solcher Gier angetrieben wird, muss immer weiterarbeiten. Er kann nicht ausruhen und genießen. Ja, das Genießen würde seinen Reichtum mindern.

Der Gierige lebt nicht. Er glaubt, irgendwann einmal kann er die Früchte seiner Arbeit genießen. Aber jedes Mal verschiebt er den Augenblick des Genießens wieder, aus Angst, er könne eine weitere Möglichkeit zum Reichwerden verpassen. Der Gierige kann nicht wirklich leben, weil er immer auf einen späteren Zeitpunkt hin lebt. – Doch der kommt nie. So arbeitet er, als ob er ewig leben würde. Aber irgendwann, plötzlich, wird die Einsicht kommen, dass wir nicht ewig leben können.

In seiner Novelle "Wieviel Erde braucht der Mensch?" beschreibt Leo Tolstoi einen Bauern, der immer mehr Land besitzen wollte. Er begab sich daher ins Baschkirenland, um dort für sein Geld möglichst viel Land zu erwerben. Aber die Baschkiren wollten ihr Land nicht einfach verkaufen. Sie machten eine Bedingung: "Wir verkaufen nur nach Tagen. Soviel Land du an einem Tage umschreiten kannst, gehört dir. Und der Preis für einen Tag ist 1000 Rubel." - Aber, so wurde es dem Bauer Pachom erklärt, sein Geld wäre verfallen, käme er nicht an den Punkt zurück, von dem er ausgegangen sei. - Pachom nahm dieses Angebot an. Er machte sich am frühen Morgen auf den Weg, um bis zum Sonnenuntergang möglichst viel Land zu umschreiten. Er dachte, so an die fünfzig Werst werde ich wohl an einem Tage zurücklegen können, und so werde ich sicher viel, sehr viel Land für meine 1000 Rubel bekommen. Guten fruchtbaren Boden, Äcker und Wiesen. Pachom lief und rannte bis zur völligen Erschöpfung, um den vereinbarten Punkt bis zum Sonnenuntergang zu erreichen. Mit letzter Kraft erreichte er sein Ziel. Ein Baschkir rief noch: "Gut gemacht, viel Land hast du dir erworben" Aber aus dem Mund von Pachom quoll schon das Blut. - Pachom war tot.

Nun blieb für Pachom nur noch ein Grab, genauso groß wie er war, vom Kopf bis zu Füßen. –
So viel Erde braucht der Mensch! - Amen.

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Predigt für den 18. Sonntag im Jahreskreis (C) am 31. VII. 2004 (Konventamt, St. Ottilien)
Evangeliumstext (Lk 12, 13-21)

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