Liebe Mitbrüder, liebe Mitfeiernde!
Vor einiger Zeit wurde ich nach Ulm eingeladen, zum Katholikentag. Dort sollte ich ein kurzes Interview geben. Thema: Kirche und Internet. – Da ich selbst kein Auto mehr fahre wurde ich abgeholt, und als Beifahrer hat man ja so die Zeit, die Verkehrsschilder noch genauer als der Fahrer selbst zu betrachten. - Und während wir so durch Ulm fuhren, da fiel mir eines besonders auf: Ulm ist anscheinend die Stadt der „Seniorenresidenzen“. Ein Schild nach dem anderen: Seniorenresidenz "BONA VITA", Seniorenresidenz "Friedrichsau", Seniorenresidenz "Curanum" u.s.w. –
Und dann denkt man sich so: Aber früher hieß das doch irgendwie anders?! : "Altenheim". - Altenheim stand doch früher immer auf den Schildern. – Und jetzt also Seniorenresidenz: Jetzt "residieren" sie also, die Senioren.
Ja, die Namen ändern sich: Die Müllhalde heißt jetzt „Entsorgungspark“, aus „dick“ ist „vollschlank“ geworden. Schulden werden nicht mehr gemacht, sondern es wird „fremd finanziert“. Auch für das Wort „Macht“ hat man ein schöneres, neues gefunden: „Verantwortung“. - Die Besatzungsmächte nennen sich heute „Friedenstruppen“. Aus der Krankenkasse ist die „Gesundheitskasse“ geworden. - Mitarbeiter werden nicht mehr gekündigt sondern „frei gestellt“. – Einsamer und trauriger Höhepunkt dieser Entwicklung: Der Begriff „Schwangerschaftsabbruch“. Hinter diesem recht harmlos klingenden Wort steckt leider etwas ganz anderes: Da wird nicht nur eine Schwangerschaft einfach abgebrochen.
Ja, die Namen haben sich geändert. –
Aber es geht eigentlich immer um das Gleiche: Man möchte Unangenehmes mit angenehmen Worten sagen. Schlechte Nachrichten werden hübsch verpackt: Das Schönreden ist eine der Krankheiten in der heutigen Gesellschaft. Vieles wird nicht mehr beim Namen genannt, es wird schön verpackt. - Auf die Verpackung kommt es an!
Ganz im Gegensatz zu jeder „Schönrederei“ steht das heutige Johannes-Evangelium. Hier wird Klartext gesprochen: Jesus Christus ist der von Gott gesandte Retter: „Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet. – Wer nicht an die Person des Gottessohnes glaubt, ist dem Gericht verfallen. Wem das mit dem „Gericht“ zu hart klingt, der sollte eines bedenken: Es geht hier um Menschen, die - wider besseres Wissen und Gewissen - nicht an den Gottessohn glauben. Für sie wird ihr eigener Unglaube zum Gericht, und dieses Gericht bereiten sie sich ganz persönlich. Dies wird hier deutlich als Warnung ausgesprochen: Wer Christus und das Evangelium ablehnt, der schlägt sich selbst die Tür zu. Von Gott her ist die Tür natürlich nie zugeschlagen, solange der Mensch lebt. Er kann jederzeit umkehren und sich neu dem Licht zuwenden.
Liebe Brüder und Schwestern,
Gott nimmt den Menschen und sein Handeln ernst! – Das ist Klartext! –
Das ist eine sehr wichtige und schöne - aber auch eine sehr „gefährliche“ Botschaft: Wer das Evangelium gehört hat, der kann entweder alles gewinnen - oder alles verlieren! - Klarer geht es nicht!
Kommen wir jetzt zu der entscheidenden Frage: Was muss ich tun, um zu den Gewinnern zu gehören? – Die Antwort finden wir im ersten Teil des spannenden Nachtgespräches mit dem Pharisäer Nikodemus. Dort eröffnet Jesus das Gespräch mit einer ungewöhnlichen Feststellung: Um in das Reich Gottes zu kommen ist es notwendig, „von neuem“ geboren zu werden. Und als Nikodemus das nicht zu verstehen scheint, wird Jesus noch deutlicher: “Amen, amen, ich sage dir: Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen“ (Joh 3, 5).
Es geht hier also um eine neue Geburt von oben: Eine Geburt aus „Wasser und Geist“, die nur Gott selbst herbeiführen kann. Und diese neue Geburt ist von allergrößter Bedeutung für jeden Menschen, um in das Reich Gottes zu gelangen, um das ewige Leben zu gewinnen.
In einer Zeit, wo mittlerweile auch das Sakrament der Taufe immer mehr in Frage gestellt und „kleingeredet“ wird, ist es sehr wichtig, auf die Heilsnotwendigkeit der Taufe immer wieder neu hinzuweisen: „Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen“.
„Die Kirche kennt kein anderes Mittel als die Taufe, um den Eintritt in die ewige Seligkeit sicherzustellen. (...) Gott hat das Heil an das Sakrament der Taufe gebunden ...“ (KKK 1257) – so eindeutig steht es deshalb auch im Weltkatechismus der Katholischen Kirche.
Gerade heute, im „Supermarkt der Heilsangebote“, dürfen wir keiner Mogelpackung oder Halbwahrheiten auf den Leim gehen: Zum Christsein gehört deshalb unbedingt auch die Taufe! – Früher wurde das eher überbetont, heute spricht man leider viel zu wenig darüber.
Und heute stellen wir leider auch fest, dass viele Getaufte ihren Glauben nicht mehr leben, dass sie regelrecht vom Glauben abgefallen sind. – Wie steht es um sie?
Es ist sehr interessant, was das 2. Vatikanische Konzil dazu sagt: „Nicht gerettet wird aber, wer, obwohl der Kirche eingegliedert, in der Liebe nicht verharrt – und im Schoße der Kirche zwar dem Leibe, - aber nicht dem Herzen nach verbleibt“ (LG 14). Mit anderen Worten: Der Taufschein ist noch nicht automatisch ein Garantieschein für den Himmel. – Die Wahrheit HABEN reicht nicht! Oder wie es im heutigen Evangelium so schön gesagt wurde: „Nur wer die Wahrheit TUT, kommt zum Licht.“
Wir werden aufgefordert an Christus zu glauben und diesen Glauben dann auch sichtbar werden zu lassen, in guten, lichtvollen Werken. Die Fastenzeit lädt uns ein, unseren Glauben und unsere Taten zu überprüfen. Wir haben die Gelegenheit, unsere eigenen unnötigen Verpackungen und Sünden abzulegen, damit unser Leben immer lichtvoller und wahrhaftiger wird. Und das möglichst ohne jede Schönfärberei, die ja heute oft so fantasievoll gepflegt wird. „Dann tust du die Wahrheit, wenn du nichts schönredest, dir nichts vormachst“, schreibt der hl. Augustinus.
Jesus hat sich nicht gescheut, dem kritisch eingestellten Nikodemus die Wahrheit von Taufe und Gericht klar zu erläutern. Auch wir sollten ab und zu diese Realität bedenken, die uns immer wieder neu herausfordert: Wer an Christus glaubt und die Wahrheit tut, kommt zum Licht. Nur dann können wir vorstoßen aus unserer oftmals religiösen Lauheit und Oberflächlichkeit, hin zu den Höhen des göttlichen Lichtes, hin zu Gott. Amen.
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Predigt für den 4. Sonntag der Fastenzeit (B) am 26. III. 2006 (Konventamt, St. Ottilien)
Evangeliumstext (Joh 3, 14-21)
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