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Es gibt verschiedene Formen der Leere. Einmal jene, die einfach ein Fehlen bedeutet, die Tatsache, daß nichts da ist — dann aber auch jene, welche eine besondere Art des Da-Seins bildet. Die beiden Formen sind nicht leicht zu unterscheiden. Zuweilen ist es, als ob Gott wirklich nicht da wäre und man vernünftigerweise nicht nur mit dem Gebet, sondern auch mit dem Glauben Schluß machen müßte; in Wahrheit handelt es sich aber um eine Prüfung des Glaubens, denn »Himmel und Erde sind seiner Herrlichkeit voll«, wie der Lobgesang des »Sanctus« sagt. Ja dem Glaubenden ist verheißen, daß Gott für ihn nicht nur so da sei, wie für Stein und Baum, sondern in besonderer Weise, nämlich »bei ihm«, deshalb, weil Er ihn liebt. Die Erde ist aber der Ort der Verhülltheit; und einer der dichtesten Schleier, der sich vor Gott legen kann, ist, daß man nichts von seiner Nähe weiß. In dieser Leere kann sich aber auch etwas Eigentümliches anzeigen: etwas Bedeutungsvolles, das aber durch nichts ausgedrückt werden kann; ein Sinn mitten im anscheinenden Nichts, der sich wider alle Unmöglichkeit behauptet. Öfter, als man denkt, ist es so, und man sollte besser darauf achten. Dieser Hauch, dieser »unauffaßbar feine Sinnpunkt« bildet die fernste Selbstbezeugung Gottes. Scheinbar ein Nichts, und doch fähig, den Glauben zu tragen, so daß er ausharren kann.
Tut er so, dann wird die Leere einmal ausgefüllt. Gott ist ja nicht nur Gedanke oder Phantasie, oder Gefühl sondern Wirklichkeit. Und Er lebt nicht in selig, gleichgültiger Enthobenheit über uns dahin, sondern liebt uns. Und Er ist der Herr, der Freie und Mächtige. So gibt es für Ihn keine Schranke, nicht einmal die unserer Herzenskälte, und Er wird sich dem, der in Treue ausharrt, bezeugen. Wäre Gott nur ein Gedanke oder ein Gefühl, dann lieber die Dinge in ihrer Farbigkeit, die Menschen in ihrer Lebendigkeit, die Erde in ihrer Süße und Schwere! Er ist aber der Lebendige Gott, der gesagt hat: »Siehe, ich stehe vor der Türe und klopfe an. Wer meine Stimme hört und die Tür aufmacht, zu dem will ich eingehen.« (vgl. Offb 3,20)
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Über die Mühsal des Gebetes von Romano Guardini (1885 - 1968):
aus dem Buch »Vorschule des Betens«. (Textquelle: Die Feier des Stundengebetes, Monastisches Lektionar II, 2; EOS-Verlag, St. Ottilien)
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