“Was soll das alles..?“ – Das ist eine sehr beliebte Frage, die sich wahrscheinlich jeder im Laufe seines Lebens immer wieder einmal stellen wird. Und je älter man wird, umso öfter. - So geht es mir auf jeden Fall. - In einer Geschichte aus dem Judentum ist von einem Rabbi die Rede. Dieser Rabbi klagte einmal einem seiner Schüler:
"Ich lerne unablässig, ich bete, mühe mich, gut zu sein und das Gute zu tun, und merke dennoch nicht, dass ich dadurch Gott näher komme." - Das geht wohl vielen von uns ähnlich. Wir leben unser Leben wie es halt so zu leben ist: Wir gehen Tag für Tag zu unserer Arbeitsstelle. Die Frauen (und manchmal auch die Männer) machen den Haushalt. Der Schüler geht in die Schule. Von der Nähe Gottes ist da oft nichts zu spüren. „Ich merke dennoch nicht, dass ich Gott näher komme.“, sagt der Rabbi. Und wie schön wäre es, wenn wir das merken würden. Auch das Beten bringt uns häufig nicht weiter. Wir haben uns im religiösen Leben eingerichtet, aber finden wir dadurch schon zu Gott?
Hören wir da doch die Antwort, die dem Rabbi gegeben wird, der Gott näher kommen wollte. Sie lautet: "Nimm den Willen Gottes auf dich, wie ein Ochse sein Joch und ein Esel seine Last. Schau, wie der Ochse lebt: Er geht am Morgen aus dem Stall auf das Feld, er pflügt und wird wieder nach Hause geführt, Tag um Tag, und nichts ändert sich ihm, aber das gepflügte Feld bringt seine Frucht."
Nun ist es vielleicht wenig schmeichelhaft, mit Ochs und Esel auf eine Stufe gestellt zu werden. Aber: in diesem Fall ist doch ganz gut, sich einmal darauf einzulassen. Die Antwort auf die Klage des Rabbi lebt jedenfalls von einer heimlichen Spannung: von der Spannung zwischen dem, was Ochs und Esel jeden Tag tun müssen und dem was dabei herauskommt. Ihre tägliche Arbeit ist unspektakulär. Der Erfolg des einzelnen Tages ist nicht messbar, wird kaum wahrgenommen. Man möchte meinen, es sei sinnlos, dieses Tragen der Last Tag für Tag. Am Ende aber ist der Acker gepflügt und bringt reiche Frucht. Die alltägliche Mühe hat sich gelohnt, auch wenn es erst anders aussah.
Wir kennen das ja auch aus unserem eigenen Leben. Wie oft gleicht ein Tag dem anderen. Morgens in die Schule, nachmittags Schularbeiten. Darüber stöhnen schon die Kinder. Und so geht es weiter: Tag für Tag die gleiche Arbeit im Kloster oder im Betrieb. - Tag für Tag im Haushalt dieselben Aufgaben. Das Große und Spektakuläre bleibt aus. Hat das alles Sinn? Wohl erst dann, wenn man nach einer gewissen Zeit auf das "gepflügte Feld" unseres Lebens schaut. Der Schüler erhält am Ende des Jahres ein gutes Zeugnis, wenn er gelernt hat. Die Hausfrau schafft durch ihr beständiges Mühen eine Atmosphäre, in der sich ihre Familie wohlfühlt. Die Berufstätigen helfen jeder auf seine Weise mit, dass unsere Gesellschaft leben kann. Wer nur auf den Erfolg des Augenblicks setzt, wer keine Ausdauer, keine Geduld hat, kann da nichts vorweisen.
Und nun sagt uns die kleine jüdische Geschichte: In unserer Beziehung zu Gott ist es ebenso. Das einzelne Gebet, der einzelne Gottesdienst – von ihm kann ich den Eindruck haben: es bringt mir nichts. - Und manche lassen es dann. Einmal ein gutes Werk tun? Was soll’s – es ist eh schnell vergessen in der Hektik des Lebens. - Und wie soll ich im alltäglichen Einerlei Gott finden?
Aber wie Ochs und Esel täglich ihre Arbeit tun und dadurch das Feld am Ende reiche Frucht bringt, so sagt uns Gott, dass wir ihm durch unser alltägliches Leben näher kommen können, wo immer wir tätig sind, ob in der Schule, im Beruf, im Haushalt. - Das ist der kleine Weg zur Heiligkeit, wie ihn uns die heilige Therese von Lisieux gelehrt hat. Therese hatte in sich den Wunsch zur Heiligkeit gespürt und zugleich festgestellt, dass sie es den großen Heiligen - Paulus, Augustinus und vielen anderen - niemals gleich machen könnte. Aber sie merkte: es gibt auch einen anderen Weg. Den nämlich, jeden Tag in beständiger Treue den Willen Gottes zu erfüllen – in all den vielen Kleinigkeiten, die jeden im Leben erwarten. - Der Schüler wird heilig dadurch, dass er lernt. Die Hausfrau dadurch, dass sie kocht und der Büroangestellte dadurch, dass er seine Arbeit tut – vorausgesetzt, unser Tun ist getragen von der Liebe zu Gott und den Menschen. Unser Tun ist entscheidend, nicht unser Reden. Das haben wir heute im Evangelium gehört. – Und das gilt natürlich nicht nur für die Politiker, an die wir heute am Wahlsonntag vielleicht besonders denken: Aber für die gilt es auch!
Liebe Brüder und Schwestern!
Müssen wir immer sofort den Erfolg sehen?
Wie sagt es noch die jüdische Geschichte? - „Nimm den Willen Gottes auf dich, wie ein Ochse sein Joch und ein Esel seine Last. Schau, wie der Ochse lebt: Er geht am Morgen aus dem Stall auf das Feld, er pflügt und wird wieder nach Hause geführt, Tag um Tag, und nichts ändert sich ihm, aber das gepflügte Feld bringt seine Frucht."
Auf die Früchte, die mein Leben für andere hervorbringt, kommt es an! -
Mein Leben hat dann einen Sinn, wenn andere etwas davon haben. Amen.
Predigt für den 26. Sonntag im Jahreskreis (A) am 28. IX. 2008 (Hochamt um 11.00 Uhr, Abteikirche St. Ottilien)
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