Kardinal Arthur Roche, selbst Engländer, – damals wie heute einer der eifrigsten Betreiber dieser Restriktionen – zeigte sich seither unbeirrbar darin, den Zugang zur überlieferten Messe enger und enger zu führen. Sein Dikasterium für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung wurde zum künstlichen Nadelöhr, durch das jeder Priester kriechen muß, um das zu feiern, was Jahrhunderte lang die Seele der Kirche prägte.
Befristete Dispensen – ein System, das Mißtrauen atmet
Nun bestätigte Msgr. Enda Murphy vom Gottesdienstdikasterium, daß die angekündigten zwei Jahre der Verlängerung nichts Neues sind, sondern nur die Fortführung des bestehenden Praxislabyrinths. Die Kirchenleitung unter Franziskus beseitigte weitgehend jenes Vordringen des überlieferten Ritus in den Bereich des Novus Ordo hinein. Franziskus und seine Adlaten verbannten ihn, soweit möglich, zurück in den engen Ecclesia-Dei-Keller. Man versuchte ihn nicht direkt zu töten, doch die Intention ist klar. Mehr als ein restriktiv kontrollierter Minimalspielraum sollte ihm nicht bleiben. Jeder Bischof muß weiterhin einzeln um die Erlaubnis bitten, der alten Messe ein Dach zu geben – und möglichst kein Pfarrdach, sondern nur das einer Kapelle. Denn Traditionis custodes untersagt ausdrücklich die Feier in Pfarrkirchen, als sei die ehrwürdige Liturgie dort eine Gefahr.
Überhaupt läßt Traditionis custodes kaum etwas zu. Mit diesem Dokument hat Franziskus den rechtlichen Rahmen geschaffen, die liturgische Überlieferung jederzeit mit einem einzigen Würgegriff zum Erliegen zu bringen. Streng genommen gestattet Traditionis custodes nicht einmal mehr die Spendung von Weihen im überlieferten Ritus.
Wer nur mehr mit Sondergenehmigungen existieren kann, befindet sich im Prekariat und völliger Abhängigkeit. Einige US-Diözesen – wie Cleveland oder San Angelo – erhielten zwar kürzlich solche Sondergenehmigungen. Doch was sagt es über den Zustand einer Weltkirche aus, wenn das Selbstverständlichste – die Fortführung eines Ritus, dem keiner je Häresie oder pastorale Unfruchtbarkeit nachsagen konnte, der vielmehr der gewachsene Ausdruck von 1900 Jahren des kirchlichen Lebens ist und der das Leben aller Heiligen bis 1970 prägte – zum Sonderfall degradiert wird?
Doch Franziskus wurde im vergangenen April aus dieser Welt abberufen; sein Pontifikat ist beendet. Der neue Papst Leo XIV. zeigte in den ersten Monaten seines Amtes durchaus Zeichen einer gewissen Offenheit, etwa durch die persönliche Erlaubnis für Kardinal Raymond Burke, im Petersdom die überlieferte Messe zu zelebrieren. Doch Gesten ersetzen keine Grundsatzentscheidungen. Eine wahrhaft klare und mutige Entscheidung bestünde darin, die unglückseligen Fesseln von Traditionis custodes endlich abzustreifen.
Daß Leo XIV. just am Donnerstag Kardinal Roche in Audienz empfing, läßt zumindest die Frage zu, ob der neue Papst sich von seinem Vorgänger befreien und nicht an dessen repressive Linie binden lassen wird.
Bald beginnt ein neues Kirchenjahr. Seit dem Konklave ist mehr als ein halbes Jahr vergangen. Es macht sich Unruhe breit, denn die Zeit scheint mehr als gekommen, daß der neue Pontifex seine moralische Autorität nicht nur in freundlichen Anekdoten, sondern in kirchenrechtlichen Entscheidungen geltend macht. Die Kirche ist von unermeßlicher Größe. Es zeugt von einem sehr kleinen Geist, der Franziskus antrieb, die eigene Tradition bis zum Siechtum abzuwürgen, um sie dann mit Ausnahmegenehmigungen gerade noch am Leben zu belassen.
Leo XIV. hat die Chance – und die Pflicht –, die Wunde zu schließen, die Traditionis custodes der kirchlichen Einheit geschlagen hat. Nicht durch eine neue „Sonderregelung“, sondern durch die klare Wiederherstellung der vollen Freiheit des überlieferten Ritus, die Benedikt XVI. so sehr am Herzen lag-
Solange er sie nicht nutzt, bleibt der Nebel über der Liturgie dichter, als es die Gläubigen verdienen – und in der Sache rechtfertigbar ist.
Der überlieferte Ritus konnte unter Benedikt XVI. kurzzeitig wieder frei atmen. Die Zeit war zu kurz, um wirklich durchatmen und sich freiatmen zu können.
Es bleibt ein großes Paradox, daß es Benedikt XVI. selbst war, der die neue Repression durch seinen Amtsverzicht „aus freien Stücken“ möglich machte.
Text: Giuseppe Nardi
(Quelle: https://katholisches.info/2025/11/15/leo-xiv-wird-traditionis-custodes-nicht-aendern/)


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