(Foto: Konzilsväter im Petersdom. - In Diskussionen wird der Begriff „vorkonziliar“ oft zur theologischen Killerfloskel. Das ist taktisch wirkungsvoll, inhaltlich aber katastrophal: Wer so spricht, schneidet die Kirche von ihrer eigenen Geschichte ab.)
Bei Prof. Klaus Berger weiß man ja nie so ganz genau, ob er nun gerade katholisch oder evangelisch ist. - Trotzdem: Einen wirklich bemerkenswerten und interessanten Artikel hat er dennoch gerade in der "Tagespost" veröffentlicht:
[...] "Die zweite Ursache der Hysterie liegt in der unbewältigten konziliaren Wende und in der Art, in der man über vorkonziliare Zeiten in der Kirche redet. Vorkonziliar gilt durchweg als Schimpfwort. Soll man nun alles an den Zeiten schlecht finden, in denen die Menschen „noch sonntags zur Kirche gingen und noch wussten, was katholisch ist“? Es besteht der grundlegende Verdacht, eine in der Regel von keinem Seelsorger geklärte Frage, ob man nicht wie bei „Hans im Glück“ irgendetwas Kostbares unwiederbringlich aufgegeben hat. Diese Seelenlage gibt es bei sehr alten, sehr frommen und recht jungen Menschen.
Wie gesagt, ich kann hier nicht bewerten, sondern stoße nur immer wieder auf einen unabgeklärten Verdacht. Für viele jüngere Theologen (auch Professoren) besteht die theologische Bildung fast ausschließlich aus Konzilszitaten, als habe es vorher keine katholische Theologie gegeben...
Unter vulgärem Modernismus verstehe ich die Reduzierung katholischer Theologie auf Fetzen aus Konzilstexten, die geistlose Abschaffung katholischer gewachsener Volksfrömmigkeit und den Verfall der Kenntnisse der eigenen Grundsätze...
Die jüngsten Ereignisse bedeuten für diese Richtung in der katholischen Kirche Deutschlands eine erhebliche Stärkung: Es ist gelungen, die nicht-modernistische Richtung in die Nähe des Antisemitismus zu rücken. Es ist erneut gelungen, traditionellen Katholizismus als vor-aufklärerisch zu brandmarken, damit aber als intolerant und unfähig, dem Pluralismus zu begegnen. Dabei gilt die Aufklärung als die grundlegende Heilswende der Menschheit; irgendein Bedürfnis, endlich einmal über die Intoleranz der Aufklärung aufzuklären, besteht nicht. Durch die Verwendung des Wortes „vorkonziliar“ ist es gelungen, die katholische Kirche von ihrer eigenen Geschichte und ihren eigenen Wurzeln abzuschneiden. Dass dieses die geistliche Heimatlosigkeit zur Folge hatte, ist gut bekannt. Dieser Vorgang kommt jetzt durch die entstandene Massenhysterie in eine entscheidende zweite Phase. Vulgärer Modernismus ist die Weise, in der das Konzil vielfach missverstanden und mit der Erlaubnis zur theologischen Dummheit verwechselt wurde: Keine Latein mehr, keine Kirchengeschichte mehr, keine Dogmen mehr, leider sehr häufig nur noch Kindergarten für Erwachsene.
Die jetzige Situation zeigt nur dieses: Das ungeklärte Verhältnis zur vorkonziliaren Tradition ist die Achillesferse der Katholiken. Denn es rührt an die Identität. Das Heilmittel gegen diesen nun fortgeschrittenen Verfall ist die längst fällige Wiederentdeckung der Schätze von Liturgie, Theologie und Spiritualität in der gesamten Geschichte der Kirche, das Zweite Vatikanum inbegriffen."