(Foto wird nachgeliefert)
Für alle die heute morgen nicht dabei seien konnten:
FESTPREDIGT ZU MEINER KLOSTERPRIMIZ IN ST. OTTILIEN
AM 19. OKTOBER 2025
LESEJAHR: C I, STB: I. WOCHE
In der ersten Lesung haben wir von Mose gehört, der während des Kampfes
gegen Amalek auf dem Berg steht, die Hände zum Himmel erhoben. Solange er
betet, solange seine Arme erhoben bleiben, siegen die Israeliten. Wenn seine
Hände sinken, wendet sich das Blatt und die Amalekiter gewinnen die Oberhand.
Dieses Bild ist archetypisch und archaisch – und zugleich ewig neu und
zukunftsweisend. Es ist das Bild des Beters, des Fürsprechers, des Priesters, der
sich hingibt für die ihm von Gott anvertraute Herde und sich nicht schont, um bei
Gott für die Menschen einzutreten. Mose kämpft nicht mit dem Schwert, sondern mit
dem Vertrauen auf den, der größer ist als unser Vertrauen und weitreichender als
unsere Erwartungen. Er steht nicht im Tal des Geschehens, sondern auf dem Berg
des Gebets. Und doch hängt vom Aufgerichtetsein seiner Hände das Geschick des
Volkes ab. Was hier so kurz skizziert ist, spricht eine tiefe Wahrheit aus: wir sollen
ohne Unterlass beten und dem Gottesdienst, wie unser Heiliger Vater Benedikt sagt,
nichts vorziehen. Das Gebet ist das tägliche Brot, das wir brauchen, um zu leben.
Es ist das überwesentliche Brot, der Engel, die ohne Unterlass rufen: Heilig, heilig,
heilig!
Liebe Schwestern und Brüder, wie wichtig ist diese Aussage für den
priesterlichen Dienst!
Der Priester steht zwischen Himmel und Erde, nicht als Herrscher, sondern als
Mittler und Diener des Gottesvolkes, dem er die für dessen Heiligung so
unabdingbaren Sakramente der heiligen Kirche spendet. Er trägt das Volk in seinem
Gebet vor Gott und reicht zugleich Gottes Segen dem Volk weiter. Der Heilige
Gregor der Große schreibt in seiner Regula pastoralis, der „Hirte der Seelen“ müsse
mehr durch sein Gebet als durch seine Stimme wirken. Er ist ein Mann, der das
Kreuz in seinem Leben nicht nur verkündet, sondern selbst trägt – mit erhobenen
Händen, oft auch mit müden Armen und unter Tränen. Wie wichtig sind da die
Mitbrüder und alle, die ihn wiederum im Gebet stützen.
Liebe Schwestern und
Brüder, beten wir füreinander und lassen nicht nach, füreinander zu beten. Das ist
das, was wir aus dieser uralten Episode lernen dürfen am heutigen Sonntag!
Und dieser Gedanke wird in der zweiten Lesung aus dem zweiten
Timotheusbrief fortgesetzt. Paulus ruft uns hier zu: „Bleibe in dem, was du gelernt
hast und was dir zur Gewissheit geworden ist.“ Der Glaube ist kein Besitz, sondern
ein Weg, ein Wachsen, ein Reifen. Um zu reifen aber, muss man auf dem Weg
bleiben. Der Weg der Reifung ist ein Weg des Gebetes und des Ausharrens im
Gebet. Unser heiliger Vater Benedikt schreibt über das auf dem Weg bleiben im
klösterlichen Leben und im Glauben, dass dem, der fortschreitet, das Herz weit wird,
und er in unsagbarem Glück der Liebe den Weg der Gebote Gottes läuft.
Liebe Schwestern und Brüder, Paulus ermahnt Timotheus, das Wort zu
verkünden, ob gelegen oder ungelegen. Der, der Verantwortung trägt in der
Gemeinde, muss zuerst selbst betender Hörer sein, bevor er Lehrer des Gebetes
wird. Der Heilige Augustinus hat das in seiner eigenen Erfahrung tief erkannt, indem
er sagt: „Mit euch bin ich Christ, für euch bin ich Bischof.“ Das heißt für uns: Der
Priester bleibt immer betender Schüler des Wortes, auch wenn er es verkündet. Er
nährt sich selbst von demselben Brot, das er austeilt. Er lebt von der
Barmherzigkeit, die er anderen zuspricht und er schöpft Trost aus dem Trost, mit
dem er andere tröstet. So wird er nicht nur Verkünder, sondern Zeuge – ein
Mensch, der durch das Wort verwandelt wird.
Im Evangelium hören wir das Gleichnis von der Witwe, die unablässig beim
Richter um ihr Recht bittet. Es ist ein Bild für den Glauben, der nicht aufgibt, der sich
festhält an Gott – gerade dann, wenn alles unsicher scheint. Die Gewissheit, dass
die Wahrheit hartnäckig ist und sich auf kurz oder lang durchsetzt, darf uns nie
verlassen. Was für ein schönes Bild für das Gebet, das der Heilige Benedikt mit den
Worten beschreibt: „wenn du etwas Gutes beginnst, bestürme Gott beharrlich im
Gebet, er möge es vollenden.“
Der Priester darf nie müde werden, zu beten, auch wenn die Hände schwer
werden, auch wenn die Antwort ausbleibt, denn sein Beten ist nicht nur für sich,
sondern für die ganze Welt – für alle, die nicht mehr glauben, nicht mehr hoffen,
nicht mehr lieben, ja, nicht einmal mehr beten können. Gregor der Große nennt das
die compassio pastoris – das Mitleiden des Hirten. Der wahre Hirte steht nicht über
der Herde, sondern mitten in ihr, mit einem Herzen, das empfindet und mitfühlt, mit
einem Herzen, das aufrichtig dient und für seine Herde unablässig betet. „Gib uns
ein Herz, das dir aufrichtig dient.“ Ein Herz, das dient, ist ein betendes Herz. Es
sucht nicht den eigenen Vorteil, sondern die Freude des Herrn. Wer in der Liebe
Christi lebt, dessen Wille ist im Willen Gottes geborgen und verströmt sich im
Dienst. Seine Kraftquelle ist das Gebet.
So möge mein priesterlicher Dienst, den ich heute mit der Feier dieser ersten
Heiligen Messe beginne – mein Beten, mein Verkünden, mein Dasein in unserer
klösterlichen Gemeinschaft und in der Welt – immer aus dieser Liebe erwachsen.
Dann kann ich mit Mose, mit erhobenen Händen für andere eintreten; dann kann ich
mit Timotheus, das Wort Gottes weitergeben; dann kann ich mit der Witwe aus dem
Evangelium, im Glauben beharren, bis der Herr wiederkommt in seiner Herrlichkeit
und in seiner Gerechtigkeit.
Liebe Schwestern und Brüder, das ist die Aufgabe und die Gnade des
priesterlichen Lebens: Im Gebet verbunden mit Gott, im Dienst verbunden mit den
Menschen, im Herzen verbunden mit der Liebe Christi, der der Weg, die Wahrheit
und das Leben ist.
Bitten wir heute gemeinsam darum, dass der Herr uns allen ein Herz schenke,
das ihm aufrichtig dient – in Geduld, im Vertrauen und in treuer Liebe.
Amen
Pater Immanuel Lupardi
P.S. 1042 Wörter - Ideale Länge!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen