Von Simon Kajan
Erleben wir eine leise Rückkehr der Religion? "Sie kommen durch die Fenster, nicht durch die Türe". Mit diesem Bild brachte der Vorsitzende der französischen Bischofskonferenz Kardinal Jean-Marc Aveline vor Kurzem sein Erstaunen auf den Punkt, dass sich in seinem Land immer mehr Jugendliche und junge Menschen dem Glauben zuwenden. Von der Kirche unerwartet.
Dabei hatte sich die katholische Kirche in Frankreich mit ihrem Verschwinden in weiten Teilen des Landes offenbar abgefunden. Trotz einiger Aufbrüche und lebendiger Klöster und mancher Bewegungen – die Resignation lag wie Mehltau auf den kirchlichen Strukturen.
Organisierte Hoffnungslosigkeit
Noch mehr scheint sich die katholische Kirche in Deutschland mit ihrem perspektivischen Verschwinden abgefunden zu haben – "runterskaliert" über die nächsten Dekaden. Nulllinie anvisiert – angefangen bei Gottesdienstbesuchern über Berufungen bis hin zur Kirchensteuer. Und: Faktoren möglicher oder vielleicht sogar wahrscheinlicher Stabilisierung – sie spielen weitgehend keine Rolle. Organisierte Hoffnungslosigkeit scheint das vorherrschende Programm pastoraler Planung.
Unterdessen finden sich in neueren demoskopischen Untersuchungen erstaunliche Zahlen über die Religiosität der Menschen in Deutschland – und die Rückkehr der Frage nach Gott. Die "Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland" (Fowid) hat eine Reihe von Befragungsergebnissen veröffentlicht, die aufhorchen lassen. Fowid wurde 2005 von der atheistischen und kirchenkritischen Giordano-Bruno-Stiftung gegründet.
Zuletzt ließ man Meinungsforscher untersuchen, wie es um die Sicht auf das Verhältnis von Staat, Gesellschaft und Weltanschauung bestellt ist. Prima facie bestätigen die Zahlen, dass die Säkularisierung in Deutschland weit fortgeschritten ist: Der Aussage etwa, "Entscheidungen, bei denen es um Wertvorstellungen und Moral geht, sollten sich auf Vernunft und Mitgefühl stützen, nicht auf göttliche Gebote" stimmten 47 Prozent "voll und ganz" und 29 Prozent "eher" zu.
Ebenfalls sehr deutlich ist das Ergebnis bei der Frage nach dem, was die Studienautoren ein "naturalistisches Weltbild" nennen: "Ich meine, dass die Welt nach naturwissenschaftlichen Gesetzen funktioniert. Übernatürliche Kräfte wie etwa Götter oder Teufel haben auf unsere Welt keinen Einfluss". Insgesamt 64 Prozent der Befragten stimmten dieser Aussage "voll und ganz" oder "eher" zu.
Jugend mit Gott
Schaut man sich jedoch an, wie die Ergebnisse in unterschiedlichen Alterskohorten ausfallen, reibt man sich erstaunt die Augen. Während die Gruppe der über 60 Jahre alten Befragten die Vorstellung eines religiös vermittelten Sittengesetzes zu 81 Prozent ablehnten, fiel die Ablehnung in der Gruppe der 16- bis 29-Jährigen mit 64 Prozent deutlich geringer aus. Das gleiche Bild zeigt sich bei der Frage nach "übernatürlichen Kräften". Während bei den über 60-Jährigen 73 Prozent der Aussage, übernatürliche Kräfte hätten keinen Einfluss auf die Welt, "voll und ganz" oder "eher" zustimmten, waren es bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen insgesamt nur 59 Prozent...



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