Mittwoch, 8. Oktober 2025

Die Panne!

Jetzt habe ich mittlerweile schon über 300 Beiträge in diesem Blog veröffentlicht, darunter sehr viele über Musik, insbesondere über R. Wagner. - Aber heute bin ich erschrocken! Ich habe mein absolutes Lieblingswerk vergessen, von dem ich zwölf verschiedene Aufnahmen in meinem CD-Schrank stehen habe: Joseph Haydns “Die Schöpfung”. 

Die Fröhlichkeit und der Farbenreichtum des Werks sind faszinierend: Sie schildern eine Natur, die musikalisch als farbenreich, faszinierend und bewahrenswert erlebbar gemacht wird. 

Ein berühmtes Zitat von Haydn selbst lautet: "Ich war auch nie so fromm, als während der Zeit, da ich an der Schöpfung arbeitete; täglich fiel ich auf meine Knie nieder und bat Gott, dass er mir Kraft zur glücklichen Ausführung dieses Werkes verleihen möchte." 

Als Haydn “Die Schöpfung” vollendete, war er der bekannteste Komponist seiner Zeit. Durch seine Aufenthalte in England lernte er die Oratorien Händels kennen und diese musikalische Begegnung beeinflusste sein Schaffen im Spätwerk wesentlich. Haydns “Schöpfung” erlangte sofort nach der Uraufführung 1798 großen Erfolg und dieser ist bis in heutige Zeit ungebrochen. Dies hat meines Erachtens mehrere Gründe: 

Der Inhalt des Werks wird in relativ geraffter Form dem Publikum nähergebracht und die Handlung dadurch stringent erzählt. Haydn verweilt selten in Reflexionen, die gedrängte Vermittlung der Erzählung verleiht dem Werk dadurch eine große Lebendigkeit. 

Haydn hat eine neue Formensprache entwickelt, in der der Text des Librettos besonders in den Arien keinen Prinzipien folgt, sondern – manchmal in liedhafter Form – immer entlang des Textes musikalisch weiterentwickelt wird. Besonders reizvoll in der "Schöpfung" sind die Kontraste, mit denen Haydn in den Abschnitten des Chores arbeitet. Dabei stehen kunstvoll ausgeschmückte Fugen im virtuosen Stil schlichten und innigen Passagen gegenüber. Zudem verwendet Haydn oft ein dialogisches Verhältnis von Solostimmen und Chor. 

Alle Vokalstimmen dienen förmlich der Erzählung der Schöpfungsgeschichte und die Hierarchie zwischen Solostimmen und Chorstimmen wird zu einem gemeinsamen Lob vereint. “Die Schöpfung” zeigt auch durchaus volksmusikhafte Züge, die im Wechselspiel zur kunstvollen und meisterhaften Instrumentation der Gesamtarchitektur des Werks diesem eine große – im Zusammenspiel aller Kräfte – empfundene Menschlichkeit verleihen. 

“Die Schöpfung” ist auch ein Werk, in dem sich eine Zeitenwende manifestiert. Sie bildet förmlich eine Zusammenfassung aller kompositorischen Erfahrungen und Möglichkeiten des Komponisten. Haydns große Erfahrung im Bereich der italienischen Oper, seine virtuose und detailreiche Behandlung des Instrumentalsatzes und die Neuerungen der Klangsprache der Wiener Klassik lassen “Die Schöpfung” zu einer Art Gesamtschau der Musik des 18. Jahrhunderts werden.


 

Meine absolute Lieblingsaufnahme der "Schöpfung", die ich auch oben mit Youtube verlinkt habe, ist  folgende: 

Ann Monoyios, Jörg Hering, Harry van der Kamp, 
Tölzer Knabenchor, Tafelmusik, Bruno Weil 
Label: Sony, DDD, 1993

Das Klangbild, das Bruno Weil mit dem Tafelmusik Orchestra produziert ist wunderbar: transparent, klar artikuliert, forsch, nicht lärmend im Forte, feingliedrig im Piano, adäquat zurückhaltend, wo es dem Chor Raum geben soll. Die Tempi sind zügig, aber keineswegs gehetzt. 

Der Tölzer Knabenchor präsentiert sich in Bestform, klar artikulierend, wunderbar intonierend und in bester Abstimmung mit dem Orchester. 
Aber es bleibt natürlich eine Geschmacksfrage: wer Knabenchöre generell nicht gerne hört, so gut sie auch sein mögen, wird hier natürlich keine Freude haben. Ich stehe Knabenchören häufig eher ablehnend gegenüber, aber was ich hier höre ist einfach Weltklasse und bis auf seltene Passagen, in denen ich mir besser hörbare tiefe Töne wünsche würde, vermisse ich hier nichts. 

Das Highlight dieser Aufnahme sind aber für meinen Geschmack die Solisten: ich kannte sie allesamt nicht und musste mir dabei zumindest für Ann Monoyios und Jörg Hering Brücken bauen, die sich für mein Ohr aufdrängen: Ann Monoyios erinnert mich sehr an Emma Kirkby, wenn ihr Sopran auch noch ein kleine Spur heller ist und sie fast noch ätherischer klingt als die Kirkby. Jörg Hering erinnert mich sehr an Peter Schreier, hat ein ähnliches silbriges Timbre, intoniert aber zarter als dieser. Harry van der Kamp hat einen sonoren Bass, die Nähe zu Kurt Moll oder ähnlichen mir bekannten Bässen wäre hier allerdings für mein Ohr eher an den Haaren herbeigezogen. Alle drei Stimmen haben mich enorm für sich eingenommen, die Interpretationen sind zartfühlend, innig und mit großer Verve gesungen.

Montag, 6. Oktober 2025

Was ein Mönch so liest (7) : Pater Brown - Tod und Amen: Alle Fälle in einem Band von G. K. Chesterton

Wie ein Held wirkt er nun wirklich nicht: Pater Brown ist unscheinbar, unbeholfen, dicklich, kurzsichtig, hat einen riesigen Kopf und macht einen etwas einfältigen Eindruck. Noch dazu ist er Priester. Doch unterschätzen sollte man den Geistlichen aus Essex keinesfalls. Gesegnet mit reichlich Menschenverstand (und göttlichem Beistand), hat Pater Brown noch jeden Verbrecher überführt, wenngleich er die Strafe oftmals der göttlichen Gerichtsbarkeit überlässt. Und als katholischer Geistlicher weiß er mehr über die Sünden, die Abgründe der Menschen, über das Böse als seine säkularen Kollegen Holmes, Poirot oder Marple. Dieses Wissen erweist sich ein ums andere Mal als unverzichtbar bei seinen Ermittlungen, die sich mal in einem Landhaus, mal im Beichtstuhl, mal in einem idyllischen Gärtchen und mal auf Londons Straßen zutragen. Was ihn das Böse auf Erden ertragen lässt? Sein Humor - und der hat es in sich. Sämtliche Fälle des wohl ungewöhnlichsten Ermittlers der Kriminalliteratur jetzt in einem Prachtband versammelt. 

Diese Sammlung aller Father-Brown-Geschichten des Kampa-Verlages ist die beste Ausgabe dieser Art. Enthalten sind sämtliche fünf Zyklen, wie sie vom Autor angelegt worden sind. Übersetzt wurden alle Geschichten von Hanswilhelm Haefs, der großen Wert auf korrekte, wortgetreue Übersetzungen legt und dabei den sprachlichen Stil des Autors weitmöglichst übernimmt, was sehr lobenswert, weil, gerade bei Chesterton, nicht selbstverständlich ist.

"G. K. Chesterton ist einer der herrlichsten Schriftsteller aller Zeiten." 
(Jürgen Kaube / FAZ)

Dienstag, 30. September 2025

Darf ich sein, der ich bin? – Über unerwünschte Priester

Es wird viel über Priester gesprochen: Skandale, Zölibat, Kirchenreform. Immer wieder geht es um sie, und oft ist das von ihnen gezeichnete Bild nicht sehr positiv. In einem Gastbeitrag für katholisch.de bringt Pfarrer Dominik Loy die persönliche Sicht eines jungen Priesters heute ein. - Ein Artikel, der nachdenklich macht!



Sonntag, 21. September 2025

Sonntagsimpuls

Herbstlicher Ausblick aus meinem Zimmer

Liebe Brüder und Schwestern, 
der Herbst zieht leise ein. Morgendunst liegt über den Feldern, Blätter beginnen zu leuchten. Die Natur zeigt uns, wie Loslassen zum Leben gehört. Auch wir dürfen abgeben, was uns beschwert, und darauf vertrauen, dass Gott Neues wachsen lässt. Jesus spricht: „Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.“ (Mt 11,28) 

Diese Worte sind ein sanftes Versprechen. Wir müssen nicht alles selbst tragen. Gott lädt uns ein, unsere Sorgen in seine Hände zu legen – im stillen Gebet, in der Eucharistie, in einem aufrichtigen Gespräch. Vielleicht kann dieser Sonntag ein Übungstag des Vertrauens sein: einen Streit beenden, einen Anruf wagen, der lange aufgeschoben wurde, oder einfach dankbar den goldenen Glanz der Natur wahrnehmen.

Wer so den Blick hebt, spürt, dass Gottes Nähe Frieden schenkt. Bitten wir heute besonders für Menschen, die an Grenzen stoßen: Kranke, Überlastete, Trauernde. Möge der Herr ihnen neue Kraft geben und Herzen öffnen, die trösten.

Samstag, 6. September 2025

Jesus - mehr als ein Prophet?

Wir meinen oft, Jesus zu „kennen“. Aber kennen wir ihn wirklich – oder nur oberflächlich? Johannes Hartl führt uns zurück an den Anfang, wo die ersten Christen von ihrer Begegnung mit Jesus so überwältigt waren, dass ihre Herzen „brannten“. Ein Vortrag, der dich herausfordert, neu hinzuschauen: Wer war dieser Mann aus Nazareth, und warum war er so anders als alle Propheten und Lehrer vor und nach ihm? 
  

Samstag, 23. August 2025

Was ein Mönch so liest (6): Höre, so wird deine Seele leben: die spirituelle Kraft der Musik von Anselm Grün

Musik ist etwas Himmlisches und für uns immer wieder eine Einladung, Gott zu erfahren. Sie berührt alle Menschen und klingt im Herzen weiter. Sie ist Ausdruck des Lebens und Glaubens mit all seinen Höhen und Tiefen. Anselm Grün vermittelt uns mit diesem Buch aber noch sehr viel mehr. So hatte die Musik auch große Bedeutung in der Kirchengeschichte. Sie war immer schon eine tiefe Ausdrucksmöglichkeit des Glaubens - eine von Gott geschenkte Gabe.

Seit jeher haben Menschen Musik als Tor zum Himmel erlebt. Für viele ist Musik der Weg, sich Gott und seinem unsagbaren Geheimnis zu öffnen und mit der mit der spirituellen Sehnsucht in Berührung zu kommen. Die Liebe Jesu wird in der Musik erfahrbar: in der Fastenzeit und an Ostern, im Advent und an Weihnachten und in jedem gesungenen gregorianischen Choral. Musik weckt Freude und Hoffnung.

Anselm Grün, selbst ein großer Musikliebhaber, vertieft zunächst die Zusammenhänge zwischen Musik und Gottesdienst, Musik und Stille, Musik bei den Kirchenvätern, um sich dann gründlich den spirituellen und therapeutischen Qualitäten bei Bach, Haydn und Mozart sowie beim gregorianischen Choral zu widmen. Eine beiliegende CD , die die besprochenen Musikstücke aufgreift, rundet die Ausführungen bestens ab.

Das  herrliche "Et incarnatus est" aus der großen c-Moll Messe KV 427 ist für Anselm Grün der Höhepunkt von Mozarts Kirchenmusik.. Es wird im Buch ausführlich besprochen und befindet sich auch auf der beigefügten CD: In der Menschwerdung Gottes, begegnen sich - auch musikalisch - Himmel und Erde.

Dienstag, 12. August 2025

Das Rebus Preisrätsel 2025

Das Preis-Rebus ist eigentlich eine alte Ottilianer Tradition, die auf diese Weise wieder "reanimiert" werden soll. Das Rätsel stammt aus den Beständen unserer Klosterbibliothek und wurde von P. Cyrillus Wehrmeister OSB erstmals 1931 im Ottilianer "Heidenkind-Kalender" veröffentlicht. Es ist vielleicht nicht so ganz einfach zu lösen, aber dafür gibt es dann auch einen sehr lesenswerten Buch-Preis zu gewinnen. (>> LINK ZUM BUCH-PREIS)

 - DIE TEILNAHMEBEDINGUNGEN - 

Bitte senden Sie die Lösung (Betreff: PREISRÄTSEL 2025) an: 
siegfried@ottilien.de 

Die Lösung sollte bis zum 10. Dezember 2025 zusammen mit Ihrer Postanschrift eingesandt werden. Sollten mehrere richtige Lösungen eingehen, entscheidet das Los. Mönche sind von der Teilnahme ausgeschlossen! Der Gewinner bekommt den Preis pünktlich zum Weihnachtsfest zugeschickt. 

Viel Glück! 
Ihr P. Siegfried Wewers OSB



Samstag, 9. August 2025

Was ein Mönch so hört (6): BLINDVERKOSTUNG

BLINDVERKOSTUNG - DAS HEITERE INTERPRETENRATEN 

Ein Werk – neun Aufnahmen. Christian Detig präsentiert seinem Klassik-Rateteam verschiedene Interpretationen eines Werkes, ohne zu verraten, wer spielt. Frage ist also: Was hörst Du wirklich? Christine Lemke-Matwey, Kai Luehrs-Kaiser und Andreas Göbel diskutieren und rätseln, loben und verwerfen. Die Antworten sind eindringlich, provozierend, immer ehrlich. Am Ende ist man dem Werk manchmal näher gekommen, als einem lieb ist. Blindverkostung eben. Alle vier Wochen, immer am Samstag. Und immer in der ARD-Audiothek.


Dienstag, 5. August 2025

SCHLECHTE LAUNE? - DA HILFT NUR: EIN AUSFLUG AUF`S LAND!

(Foto: Wanderer auf der Klosterwiese direkt vor meinem Fenster)


Was kann einen immer wieder aufbauen, wenn es einmal nicht so läuft, wie man es sich eigentlich gewünscht hätte? - Was kann man tun, wenn man schlechte Laune hat?

Bei mir ist es ein "Ausflug aufs Land", d.h. genauer gesagt: 
Ein musikalischer "Ausflug auf Land" mit Beethovens "Pastorale" (Sinfonie Nr. 6 F-dur). In dieser Sinfonie steckt eine positive Energie, die jeden wieder auf die Beine bringt.

Die Satzbezeichnungen:
 
1. Allegro ma non troppo
Erwachen heiterer Empfindungen bei der Ankunft auf dem Lande 

2. Andante molto moto
Szene am Bach 

3. Allegro 
Lustiges Zusammensein der Landleute -  Allegro Gewitter, Sturm 

4. Allegretto 
Hirtengesang - Frohe und dankbare Gefühle nach dem Sturm


Wem diese ca. 30minütige Kurz-Therapie nicht helfen sollte, dem ist wahrscheinlich nicht mehr zu helfen! - Hier meine beiden Rezepte:


REZEPT NR. 1:

Unter anderem im Autoradio von Carlos Kleibers Tochter überlebte dieses erstaunliche Tondokument zwanzig Jahre lang, bis überraschte Tontechniker entdeckten, dass sich daraus durchaus eine klanglich überzeugende CD machen ließe - ein Glück, denn der offizielle Mitschnitt, der bei diesem Konzert am 7. November 1983 in der Bayerischen Staatsoper gemacht wurde, hatte die zwei Jahrzehnte nur sehr schlecht überstanden und erwies sich als untauglich für eine Veröffentlichung.

So blieb der Nachwelt ein wahrlich einzigartiges Stück Aufführungsgeschichte erhalten: Carlos Kleiber, einer der großen Skrupulösen und Publikumsscheuen im Klassik-Geschäft, hat Beethovens "Pastorale" nur dieses eine Mal dirigiert und dann nie wieder. Den Hörer erwartet eine Aufnahme mit vielen sensationell gelungenen Passagen von großer musikimmanenter Schlüssigkeit; die leidige Frage nach dem Grad der programmatischen Gebundenheit dieser Außenseiter-Komposition in Beethovens sinfonischem Œuvre stellt sich angesichts einer so stringent und logisch sich entfaltenden Wiedergabe nicht mehr.

Das von Kleiber erreichte Klangbild ist außerdem klar, vergleichsweise hell und sehr durchlässig nicht nur für die melodische, sondern auch für die motorische Struktur der Partitur. Alles in allem ein Glücksfall der Tondokumentation, den sich kein Freund sinfonischer Musik entgehen lassen sollte. Eine Interpretation jenseits des Alltäglichen. In großer Nähe zu Beethovens Metronomangaben blüht hier jede Phrase, vibriert jeder Ton, ohne sich als Detail in den Vordergrund zu drängen. Lustvoller und seelenvoller kann man nicht musizieren (lassen).

Geradezu versunken in diesen "Ausflug aufs Land" scheint bei dieser Live-Aufnahme das Publikum, welches nach Ende des fünften Satzes erst einige Augenblicke benötigt, um quasi wieder aufzutauchen und zu applaudieren.



oder

REZEPT NR. 2:

Von Carlos Kleibers Vater, Erich Kleiber, sind uns leider nur wenige Tonaufzeichnungen überliefert, was wir aber besitzen, ist von unvergleichlichem Wert. So auch diese "Pastorale", die der große Dirigent mit dem Concertgebouw-Orchester Amsterdam aufgezeichnet hat: Klassisch klar und ganz schnörkellos wird das wunderbare Werk vor uns ausgebreitet. Der Klang ist schlank und trotz Monotechnik ausgezeichnet durchhörbar. Man beachte nur die wunderbare Linienführung in der "Szene am Bach". Der Kopfsatz schwelgt geradezu in Naturseligkeit, ohne aber im geringsten sentimental zu wirken. Die Gewitterszene des 4. Satzes wird glasklar und mit niederschmetternder Wucht geboten, um dann in ruhiger Klarheit in den Hirtengesang einzumünden. Die "frohen und dankbaren Gefühle nach dem Sturm" werden so schön und ebenmäßig ausgedrückt, daß der dankbare Hörer nur bedauern kann, daß Erich Kleiber die Vorzüge des Stereozeitalters nicht mehr nutzen konnte (einzige Ausnahme ist seine unvergleichliche Einspielung von Mozarts "Hochzeit des Figaro", die er kurz vor seinem plötzlichen Tod am 27. Januar 1956, Mozarts 200. Geburtstag, noch in der neuen Technik vollenden konnte). Die Aufnahme der Pastorale entstand 1952. Eine Aufnahme, die - wie die seines Sohnes Carlos - alle Zeiten mühelos überdauern wird!

 

Sonntag, 3. August 2025

Was ein Mönch so liest (5): "Personen" von Robert Spaemann

Moderne Gesellschaften verfügen über den Wert des Lebens. Schon längst ist die Würde des menschlichen Lebens antastbar geworden. Ein Buch, das über wesentliche Werte nachdenken lässt, was es heißt, eine Person zu sein. 

Der Unterschied zwischen »etwas« und »jemand« besteht in einen »persönlichen Akt der Anerkennung«, den man einem Anderen zukommen lässt. Robert Spaemann entfaltet diese Überlegung und vermittelt beeindruckend, dass Personen erst dann zu Personen werden, weil wir es ihnen zuschreiben. 

»Spaemanns Philosophie ist ein eindringlicher und imposanter Versuch, jeder Form der Verdinglichung von lebendigen Menschen, die für ihn sämtlich als Personen zu gelten haben, entgegenzuwirken... Gerade weil Spaemann jedoch in den Auftreten von Peter Singer von Anfang an nicht allein eine ärgerliche Provokation, sondern ein zeittypisches Phänomen erblickte, hat er sich … dem argumentativen Disput nicht entzogen. In welchem Ausmaß Spaemann diese Kontroverse als geradezu epochale Herausforderung empfand, kann man jetzt bei der Lektüre seiner großen Abhandlung über Personen nachvollziehen.« 
Andreas Kuhlmann im Merkur

Samstag, 2. August 2025

Von der Faszination historischer Aufnahmen (9): Wagners erster Akt der "Walküre" unter Karl Elmendorff in atemberaubender Klangqualität (1944)

Es ist seltsam, dass eine so glanzvolle Aufführung in einer Zeit schrecklicher Zerstörung stattfinden konnte: Wenige Tage nach der Aufnahme in den Studios des Dresdner Rundfunks wurde die Stadt durch Bombenangriffe zerstört. Die meisten deutschen Opernhäuser hatten bereits geschlossen, sodass namhafte Sänger die Möglichkeit hatten, bei Rundfunkaufführungen im Studio aufzutreten. Diese Aufnahme ist seit einigen Jahren bei Preiser erhältlich und hat mich stets durch ihre hohe Qualität begeistert. Ihr verblüffendstes Merkmal ist die Unmittelbarkeit und die atemberaubende Klangqualität der Aufnahme selbst, die den meisten kommerziellen, speziell angefertigten Sets ihrer Zeit weit überlegen ist. Die Stimmen sind so klar und eindringlich, dass man fast glaubt, sie seien mit im Raum, und der Orchesterklang steht dem in Präsenz und Detailreichtum in nichts nach. Unter den sicherlich einschränkenden Umständen des Krieges ist diese Leistung umso bemerkenswerter. 

Elmendorff, der damalige Musikdirektor der Dresdner Staatsoper, befand sich mit 53 Jahren möglicherweise auf dem Höhepunkt seines Schaffens. Sein Dirigat zeugt von einer Autorität, die sich aus der gründlichen Kenntnis einer Partitur ergibt, die er bei den Bayreuther Festspielen und anderswo mehrfach dirigiert hat. Das Tempo des ersten Aktes, der manchmal zäh oder langweilig wirken kann, ist hier ideal, mit klarem Blick auf die Gesamtstruktur, nie übereilt, stets lebendig. Die Blechbläser sind nicht immer absolut stimmig; ansonsten entspricht das Spiel der Sächsischen Staatskapelle allen hohen Erwartungen. 

Der bemerkenswerteste Aspekt des Gesangs ist die Klarheit und der idiomatische Charakter der Diktion: Jedes Wort der drei Sänger ist verständlich, ohne dass ein Libretto benötigt wird. Max Lorenz war der amtierende Siegmund seiner Zeit. Er zeigt seine gewohnte Vitalität und Begeisterung. Seine Interpretation ist nicht so innerlich oder tief empfunden wie die von Melchior oder Suthaus, hat aber eine jugendliche Helligkeit im Timbre, die dem Charakter des jungen Mannes angemessen erscheint. Wie gewohnt geht er gelegentlich freizügig mit Notenwerten um. Teschemacher übertrifft hier ihre gewohnte Form mit einem frischen, offenen Ton, den man heute in der Rolle der Sieglinde so selten hört; alles wird natürlich und charaktervoll vorgetragen. Böhmes düsterer, unerbittlicher Hunding ist einer der besten auf CD, vergleichbar mit Frick, Moll und Salminen. 

Ein absolutes Muss für jeden Wagnerianer!

Freitag, 1. August 2025

Was ein Klassik begeisterter Mönch so hört (5): Der Podcast über Claudio Abbado auf rbb 3

Musikserie in 26 Folgen von Kai Luehrs-Kaiser 

CLAUDIO ABBADO 

Claudio Abbado war der erste Antiautoritäre und das wohl größte Erotikon unter den Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker. Hier wirkte er von 1989 bis 2002 in einer Zeit voller Umbrüche und Neuanfänge. Obwohl er zum Zeitpunkt seiner Amtsübernahme schon 56 Jahre zählte, brachte er ein unbestreitbares Moment von Jugend nach Berlin. 

Claudio Abbados Nahbarkeit lag begründet in Zurückhaltung und Dezenz. Darin entwickelte er eine enorme Sog- und Schubkraft sowie unerhörte Produktivität nicht nur in Berlin. Vor allem Wien, Mailand und London haben ihm viel zu verdanken. Sein Stil war unverwechselbar. Seine Fangemeinde weltweit. Er war der erste Lässige in einer aufgesteiften, durch ihn sinnlicher gewordenen Klassik-Welt.


Dienstag, 29. Juli 2025

Was ein Mönch so hört (5): NDR Kultur - BELCANTO

Diesmal kein CD-Tipp, sondern ein Surf-Tipp. Eine Sendung, die ich jede Woche mit Begeisterung höre: 

Belcanto 

Die Stunde mit den schönsten Arien, Duetten und Chören der Operngeschichte auf NDR Kultur. Immer sonnabends von 13 Uhr bis 14 Uhr entführt Sie Hans-Jürgen Mende in die Welt der schönen Stimmen: mit Arien, Duetten und Chören von Komponisten wie Rossini, Bellini oder Donizetti, gesungen von ausdrucksstarken Sängerinnen und Sängern, die auf den Bühnen von Berlin, Paris oder New York und im "Bel Canto" zuhause sind.

Hier der Link zum Belcanto-Archiv: Belcanto hören

Montag, 28. Juli 2025

Aktuelle Tischlesung: Gebrauchsanweisung für den Vatikan von Rainer Stephan

Hier bemalte Michelangelo vier Jahre lang die Decke der Sixtinischen Kapelle; Joseph Ratzinger zog aus dem bayerischen Markl zu; und jährlich strömen Millionen Gläubige und Pilger, Kunstliebhaber und Touristen her: in die Papststadt Rom, auf den Peters­platz, zum Vatikan. Steuerparadies und Inbegriff einer Weltmacht, ein kleiner Staat mit eigener Verwaltung, eigenem Postwesen und eigenem Bahnhof. Dieses Buch öffnet Türen. Es führt uns mitten hinein in dieses Universum, zum Lateran, zu Santa Maria Maggiore und den anderen Papstbasiliken, in die Katakomben und nach Castel Gandolfo. Auf die Gassen, Plätze und zu den Menschen im Vatikan, in Wohnungen und Gärten, Büros und Restaurants – in die urbane Realität einer Weltstadt. 

Bunt und in einer wunderschönen Sprache geleitet der Autor den interessierten Besucher durch die hintersten Winkel des Vatikans und lässt im Leser das Bedürfnis, möglichst schnell dorthin zu kommen wachsen!

Sonntag, 27. Juli 2025

Mutter Teresa über den Skandal der Abtreibung in der heutigen Welt

Aktuell, wie gestern erst gesprochen: 
Die Friedensnobelpreisrede Mutter Teresas (Oslo, 1979)

"Ich habe eine Überzeugung, die ich Ihnen allen mitteilen möchte: Der größte Zerstörer des Friedens ist heute der Schrei des unschuldigen, ungeborenen Kindes. Wenn eine Mutter ihr eigenes Kind in ihrem eigenen Schoß ermorden kann, was für ein schlimmeres Verbrechen gibt es dann noch, als wenn wir uns gegenseitig umbringen? Sogar in der Heiligen Schrift steht: „Selbst wenn die Mutter ihr Kind vergessen könnte, ich vergesse dich nicht.“ Aber heute werden Millionen ungeborener Kinder getötet, und wir sagen nichts. In den Zeitungen lesen wir dieses und jenes, aber niemand spricht von den Millionen von Kleinen, die empfangen wurden mit der gleichen Liebe wie Sie und ich, mit dem Leben Gottes. Und wir sagen nichts, wir sind stumm. Für mich sind die Nationen, die Abtreibung legalisiert haben, die ärmsten Länder. Sie fürchten die Kleinen, sie fürchten das ungeborene Kind. Und das Kind muss sterben, weil sie dies eine Kind nicht mehr haben wollen – nicht ein Kind mehr – und das Kind muss sterben. Und ich bitte Sie hier im Namen der Kleinen: Rettet das ungeborene Kind, erkennt die Gegenwart Jesu in ihm! 

Als Maria Elisabeth besuchte, hüpfte das Kind vor Freude im Schoß der Mutter in dem Augenblick, als Maria ins Haus kam. Das Ungeborene brachte Freude. Daher versprechen wir hier, jedes ungeborene Kind zu retten. Gebt jedem Kind die Gelegenheit, zu lieben und geliebt zu werden. Wir bekämpfen Abtreibung mit Adoption. Mit Gottes Gnade werden wir es schaffen. Gott segnete unsere Arbeit. Wir haben Tausende von Kindern gerettet, sie haben ein Heim gefunden, in dem sie geliebt werden, wo sie erwünscht sind, wohin sie Freude gebracht haben. 

Deshalb fordere ich Sie heute auf, Majestäten, Exzellenzen, meine Damen und Herren, Sie alle, die aus vielen Ländern der Erde gekommen sind: Beten Sie, dass wir den Mut haben mögen, das ungeborene Leben zu schützen."

Das war 1979. Wie sieht es heute aus? 
Nach Angaben der WHO (Weltgesundheitsorganisation) werden weltweit jedes Jahr über 73 Millionen Kinder im Mutterleib getötet. Allein in Deutschland über 100.000!

Samstag, 26. Juli 2025

Was ein Mönch so liest (4): URWORTE des Evangeliums - Für einen neuen Anfang in der Katholischen Kirche

Im Oktober 2023 versammelt sich eine bunte Truppe von Menschen in der Abtei Mariendonk in Grefrath am Niederrhein. Theologen, Philosophen, Priester, Ordensfrauen und andere teilen die Überzeugung, dass die Kirche ihre besten Tage noch vor sich hat. Begleitet vom Chorgebet der Schwestern suchen sie in einem Projekt praktischer Synodalität nach den Urworten der Kirche - nach dem, was unbedingt gegeben sein muss, wenn die Kirche ihren institutionellen Zerfall überlebt und mit armen Mitteln neu startet. Statt zu lamentieren, verfolgen sie eine andere Spur: Sie bejahen das Ende falscher Verhältnisse und schauen auf Urfragen wie „Was ist mit Jesus? Wie will ER die Gemeinschaft der Glaubenden?" Sie bezeugen, dass sich die Umrisse einer neuen Kirche zeigen - einer Kirche, die man mit neuer Liebe lieben kann, weil sie mit ihren Lebenslügen schlussgemacht hat, weil sie ein Schutzraum für die Schwachen ist und dem Bösen widersteht. 30 Autoren sind fest davon überzeugt: In nicht zu ferner Zukunft wird die Kirche aus den Ruinen auferstehen - kleiner, dynamischer, fröhlicher, wesentlicher, liebevoller, frömmer.

Die Kirche aus ihrem Ursprung neu denken! Wie sieht eine Kirche aus, die Gott gefällt? Über Jahre hinweg rangen deutsche Katholiken vergeblich um die Reinigung und vitale Regeneration ihrer Kirche. Von Anfang an gab es nicht nur römische Bedenken und restaurativen Widerstand. Mit der Initiative »Neuer Anfang« meldeten sich »zivilisierte Kritiker des Synodalen Wegs zu Wort«; ihrer »messerscharfen, zumal philosophischen Analyse der kirchlichen Verwerfungen« (FAZ) schlossen sich Tausende von Gläubigen an, denen die eher strukturellen Reformansätze des »Synodalen Weges« nicht weit genug gingen. Nun liegt ein mehr am Evangelium orientierter Reformansatz vor, ein Buch, das den Dialog mit allen in der Kirche will und Kraft hat, neu für die Schönheit der Kirche und die Wiederentdeckung ihrer Wurzeln zu begeistern. Ein leuchtender Text, der Lust macht auf eine von Jesus her relevante Kirche, die absolut nicht mehr langweilig ist. 

Aus dem Vorwort: 

Um die Erneuerung der Kirche zu denken, folgen wir der Einladung von Papst Franziskus zu einem Heimatbesuch in Jerusalem. Wir gehen noch einmal in die privilegierte Zeit Jesu zurück, achten auf alles, was Jesus (vor allen späteren kirchlichen Entfaltungen) wichtig war und machen es wie gute Unternehmensberater mit einem Sanierungsfall. Sie denken vom Gründungsauftrag (Vision) her, versuchen, den Unternehmenszweck (Mission) zu bestimmen und empfehlen dem Unternehmen zumeist die Verschlankung auf das Kerngeschäft. Wenn wir in diesem Buch 15 Urworte und ein Urbild der Kirche betrachten, betreiben wir zuerst Theologie und fragen: Warum ist das Jesus wichtig? Dann erst beitreiben wir Pastoral: Was können wir tun, damit die Kirche an vielen Orten wieder aufblüht? 

Von Bernhard Meuser (Herausgeber), Christiana Reemts (Herausgeberin) und Martin Brüske (Herausgeber), mit Beiträgen von Bischof Stefan Oster SDB, Sr. Justina Metzdorf OSB, Marc-Stephan Giese SJ, Pfr. Bodo Windolf und anderen insgesamt 30 Autorinnen und Autoren.

Freitag, 25. Juli 2025

Aus der Erklärung "Dignitas infinita" über die menschliche Würde (Kongregation für die Glaubenslehre, 2024)

Einleitung

1. Eine unendliche Würde (Dignitas infinita), die unveräußerlich in ihrem Wesen begründet ist, kommt jeder menschlichen Person zu, unabhängig von allen Umständen und in welchem Zustand oder in welcher Situation sie sich auch immer befinden mag. Dieser Grundsatz, der auch von der Vernunft allein voll erkannt werden kann, ist die Grundlage für den Vorrang der menschlichen Person und den Schutz ihrer Rechte. Die Kirche bekräftigt und bestätigt im Licht der Offenbarung in absoluter Art und Weise diese ontologische Würde der menschlichen Person, die nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen und in Christus Jesus erlöst wurde. Aus dieser Wahrheit leitet sie die Gründe für ihr Engagement für die Schwächeren und weniger Mächtigen ab, wobei sie stets auf den „Primat der menschlichen Person und der Verteidigung ihrer Würde unabhängig von allen Umständen“[2] besteht.


Unbedingte Achtung der Menschenwürde

24. Zu allererst gibt es trotz des wachsenden Bewusstseins für die Frage der Menschenwürde immer noch viele Missverständnisse des Begriffs Würde, die seine Bedeutung verfälschen. Einige schlagen vor, statt „Menschenwürde“ (und Rechte des Menschen) besser den Ausdruck „personale Würde“ (und Rechte „der Person“) zu verwenden, weil sie unter einer Person lediglich „ein vernunftbegabtes Wesen“ verstehen. Folglich leiten sie Würde und Rechte aus der Fähigkeit zu Erkenntnis und Freiheit ab, mit der nicht alle Menschen ausgestattet sind. Das ungeborene Kind hätte demnach keine personale Würde, ebenso wenig wie ein unselbstständig gewordener alter Mensch, oder jemand mit einer geistigen Behinderung.[39] Die Kirche besteht im Gegenteil auf der Tatsache, dass die Würde jeder menschlichen Person, gerade weil ihr untrennbar verbunden, „jenseits aller Umstände“ bleibt und ihre Anerkennung in keiner Weise von der Beurteilung der Fähigkeit zu Erkenntnis und zu freiem Handeln einer Person abhängen kann. Andernfalls wäre die Würde nicht als solche dem Menschen innewohnend, unabhängig von seiner Konditionierung und daher einer bedingungslosen Achtung würdig. Nur durch die Anerkennung einer dem Menschen innewohnenden Würde, die niemals verloren gehen kann, ist es möglich, ihr eine unantastbare und sichere Grundlage zuzusichern. Ohne jeden ontologischen Bezug wäre die Anerkennung der Menschenwürde unterschiedlichen und willkürlichen Bewertungen ausgeliefert. Die einzige Bedingung, unter der von einer der Person an sich innewohnenden Würde gesprochen werden kann, ist also die Zugehörigkeit zur menschlichen Gattung, weshalb „die Rechte der Person die Rechte des Menschen“ sind.[40]


Abtreibung

47. Die Kirche hört nicht auf, daran zu erinnern, dass „die Würde eines jeden Menschen einen intrinsischen Charakter [hat] und sie gilt von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod. Gerade die Bejahung dieser Würde ist die unveräußerliche Voraussetzung für den Schutz der persönlichen und sozialen Existenz und zugleich die notwendige Bedingung für die Verwirklichung von Brüderlichkeit und sozialer Freundschaft unter allen Völkern der Erde.“[88] Auf der Grundlage dieses unantastbaren Wertes des menschlichen Lebens hat sich das kirchliche Lehramt stets gegen die Abtreibung ausgesprochen. In diesem Zusammenhang schreibt der heilige Johannes Paul II.: „Unter allen Verbrechen, die der Mensch gegen das Leben begehen kann, weist die Vornahme der Abtreibung Merkmale auf, die sie besonders schwerwiegend und verwerflich machen. […] Doch heute hat sich im Gewissen vieler die Wahrnehmung der Schwere des Vergehens nach und nach verdunkelt. Die Billigung der Abtreibung in Gesinnung, Gewohnheit und selbst im Gesetz ist ein beredtes Zeichen für eine sehr gefährliche Krise des sittlichen Bewußtseins, das immer weniger imstande ist, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden, selbst dann, wenn das Grundrecht auf Leben auf dem Spiel steht. Angesichts einer so ernsten Situation bedarf es mehr denn je des Mutes, der Wahrheit ins Gesicht zu schauen und die Dinge beim Namen zu nennen, ohne bequemen Kompromissen oder der Versuchung zur Selbsttäuschung nachzugeben. In diesem Zusammenhang klingt der Tadel des Propheten kategorisch: ,Weh denen, die das Böse gut und das Gute böse nennen, die die Finsternis zum Licht und das Licht zur Finsternis machen‘ (Jes 5,20). Gerade in bezug auf die Abtreibung ist die Verbreitung eines zweideutigen Sprachgebrauchs festzustellen, wie die Formulierung ,Unterbrechung der Schwangerschaft‘, die darauf abzielt, deren wirkliche Natur zu verbergen und ihre Schwere in der öffentlichen Meinung abzuschwächen. Vielleicht ist dieses sprachliche Phänomen selber Symptom für ein Unbehagen des Gewissens. Doch kein Wort vermag die Realität der Dinge zu ändern: die vorsätzliche Abtreibung ist, wie auch immer sie vorgenommen werden mag, die beabsichtigte und direkte Tötung eines menschlichen Geschöpfes in dem zwischen Empfängnis und Geburt liegenden Anfangsstadium seiner Existenz.[89]Ungeborene Kinder sind somit „sind die Schutzlosesten und Unschuldigsten von allen, denen man heute die Menschenwürde absprechen will, um mit ihnen machen zu können, was man will, indem man ihnen das Leben nimmt und Gesetzgebungen fördert, die erreichen, dass niemand das verbieten kann“[90]. Deshalb muss auch in unserer Zeit mit aller Kraft und Klarheit festgestellt werden, dass „diese Verteidigung des ungeborenen Lebens eng mit der Verteidigung jedes beliebigen Menschenrechtes verbunden [ist]. Sie setzt die Überzeugung voraus, dass ein menschliches Wesen immer etwas Heiliges und Unantastbares ist, in jeder Situation und jeder Phase seiner Entwicklung. Es trägt seine Daseinsberechtigung in sich selbst und ist nie ein Mittel, um andere Schwierigkeiten zu lösen. Wenn diese Überzeugung hinfällig wird, bleiben keine festen und dauerhaften Grundlagen für die Verteidigung der Menschenrechte; diese wären dann immer den zufälligen Nützlichkeiten der jeweiligen Machthaber unterworfen. Dieser Grund allein genügt, um den unantastbaren Wert eines jeden Menschenlebens anzuerkennen. Wenn wir es aber auch vom Glauben her betrachten, dann ,schreit jede Verletzung der Menschenwürde vor dem Angesicht Gottes nach Rache und ist Beleidigung des Schöpfers des Menschen‘.“[91]Hierbei verdient das großzügige und mutige Engagement der heiligen Teresa von Kalkutta für die Verteidigung jeder empfangenen Person in Erinnerung gerufen zu werden.

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[1] Hl. Johannes Paul II.Angelus mit den Behinderten in der Kathedrale von Osnabrück (16. November 1980): Insegnamenti III/2 (1980), S. 1232.

[2] Franziskus, Apost. Schreiben Laudate Deum (4. Oktober 2023), Nr. 39: L’Osservatore Romano (4. Oktober 2023), S. III.

[38] Franziskus, Generalaudienz (12. August 2020): L’Osservatore Romano (13. August 2020), S. 8, innere Zitate: Hl. Johannes Paul II., Ansprache an die Vollversammlung der Vereinten Nationen (2. Oktober 1979), Nr. 7 und Ders., Ansprache an die Vollversammlung der Vereinten Nationen (5. Oktober 1995), Nr. 2.

[39] Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Instr. Dignitas Personae (8. September 2008), Nr. 8: AAS 100 (2008), S. 863–864.

[88] Franziskus, Ansprache an die Vollversammlung der Kongregation für die Glaubenslehre (21. Januar 2022): L’Osservatore Romano (21. Januar 2022), S. 8.

[89] Hl. Johannes Paul II., Enz. Evangelium vitae (25. März 1995), Nr. 58: AAS 87 (1995), S. 466–467. Zur Frage der Achtung gegenüber menschlichen Embryonen siehe Kongregation für die Glaubenslehre, Instr. Donum vitae (22. Februar 1987): „Die Praxis, menschliche Embryonen in vivo oder in vitro für experimentelle oder kommerzielle Zwecke am Leben zu erhalten, steht in völligem Widerspruch zur menschlichen Würde.“ (I, 4): AAS 80 (1988), S. 82.

[90] Franziskus, Apost. Schreiben Evangelii gaudium (24. November 2013), Nr. 213: AAS 105 (2013), S. 1108.

[91] Ebd.

Donnerstag, 24. Juli 2025

Was ein Mönch so hört (4): Die 5 Klavierkonzerte und Chorfantasie von L. van Beethoven mit Rudolf Serkin und Rafael Kubelik (München, 1977)

Diese Zusammenarbeit zwischen dem 75-jährigen Rudolf Serkin, dem 64-jährigen Rafael Kubelik und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, die aus Live-Auftritten dreier Konzerte im Herbst 1977 stammt, glänzt in den fünf Konzerten und der Chorfantasie. Kubelik und Serkin waren Legenden mit jahrzehntelanger Erfahrung. 

Gemeinsam schufen sie Darbietungen voller Intensität und Leidenschaft. Das Orchester steht Serkins fesselnder Interpretation Note für Note in nichts nach. Das eindringliche Orchesterspiel im Largo des dritten Konzerts ist wohl das Beste, was ich je in diesem Konzert gehört habe, und harmoniert perfekt mit Serkins Spiel. Die Feinfühligkeit, mit der Rudolf Serkin an die Konzerte herangeht sucht bis heute Ihresgleichen. Er benutzt sehr wenig Pedal, grenzt jeden Ton gegen den nächsten ab und vernebelt so zu keiner Zeit die melodische Linie. Zudem hat Serkin mit Rafael Kubelik einen kongenialen Partner, der sein Bestreben nach Ballastfreiheit und unbedingter Artikulation aufgreift und mit seinem Orchester umsetzt. Serkin muss nicht gegen Klangberge ankämpfen, sondern kann sein Spiel frei entfalten. Und wenn in den Kadenzen seine Leidenschaft und seine Lust am Spiel förmlich explodieren, dann überkommt mich ein großartiges Mitfiebern und Gespanntsein auf die nächste Wendung, die nächste Phrase, den nächsten Ton. 

Ich liebe diese Musik, und jede dieser exzellenten Aufführungen zählt zu meinen Lieblingsaufnahmen (viel besser als Serkins spätere und eher zaghafte Zusammenarbeit mit Ozawa). Der Klang von Orfeo hat den Anlass perfekt eingefangen, so dass ich diese Werke uneingeschränkt und begeistert empfehlen kann.

Volker Boehme-Neßler im Interview: „Wir brauchen keine Aktivisten in Richterrobe“

Die Debatten um die Juristin Frauke Brosius-Gersdorf, die von der SPD für das Verfassungsgericht nominiert wurde, haben die Frage aufgeworfen, wie unabhängig Karlsruhe von der Politik ist. Ein Podcast mit dem Rechtswissenschaftler Volker Boehme-Neßler über das Selbstverständnis des Bundesverfassungsgerichts, Aktivismus in Roben und die Unhintergehbarkeit der menschlichen Würde.

 

"Frau Brosius-Gersdorf hat den Eindruck erweckt, sie hat eine Mission. Sie hat bestimmte, grundsätzlich, also in ganz konfliktbehafteten Fragen, ganz streitigen Fragen der Gesellschaft, hat sie eine ganz dezidierte, eindeutige Antwort. Und die vertritt sie auch mit Vehemenz. Und das ist dann nicht die Persönlichkeit, die man braucht, wenn man unabhängige, neutrale und unvoreingenommene Diskussionen haben will. Darum geht's. Das ist, glaube ich, der Punkt."
(Volker Boehme-Neßler)