Martini, Carlo M.:
Auch die Seele kennt Tag und Nacht : Reflexionen für Zeiten innerer Prüfung / Carlo Maria Martini. [Aus dem Ital. von Wolfgang Bader] - München : Verl. Neue Stadt, 2005. - 78 S. - ISBN 3-87996-636-2
Auch die Seele kennt Tag und Nacht : Reflexionen für Zeiten innerer Prüfung / Carlo Maria Martini. [Aus dem Ital. von Wolfgang Bader] - München : Verl. Neue Stadt, 2005. - 78 S. - ISBN 3-87996-636-2
Carlo M. Kardinal Martini, einer der am
meisten gelesenen geistlichen Autoren unserer Zeit, gibt dem Leser
mit diesen Reflexionen „Auch die Seele kennt die Nacht“
eine nützliche Hilfe, die Zeiten innerer Prüfung zu deuten und zu
bestehen. Dabei geht es dem langjährigen Erzbischof von Mailand
darum, den Wechsel von hellen Tagen und von Zeiten der Finsternis in
unserem Inneren, die Grunderfahrung eines wohl jeden Menschen, im
Licht des Glaubens zu begreifen und anzunehmen: „Wir schauen auf
die inneren Tiefen und Windungen des menschlichen Herzens. Wir
versuchen zu unterscheiden, was Gott tut und was eine Auswirkung des
Bösen ist“ (S. 8). Der Autor weist selbst darauf hin, dass
seine Überlegungen und Betrachtungen in großer Nähe zu Regeln aus
dem Exerzitienbüchlein des hl. Ignatius von Loyola stehen, die auch
unter dem Begriff „Unterscheidung der Geister“ bekannt wurden:
„Darin verbirgt sich ein großer Schatz von psychologischen
Intuitionen“ (S. 9).
Im ersten Kapitel betrachtet Martini
die „Nacht der Sinne“, Gefühle und Empfindungen die nicht
unseren Werten und Überzeugungen entsprechen. Es sind dies die
Zeiten der inneren Trostlosigkeit: „Dunkelheit der Seele,
Verwirrung in ihr, Regung zu niederen und irdischen Dingen, Unruhe
von verschiedenen Bewegungen und Versuchungen (Nervosität,
Anspannung und negative Besetztheiten), Momente in denen die Seele
träge, lau, traurig, ohne Liebe und Hoffnung ist.“ Nach einem
Blick auf das Leben der Mutter Jesu, als vorbildhaftes Beispiel einer
Begegnung und Überwindung der „Nacht des Herzens“, gibt
Martini drei ganz konkrete Anregungen und Hilfen, um diese Zeiten der
„dunklen Nächte“ und Trostlosigkeit auch zu überwinden:
1. Sich nicht wundern! – 2. Keine Entscheidungen fällen! – 3.
Weiter beten!
Gerade in diesen kurzen, prägnanten
und praktischen Hilfestellungen für die Zeiten der inneren
Trockenheit im alltäglichen Leben liegt m.E. der ganz besondere Wert
und praktische Nutzen dieses Büchleins. Abgeschlossen wird das
Kapitel, wie auch alle folgenden, durch Denkanstösse und „Anregungen
zum Nachdenken“ die jeweils danach fragen, was die Erfahrungen,
die Maria und andere Personen gemacht haben, für uns heute bedeuten
könnten.
Und auch im zweiten Kapitel „über
die Nacht des Glaubens“ kommt Martini, wenn er den
amerikanischen Geistlichen T. Green zitiert, gleich auf die
praktische Ursache dieser „Glaubensnacht“ zu sprechen. „Wir
gehen zu einem Gebetskreis, in eine Kirche, wir nehmen teil an einer
liturgischen Feier, und wir erwarten, dass wir in uns etwas spüren.
Spüren wir nichts, gewinnen wir den Eindruck, wir wären innerlich
erkaltet. Das heißt, wir setzten das Beten gleich mit ,etwas spüren’
... Viele von uns sind gewohnt, sofort das Ergebnis von dem zu sehen,
wofür sie sich einsetzen. Und daran finden sie Gefallen. Daher
blockiert es unseren Glaubensweg, wenn das Gebet nicht reich an guten
Gedanken, an innerem Schwung, an tiefem Licht ist. Doch die Zeiten,
in denen wir nichts spüren, sind nicht unfruchtbar, denn so wird das
Gebet weniger ichbezogen und mehr ausgerichtet auf Gott. Wir lernen,
wie Teresa von Avila es formulierte, den Gott des Trostes zu suchen
und nicht die Tröstungen Gottes“ (S. 26). Hier fehlt es
durchaus nicht an geistlicher und auch kirchlich-liturgischer
Selbstkritik!
Die „Nacht des Glaubens“
sieht Martini aber auch in der Gottferne der heutigen Gesellschaft
liegen, in der er am Ende dieses Kapitels zu sprechen kommt. Dennoch
sieht er diese auch als eine Chance: „Sehe ich sie misstrauisch,
pessimistisch oder als Ort, wo mein eigener Glaube geprüft wir und
ich mit Jesus die Last dieser Welt tragen kann?“ (S. 38).
Nach der Betrachtung der „dunklen
Zeiten des Herzens“ wendet sich Kardinal Martini in den
nächsten drei Kapiteln dem Licht zu, „das nach der Finsternis“
aufstrahlt. Dabei unterscheidet er den „Trost des Geistes“,
der sich im Nachsinnen über die Heilige Schrift und des göttlichen
Heilsplans erkennen lässt und den Verstand erleuchtet, vom „Trost
des Herzens“, der unser Gefühlsleben und unsere innere
Befindlichkeit berührt und lenkt (S. 54). Der „Trost des
Lebens“ schließlich ist in der Lage „im Tag die Nacht zu
erkennen und in der Nacht das Licht zu sehen“ (S. 70). Den
„Trost des Lebens“ erleben wir, „wenn uns in den
dunklen Augenblicken eine Kraft begleitet, von der wir meinten, wir
besäßen sie gar nicht. Wir fühlen uns von Gott und von den
Menschen im Stich gelassen, doch in der Rückschau erkennen wir, dass
der Herr uns begleitet hat auf unserem Weg ... Wenn wir auf unserem
Weg und die Zeiten der Prüfungen zurückschauen, erfüllt uns
manchmal Dankbarkeit, dass Gott gewirkt hat, dass er ‚wachsam’
war in jenen schwierigen Momenten ... Wenn wir in das Verborgene
unseres Lebens schauen, begegnen wir dem Vater, hören wir seine
Stimme. Und wir erkennen, dass ein solch schöner Weg die Mühe des
Durchhaltens lohnt“ (S. 76ff).
In diesen letzten drei Kapiteln lenkt
Martini einfühlsam den Blick auf die Sterne in der Nacht der Seele.
Und auch hier findet man immer wieder präzise und klare Anregungen
wie beispielsweise: „ - Zeiten und Räume des Schweigens suchen:
Zu viel Lärm, zu viel Chaos, zu viele Worte können die Gabe [des
Trostes des Geistes] ersticken ... Wir sollten alles fernhalten,
was dieser Gabe entgegensteht. Dazu gehört zum Beispiel eine
übermäßige Sorge um das Leben“ (S. 50). So findet man
zahlreiche Orientierungshilfen beim Aushalten der Dunkelheit und
Nacht-Situation, besonders auch in den konkreten Anregungen und den
betrachtenden Gebeten, in denen die einzelnen Kapitel münden.
Martinis Buch ist ein wertvoller und
sehr empfehlenswerter Wegweiser durch seelische Nacht- und
Durststrecken, um durch sie im Glauben zu reifen.
P. Siegfried Wewers OSB
(Rezension für die ORDENSKORRESPONDENZ)
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