Freitag, 12. Mai 2006

Gottes Weber : das Leben des heiligen Antonio Maria Claret


Porath, Silke:
Gottes Weber : das Leben des heiligen Antonio Maria Claret ; Roman / Silke Porath. - Waldsolms: Gipfelbuch-Verl., 2006. - 425 S.
ISBN 3-937591-21-4

Passend zum 200. Geburtstag Clarets (1807-1870) schrieb die junge deutsche Journalisten Silke Porath (Jahrgang 1971) ihren ersten biografischen Roman „Gottes Weber“. Ein in unserer Zeit recht ungewöhnliches Unternehmen, da Heiligenbiografien in Romanform heute nicht mehr zeitgemäß zu sein scheinen: Es ist ein Wiederbelebungsversuch des Historienromans. Man fühlt sich etwas an die bekannten hagiografischen Romane wie beispielsweise „Der Pfarrer von Ars“ oder „Der Bettler von Granada“ von Wilhelm Hünermann erinnert, der es in den 50er und 60er Jahren bestens verstand, fesselnde „Lebensbilder“ großer Persönlichkeiten zu zeichnen.

Und auch in „Gottes Weber“ stehen somit nicht in erster Linie Zahlen, Daten und Fakten im Vordergrund, diese werden als Anhang in tabellarischer Form am Endes des Buches korrekt nachgeliefert, sondern die „Lebensgeschichte“ Clarets. So schreibt die Autorin: „Mein Anliegen war es, den Menschen Claret zu zeigen. Um dies möglich zu machen, habe ich zum Mittel der Fiktion gegriffen. So stimmen Zeitenfolge und die Begegnungen mit Menschen, die mir als Vorlage für die literarischen Figuren dienten, nicht immer mit der Realität überein. Einige Personen in meinem Buch haben wirklich gelebt. Manche sind meiner Phantasie entsprungen ... Dieses Buch ist der Versuch, eine Vision und einen Visionär zu zeigen, der bis heute Vorbild sein kann.“

Die Autorin erzählt die Geschichte des hl. Antonio Maria Claret, eines jungen spanischen Webers zur Zeit Napoleons, der gegen den Widerstand seines Vaters den Familienbetrieb in Sallent verlässt und die berufliche Ausbildung aufgibt um Priester und Ordensmann zu werden.

Auf „Ratschlag“ der Gottesmutter Maria, die ihm seit seiner Kindheit bis zu seinem Tode immer wieder regelmäßig erscheint, gibt er aber seinen Wunsch Kartäuser zu werden schließlich auf und möchte von den Menschen von nun an als Wanderprediger helfen: "Mehr Menschen erreichen, alle erreichen, die Armen überall, ihnen beistehen“, das ist sein sehnlichster Wunsch. Und das schreibt er 1839 nieder und sendet sein Gesuch schließlich an den Bischof. Sein Gesuch wird erhört. Claret wird zu einem begnadeten Volksmissionar in seiner Heimat Katalonien. Von dort aus beginnt er seine entbehrungsreiche Reise durch das zerrissene Land, später durch halb Europa.

1847 gründet er mit fünf Brüdern die „Kongregation vom Hl. Unbefleckten Herzen Mariens“ und 1849 die „Bruderschaft von der christlichen Lehre“ (Claretiner). Kurze Zeit darauf wird er zum Bischof von Kuba ernannt und muss seinen Konvent verlassen. Gleich nach seiner Ankunft begreift er, dass eine Erneuerung des christlichen Lebens unbedingt notwendig ist. Er organisiert eine Reihe Missionskampagnen, an denen er sich selbst beteiligt, um das Wort Gottes in alle Ortschaften zu tragen. Nach einem Attentat ist er lange Zeit mit schweren Verletzungen ans Bett gefesselt. Seine Genesung geschieht aber wundersamerweise mit Hilfe der Jungfrau Maria binnen einer einzigen Nacht. Obwohl Claret in seiner asketischen, nach innen gerichteten Lebenswelt nie nach Einfluss, Rang und Stellung strebt, führt sein Weg weiter nach oben. 1857 wird Antonio Claret an das spanische Königshaus als persönlicher Beichtvater der jungen Regentin Isabella II. gerufen, dessen Kinder er in der Theologie erzieht und auch für Isabella selbst bald zu einer Vaterfigur wird. Die Dienste am Hof füllen weder die Zeit noch den apostolischen Geist Clarets aus. Darum weitet er seine Aktivität auf die Stadt aus. Er predigt und hört Beichte, schreibt Bücher, besucht Gefängnisse und Krankenhäuser.

Infolge der Septemberrevolution von 1868 geht er mit der Königin ins Exil. Zur Feier des goldenen Priesterjubiläums von Papst Pius IX begibt er sich nach Rom und nimmt an der Vorbereitung des Ersten Vatikanischen Konzils teil. Nach dem Ende der Sitzungen ist Claret gesundheitlich so stark angeschlagen, dass er sich in die Gemeinschaft, die seine Missionare in Prades (Südfrankreich) hatten, zurückzieht. Selbst dort erreichen ihn seine Verfolger, die ihn gefangennehmen und nach Spanien bringen wollen, um ihn dort vor Gericht zu stellen und abzuurteilen. Claret muss wie ein Straftäter fliehen und sucht im Zisterzienserkloster Fontfroide Zuflucht, wo er, umgeben von der Zuneigung der Mönche und einiger seiner Missionare am 24. Oktober 1870 im Alter von 63 Jahren stirbt. - Am 25. Februar 1934 wurde er von Papst Pius XI. seliggesprochen. Pius XII. sprach ihn am 7. Mai 1950 heilig.

Silke Porath gelingt es, die „Lebensgeschichte“ Clarets mit einer flüssigen, intensiven und sehr bilderreichen Sprache umzusetzen und zu einem angenehm zu lesenden Gesamtwerk zusammenzufügen. – Allerdings ist ihr Sprachstil aber vielleicht manchmal doch etwas „zu bilderreich“, was besonders bei den Visionen, beispielsweise bei der Marienerscheinung nach dem Attentat an Clarets Krankenbett auffällt:

»Ich schlafe nicht«, will Claret sagen, doch der dicke Verband legt sich kühl auf sein Gesicht. »Ich fürchte mich«, denkt er und sieht hinter seinen geschlossenen Augen das lächelnde Gesicht seiner Schwester. Langsam schwebt die Mädchengestalt höher und höher, erhebt sich in die Luft. Nebel umgibt die Gestalt, Rosa verblasst, ihre warme Stimme wird leiser, verstummt und aus dem Nebel formt sich das lächelnde Antlitz der Heiligen Jungfrau.
»Fürchte dich nicht, Antonio Claret«, lächelt Maria den Kranken an. »Fühlst du denn nicht mehr das Feuer der Gnade, das Glück, dass dein Blut im Namen meines Sohnes vergossen wird?«
Die Erscheinung hebt die Hand, als wolle sie den schlafenden Claret streicheln. Heiß und wohlig durch­strömt eine Welle aus Liebe und Glück den Körper des Erzbischofs, wärmt seinen Magen, sein Herz und legt sich wie ein Schleier auf die pochende klaffende Wunde in seinem Gesicht. Sanft scheint die Heilige Jungfrau ihre Hand auf die Wange des Priesters zu legen. Wie tausend Stiche fährt die Berührung Claret ins Gesicht, er kann sich selbst sehen, wie er wund und schwach im Bett liegt, er sieht den weißen Kieferknochen, der durch das Fleisch seiner Wange schimmert, den Riss, der quer über sein Gesicht geht.
»Vertraue mir«, flüstert die Jungfrau. Dann wabert der Nebel hoch, sanft streicht die Erscheinung über den aufgeschnittenen rechten Arm des Bischofs, seine Hand zuckt, will nach der Gestalt greifen. Doch der Nebel wird dichter und es bleibt nur noch ein Gedanke für Antonio Claret — der Glaube an die Hilfe und Gnade der himmlischen Mutter. (S. 300)

Solche Textpassagen bleiben natürlich „Geschmackssache“. - Aber vielleicht fehlt es dem Rezensenten hier aber auch einfach etwas an Fantasie (und Erfahrung), weil er zu „verkopft“ denkt? - Biographische Romane sind für jeden Autoren eine schwierige Übung, gilt es doch möglichst genau bei den historischen Fakten zu bleiben und trotzdem noch Spannung zu erzeugen. Wenn dann die handelnden Personen dann auch noch fest im Glauben verwurzelt sind und dazu auch noch Visionen haben, erhöhen sich diese Probleme nochmals zusätzlich.

Letztendlich hat Silke Porath diese Probleme aber sehr gut zu bewältigen gewusst. „Gottes Weber“ bringt uns den hl. Antonio Claret als einen Menschen und eine faszinierende Persönlichkeit nahe, der seinem Glauben und seiner Berufung - trotz der vielfältigen Versuchungen und versuchten Einflussnahmen - treu bleibt und darin die Erfüllung seines Lebens findet. Darüber hinaus erfährt man, dank hervorragender Hintergrundrecherchen, viel über die Zeit und die Lebensumstände der Menschen im Umkreis des Heiligen: Ein sehr detailreicher, spannender und beeindruckender Historienroman, den man auch den jungen Menschen nicht vorenthalten sollte, die es heute noch wagen, einen Roman mit über 400 Seiten in die Hand zu nehmen.

P. Siegfried Wewers OSB

(Rezension für die ORDENSKORRESPONDENZ)




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