Sonntag, 6. Juli 2008

"IM KLOSTER KANN MAN SO SCHÖN DEMÜTIG SEIN"



Vor einiger Zeit wurde ich zusammen mit einigen Mitbrüdern und Mitschwestern zu Studientagen in die Abtei Münsterschwarzach eingeladen. Dort traf ich eine Ordensschwester, die damals Novizenmeisterin in ihrem Kloster war. Und diese erzählte mir folgendes:

„Also Pater Siegfried, dass müssen Sie sich einmal vorstellen! - Vor einigen Tagen kam eine junge Frau in unser Kloster. Die wollte unbedingt bei uns in Tutzing eintreten.“

„Ja, schön“, - sag ich. –
Daraufhin die Schwester: „Und ich hab die junge Frau natürlich nach ihrer Motivation gefragt: Warum wollen Sie denn bei uns eintreten? – Und wissen Sie, was die junge Frau gesagt hat?“ - (Pause) – „Im Kloster da kann man so schön demütig sein!" – Ich habe die junge Frau gleich wieder weg geschickt.“

Und ich kann mich auch noch gut daran erinnern, was ich damals darauf geantwortet habe: „Also Schwester, ich glaube, da haben Sie einen großen Fehler gemacht! – Den Wunsch nach mehr Demut, den kann man ihr doch erfüllen. – Dafür werden Sie und Ihre Mitschwestern schon sorgen!“

Ein langer, böser, strafender Blick war die Antwort. –
Die meisten Schwestern haben viel Humor. - Leider nicht alle! – (Übrigens kann man natürlich auch in Ehe und Familie „schön demütig“ sein: Denken Sie nur an Ihre Schwiegermutter).

Na ja, wie es denn auch sei, beim Thema Demut, da hört anscheinend jeder Spaß auf. – Und wahrscheinlich wurde in der Vergangenheit mit einem falschen Verständnis von „Demut“ - auch in den Klöstern - viel Unheil und Unglück angerichtet.

Demütig sein, das klingt oft nach stillhalten: Man muss sich halt seinem Schicksal ergeben und ohne Klagen einfach die Situation aushalten. – Aber sehr oft ist das eine „falsche“ Demut. „Falsche Demut“ ist es, Dinge hinzunehmen, die man ändern kann. – Wie oft jammern viele Menschen in ihrem Leben über dies und das, rühren aber keinen Finger, um es zu ändern! – Wer sich nie zu Wort meldet und dann anschließend immer nur erträgt, was andere über ihn bestimmen, der ist nicht demütig, sondern ängstlich: Hier fehlt es einfach an Mut. - Und das Wort Mut steckt ja schließlich im Wort Demut. Vieles im Leben ist nicht unabänderlich! –
Und Jesus macht uns Mut, das, was wir ändern können, auch wirklich zu ändern.

Und dann bleiben im Leben immer noch genügend Dinge übrig, wie Krankheit oder der Tod eines geliebten Menschen, die wirklich unabänderlich zu ertragen sind. Und auch hier wird unser Leben leichter, wenn wir uns von Jesus helfen lassen, dieses Kreuz mit zu tragen.

Oft kommen verbitterte Menschen zu mir, die im Grunde alle den selben Fehler machen: Sie bauen sich ihr Kreuz selbst und legen sich dann anschließend darauf. – Aber genau das ist keine Demut!

Jesus hat sich sein Kreuz auch nicht selbst gebaut: Es wurde ihm auferlegt:
Christus nachfolgen heißt nicht, sich sein Kreuz zu bauen, sondern sein Kreuz zu tragen!

Liebe Brüder und Schwestern,
bisher haben wir einiges über die „falsche Demut“ erfahren. - Aber was meint Jesus damit, wenn es sagt „... lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig ...“ ?

Jesus spricht von Demut in seiner ursprünglichen Bedeutung. Demütig sein, das heißt vom Wort her ja nichts anderes, als „dien-mutig“ (vom althochdeutschen diomuoti) sein: Mut haben zum Dienen. – In diesem Sinne war Jesus dien-mutig: Er hatte den Mut, einer gewaltigen Aufgabe zu dienen. Er hat diese schwere Aufgabe übernommen, weil er wusste, das sie notwendig und sinnvoll war. Und diese Überzeugung gab ihm die Kraft das Kreuz zu tragen, und dabei Übermenschliches zu tragen.

Und das Interessante ist dabei folgendes: Jesus nimmt uns die Lasten und Aufgaben nicht einfach ab, die wir oft so schmerzlich spüren. Aber er hilft uns, sie besser tragen zu können! - Jesus traut den Menschen durchaus etwas zu! –
Und er weiß wahrscheinlich ganz genau, dass wir es auch wahrscheinlich gar nicht wollen, wenn uns auch noch die letzte Last von den Schultern genommen wird.

Welche Mutter würde es wirklich wollen, wenn ihre Kinder, die ihr zwischendrin manchmal auf die Nerven gehen, gar nicht mehr da wären? Welcher Arzt oder Krankenpfleger wäre glücklich, wenn er niemanden mehr helfen könnte? Welcher Landwirt wäre froh, wenn seine Kühe, die oft so viel Arbeit machen, von heute auf morgen auf einmal alle weg wären?

Vielleicht hat Jesus ganz richtig erkannt, dass wir die Lasten und Aufgaben die wir tragen, im Letzten gar nicht ganz los werden möchten. Wahrscheinlich weiß Jesus sehr wohl darum, dass es im Grunde vor allem darum geht, dass sie wieder tragbar werden, - dass wir sie auch wirklich tragen können: „Mein Joch drückt nicht und meine Last ist leicht.“

Liebe Mitbrüder, liebe Mitfeiernde!
Über die Demut wurden ganze Bücher geschrieben und auch der heilige Benedikt hat in seiner Regel der Demut ein ziemlich langes Kapitel gewidmet. – Und wenn ich ehrlich bin, hat mich das alles oft recht wenig überzeugt: Viele Worte, - viel Theorie!

Was mich aber immer wieder wirklich beeindruckt hat, sind Menschen, die die Demut - ohne viele Worte zu machen - als eine Lebenshaltung kultiviert haben - und weniger als eine Art von Selbsterniedrigung oder als eine Bußübung. Demut lernt man am besten von Vorbildern, - nicht aus Büchern! Deshalb am Ende nur ein Beispiel, an das ich mich gerne zurück erinnere:

Seit 11 Jahren arbeite ich nun in unserer Bibliothek. Und bis vor 3 Jahren hatte ich noch einen Partner, der mir jeden Tag zur Seite stand: Zuverlässig wie ein Uhrwerk. – Mein Mitbruder war damals ungefähr 85 Jahre alt, als ihn einer seiner ehemaligen Schüler, mittlerweile Prälat und Domkapitular, in unserem Büro besuchte, ohne jede Voranmeldung. Nach einer freundlichen Begrüßung ließ sich mein Mitbruder nicht abhalten und machte einfach mit seiner alltäglichen Arbeit am Computer weiter. Den Prälaten schien das irgendwie zu wundern und dann fragte er: „Also, früher da waren Sie mein Schuldirektor und auch der Leiter vom Internat. – Sie haben mir Lateinisch und Griechisch beigebracht. Sie hatten doch damals eine so wichtige Stellung im Kloster. – Und jetzt? - Jetzt machen Sie schon seit 20 Jahren hier irgendwelche Hilfs- und Tipparbeiten in der Bibliothek. – Fällt Ihnen das nicht schwer?“ –

Ganz langsam hob mein Mitbruder den Kopf, schaute den Prälaten tief in die Augen und sagte ganz gelassen mit seinen tiefen Stimme nur drei Worte: „Arbeit ist Arbeit!“ – Und dann tippte er in aller Ruhe weiter.

Liebe Brüder und Schwestern,
Demut heißt: Mut zum Dienen. – Und ich wünsche uns allen, dass auch wir in unserem Leben diesen Mut haben zum Dienen, damit unser Leben einen tieferen Sinn bekommt. – Amen.

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Predigt für den 14. Sonntag im Jahreskreis (A) am 06. VII. 2008 (Konventamt, St. Ottilien)

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