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TODSICHER
Vor einigen Jahren wurden einige Mitbrüder und ich in den Münchner Zirkus „Krone“ eingeladen. Was mich damals besonders beeindruckt hat, war die Trapeznummer: Das flogen hoch unter der Zirkuskuppel russische Akrobaten - mit rasanter Geschwindigkeit - über unsere Köpfe hinweg und machten dabei noch allerlei Saltos. – Und weil die ganze Sache nicht ganz ungefährlich ist, gibt es aus gutem Grund bei uns die Vorschrift, dass solche Hochtrapeznummern nicht ohne Netz aufgeführt werden dürfen. Den berühmten „Salto Mortale“ gibt es – Gott sei Dank – nicht mehr. Das Netz über der Manege verhütet im Notfall das Schlimmste. Das Netz ist eine Lebensversicherung.
Liebe Brüder und Schwestern,
sie ließen ihre Netze zurück, die Jünger im heutigen Evangelium. So haben wir gerade gehört: „Sogleich ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm.“
Das ist gefährlich und unvernünftig! – Das ist genauso unvernünftig, als würde ein Trapezkünstler ohne Netz auftreten. Denn genau genommen ist das Fischernetz auch nichts anderes als eine Sicherung, eine Lebensversicherung. Ohne Netz hat ein Fischer kein Einkommen, ist seine finanzielle Absicherung dahin. Und ohne gesichertes Einkommen ist die Zukunft, das ganze Leben unsicher geworden. Das war damals nicht anders als heute. Menschen, die diese Absicherung oder ihren Beruf schon einmal verloren haben, kennen diese Problematik.
Aber die Jünger lassen nicht nur ihre Netze, ihren Beruf zurück. Jakobus und Johannes lassen auch noch ihren Vater sitzen, - im Boot. - Gott sei Dank nicht ganz allein, denn der Vater scheint sich ja schließlich Tagelöhner leisten zu können.
Neben dem Beruf war die Familie der einzige Halt, der dem Leben Sicherheit gab, die einzige Sozialversicherung, die es in biblischer Zeit überhaupt gab.
Liebe Brüder und Schwestern,
wenn wir ehrlich sind: Wir alle suchen irgendwie nach Sicherheit, der Mensch scheint so veranlagt zu sein. Die Versicherungen verdienen sich heute ein Vermögen mit dem Sicherheitsdenken der Leute: Sicherheit gibt Ruhe! - Und auch wir Mönche machen da keine Ausnahme: Auch im Kloster scheint man ziemlich „sicher“ zu sein, da ist die Zukunft absehbar.
Und genau hier liegt eben die große Gefahr:
„Ein Schiff, das im Hafen liegt, ist sicher.
Aber dafür sind Schiffe nicht gebaut.“ (William Shed)
Dieses Sprichwort, das ich neulich gelesen habe, passt ziemlich genau zum heutigen Evangelium. Wie die Schiffe ist auch der Mensch nicht dazu geschaffen, sicher im Hafen zu liegen. Der Mensch muss das Leben erkunden, das Leben wagen. - Sonst wird es stickig. - Übertriebene Sicherheit kann auch den Tod bringen, - „todsicher“ sagen wir. Übertriebene Sicherheit kann das Leben abtöten. Vor lauter Sicherheit kann nichts mehr wachsen und sich entwickeln. Wenn alles Risiko ausgeschaltet wird, kann nichts mehr Neues entstehen. – Jesus macht uns immer wieder darauf aufmerksam.
Und noch etwas anderes sagt mir das heutige Evangelium zum Thema Nachfolge und Berufung: Es ist eigentlich überhaupt nicht wichtig was ich will, sondern was Jesus, was Gott von mir möchte.
Ohne diese Einsicht wird keine Berufung lange durchhalten: „Es ist nicht wichtig was ich will, sondern was Gott will.“
Nur wer das, wie die Jünger erkannt hat, wird den Ruf Gottes hören und den Weg Jesu mitgehen. Da werden auch überhaupt keine Fragen gestellt: Warum denn gerade ich?... Momentan bin ich gerade sehr beschäftigt... Oder: Ich habe ja eigentlich andere Pläne?... - Nein, der Ruf Gottes allein genügt. – Und wer ihn hört, der sollte den Mut haben, aus dem Boot auszusteigen.
Liebe Brüder und Schwestern,
vielleicht ist es nach dem Blick auf das Evangelium interessant, jetzt einmal ganz aktuell und konkret zu werden. Wie sieht es momentan hier in Deutschland aus mit den „Berufungen“? Vor wenigen Wochen berichtete die Katholische Nachrichten Agentur folgendes: „Die Zahl der Priesterweihen in Deutschland ist 2008 erstmals unter 100 gesunken. Wie die Leiter der Priesterseminare in München bekannt gaben, wurden 95 Priester für die 27 Bistümer geweiht. Dies sei „alarmierend“, sagte der Münchener Regens Franz Joseph Baur. Seit Beginn der Statistik gab es noch nie so wenig Priesterweihen...“
Also keine 100 Neupriester für 27 Bistümer, der Priestermangel in den Bistümern wird immer spürbarer. Wir in Ottilien leben da ja vergleichsweise noch auf einer „Insel der Seligen“.
Was können wir tun? - Ich habe mich selbst einmal gefragt, warum ich eigentlich Priester geworden bin und es hat mich auch immer interessiert, warum andere Priester geworden sind. Und Bischöfe und die Statistiker hat das auch interessiert, und man hat einfach einmal nachgefragt. - Und wissen Sie was ganz oben auf der Liste stand? –
Das „Priestervorbild“. – 78% aller Priester hatten ein „Priestervorbild“. – Und auch ich bin da auch keine Ausnahme. Ohne einer „Priesterpersönlichkeit“ mit Format in meiner Heimatgemeinde begegnet zu sein, wäre ich wahrscheinlich einen anderen Weg gegangen. Und wahrscheinlich haben auch die meisten meiner Mitbrüder irgendein geistliches Vorbild.
Berufungen brauchen „Vorbilder“, die einem zeigen, „wie“ es geht und „das“ es geht: Dass so ein „geistliches Leben“ ein ganz erfülltes Leben sein kann, auch ohne eigene Familie.
Deshalb ist es auch für den geistlichen Nachwuchs unbedingt erforderlich, ein „Vorbild“ vor Augen zu haben. Und deshalb ist es auch so wichtig, dass Priester in den Gemeinden präsent und ansprechbar sind. Ein deutscher Bischof hat einmal gesagt: „Wer Laien sät, wird keine Priester ernten.“ – Das hört sich zwar ziemlich provokant an, aber bei genauerer Betrachtung stimmt es wahrscheinlich: Auch Priester brauchen Vorbilder, genauso wie Mütter und Väter auch gute Vorbilder brauchen, - und es für ihre eigenen Kinder auch sein müssen.
Übrigens habe ich mein Priestervorbild vor vielen Jahren einmal gefragt, wie er seine Berufung und seine Arbeit verstehe und er hat mir mit einem biblischen Gleichnis geantwortet. Er sei ja nur ein Sämann, der immer wieder nur den Samen auf die Erde werfe. Und das genüge ihm auch vollkommen. – Und was aus dem Samen werde, dass wisse er überhaupt nicht. Die Ernte werde dann hoffentlich einmal ein anderer einholen, denn der „Herr der Ernte“ sei nicht er. –
Ja, das sei ein ganz schön unsicherer Job auf dem Acker des Herrn: Wer Jesus nachfolgen möchte, für den gibt es keine Sicherheiten. - Aber wie schon gesagt:
„Ein Schiff, das im Hafen liegt, ist sicher. -
Aber dafür sind Schiffe nicht gebaut.“ Amen.
Predigt, 3. Sonntag im Jahreskreis (B) am 25. I. 2009
(Choralamt um 9.15 Uhr, Abteikirche St. Ottilien)
Evangelium: Mk 1, 14-20
Früher war der Pfarrer Jahrzehnte da, bis zum Tod. Er lebte mit seinen Pfarrkindern, taufte sie, verheiratete sie, beerdigte sie und wurde selber mitten unter ihnen begraben.... Er wurde wirklich ihr geistlicher Vater.
AntwortenLöschenMit der Ersetzung des Vaters durch den Funktionär sind unsere Pfarreien vaterlos geworden – die Verwirrung und die Auflösung sehen wir, ebenso wie die fatalen Folgen für das Gottesbild.
Schön geschrieben und vor allen Dingen sehr wahr!
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