Sonntag, 18. Mai 2008

ICH GLAUBE, UM ZU BEGREIFEN


Liebe Mitbrüder, liebe Mitfeiernde!

Wenn Schulkinder in eine neue Klasse kommen, dann fragen sie untereinander zuerst einmal nach dem Namen. Der Name ist ein Zeichen für die einmalige Persönlichkeit. Man möchte nicht mit einem anderen verwechselt werden. Darum kann es für Kinder auch belastend sein, wenn mehrere in einer Klasse den gleichen Namen tragen. - Nun hört man immer wieder, die großen Weltreligionen würden im wesentlichen denselben Gott verehren, ob dieser nun Jahwe, Allah oder anders heiße. Der Name sei nebensächlich – es gebe schließlich nur einen Gott.

Ist der Name, mit dem wir Gott nennen, wirklich nebensächlich?
Oder verbirgt sich hinter dieser Meinung eine Verwechslung, die wir unter Menschen keineswegs entschuldigen würden? Wenn ich z. B. nach Japan reisen würde, wo ich die Menschen kaum unterscheiden könnte, wäre es dann nicht ein großer Fehler, zu sagen, daß alle gleich aussehen? Sollte ich mir nicht vielmehr Mühe geben, die Unterschiede wahrzunehmen und jedem in seiner Einmaligkeit gerecht zu werden?

Als Mose im brennenden Dornbusch Gott erschien, da frage Mose als erstes nach dem Namen, den er den Israeliten als Gottesnamen nennen sollte. Und er bekam zur Antwort: “Ich bin der Ich-bin-da: Jahwe, der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs.” (Ex 3,14f) – Gott hat Mose seinen Namen genannt, das heißt, Gott ist herausgetreten aus der Verborgenheit, er hat sich uns Menschen gezeigt und hat uns angesprochen.

Der Name Jahwe ist das Zeichen für die unendlich reiche Persönlichkeit dieses Gottes, der mit den Menschen eine Geschichte angefangen hat. In Jesus Christus, seinem Sohn, hat er diese Geschichte mit den Menschen in innigster Weise vertieft: “Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat.” – haben wir gerade im Evangelium gehört. – Das Evangelium war sehr knapp: Aber Schöneres und Wichtigeres kann man über Gott nicht sagen: Gottes Wesen ist Liebe. – Und er möchte, dass auch wir zu Mit-Liebenden werden.

Liebe Brüder und Schwestern,
demgegenüber hat der Name “Allah” im Islam eine ganz andere Bedeutung. Zunächst einmal ist er nicht als Eigenname zu verstehen, sondern besagt schlicht: “DER Gott”. - Zweitens wird von diesem Gott bei jedem Gebetsruf gesagt: “Er ist Allah, der EINE Allah, der Immerwährende, ER zeugt nicht und ist nicht gezeugt und nichts ist ihm gleich.” Noch klarer sagt es der Koran (4, 171): “Darum glaubt an Allah und seinen Gesandten und sagt nicht [von Allah, daß er] dreifaltig [sei]! … Allah ist nur ein einziger Gott. Er ist darüber erhaben, einen Sohn zu haben.”

Was heißt das für uns Christen: Das heißt, mit dem Glauben an Allah verträgt es sich nicht, ihn als Vater, Sohn und Heiligen Geist zu bekennen. - Allah kann nicht der Gott und Vater Jesu Christi sein. - Er kann kaum der “Gott der Liebe” sein, der sich auch in Christus und im Hl. Geist offenbart hat. - Soviel zum Thema "Namensverwechslungen", die ja bekanntlich sehr peinlich sein können.

Liebe Brüder und Schwestern,
aber von Gott nur zu wissen, daß sein Name ein Programm ist, eine Botschaft, ist freilich etwas dürftig. Es kommt vielmehr darauf an, diese Botschaft auch zu kennen. Den Gott immer besser kennenzulernen, der sich uns in Jesus Christus offenbart hat. Die christliche Lehre von Jesus als dem gekreuzigten Sohn Gottes ist keine “einfache Wahrheit” – dass hat schon Paulus festgestellt: “Wir verkündigen Christus als den Gekreuzigten: für Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine Torheit" (1 Kor 1, 22).
Der aus Liebe gekreuzigte ist eine Torheit, die sich in kein Denksystem der Menschheit integrieren lässt. -
Der gekreuzigte Gott ist die Klippe, an der die Weisheit der Griechen und die Gottesvorstellung der Juden zerschellt.

Die Botschaft von der Dreifaltigkeit ist nicht das Ergebnis irgendeiner einer philosophischen Spekulation. – Sie ist eine geschichtliche Erfahrung, die sich nur durch den Hl. Geist erkennen lässt. So schreibt auch Paulus: “Denn uns hat es Gott enthüllt durch den Geist... Der irdisch gesinnte Mensch aber lässt sich nicht auf das ein, was vom Geist Gottes kommt. Torheit ist es für ihn, und er kann es nicht verstehen, weil es nur mit Hilfe des Geistes beurteilt werden kann” (1 Kor 2, 10; 14).
Diese Argumentation setzt nicht nur den christlichen Glauben voraus, sondern möchte zugleich auch zeigen, dass der christliche Glaube unserem Leben neue Perspektiven eröffnet, die es geradezu unheimlich vertiefen. Die Wirklichkeit des gekreuzigten Gottes - und auch der Dreifaltigkeit Gottes erkennt man also nur, indem man an sie glaubt:

Man muss glauben, um begreifen zu können. –

Diese Argumentationskette ist logisch überhaupt nicht zwingend, aber nur so kommt man zur Erkenntnis der Wahrheit. – Dabei zwingt der Gott der Liebe niemanden zum Glauben: Der Mensch behält immer seinen “freien Willen”. – Aber wer will, kann immer auch der Gnade Gottes entgegen gehen. – Wie geht das?

Liebe Brüder und Schwestern!
Vielleicht ist es mit der Wahrheit des Dreifaltigkeit Gottes ähnlich wie mit einem bedeutenden Gemälde: Erst muss der Betrachter, ermutigt durch einen positiven “Anfangsverdacht”, den Sprung wagen - und rein hypothetisch an die “geheimnisvolle Größe” des Kunstwerks glauben. – Dann plötzlich strömen die Erkenntnisse, und viele delikate Qualitäten werden plötzlich sichtbar. – Ohne das erste Wagnis zur Bewunderung wären sie niemals aufgegangen!

Diesen ersten Sprung, bei dem der Betrachter bisher sicher Geglaubtes zur Frage stellen muss, kann niemand durch Argumente erzwingen. – Doch nachträglich erweist sich dann, dass es oft auch die bereichernd im Leben ist, wenn man bereit ist, für eine kürzere Zeit auch einmal irrational zu sein, die Kontrolle zu vernachlässigen.

Wenn sich Liebende “erkennen”, ist es nicht anders.
Warum sollte die Begegnung mit Gott nicht auch den Sprung aus dem Kontrollzentrum des Verstandes voraussetzen? –
Und danach wird der Springer durch jede Menge verstehen belohnt!

Haben wir den Mut zum Abspringen:
Glauben wir, um zu begreifen!
Genau diese These hat der hl. Kirchenlehrer Anselm von Canterbury in einem sehr schönen Gebet zusammmengefasst.
Dieses möchte ich Ihnen am Ende noch vorstellen:

Herr,
ich versuche nicht,
in deine Höhen vorzudringen;
mein Verstand kann dich ja
auf keine Weise erreichen.
Ich wünsche nur,
einigermaßen deine Wahrheit zu begreifen,
die mein Herz glaubt und liebt.
Denn ich suche nicht zu begreifen, um zu glauben,
sondern ich glaube, um zu begreifen.
Amen.

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Predigt für den Dreifaltigkeitssonntag (A) am 18. V. 2008 (Konventamt, St. Ottilien)
Evangeliumstext (Joh 3, 16-18)

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