Freitag, 26. Juni 2009

Über Barmherzigkeit, Realitätssinn und 'gschlamperte Verhältnisse'

In meiner Studienzeit in Münster und München hatte ich das ganz große Glück, dass ich noch Philosophie-Vorlesungen bei Josef Piper und Robert Spaemann hören konnte: Zwei m.E. ganz "große Denker und Lehrer" des 20. Jahrhunderts. - Letzterer verfasst in regelmäßigen Abständen auch im fortgeschrittenen Alter immer noch hochintelligente Beiträge und Artikel
(die ja gerne von mir zitiert werden).
Hier Spaemanns aktueller Beitrag zum Thema "Pius-Brüder", der gerade in der "Tagespost" veröffentlicht wurde:

„Wo der gute Wille fehlt, fehlt eigenartigerweise oft auch das logische Denken. Große Aufregung um die geplanten Priesterweihen der Piusbruderschaft. Sie seien unerlaubt, bestätigt nun der Pressesprecher des Vatikan (DT vom 18. Juni). Gottlob nur der Pressesprecher, denn es handelt sich hier ja um nichts Neues. Die Priester der Bruderschaft waren längst vor der Exkommunikation suspendiert.

Das heißt, sie durften keine Sakramente mehr spenden, nicht mehr die Messe feiern, nicht mehr Beichte hören und die Krankensalbung spenden. Natürlich gehört auch die Priesterweihe zu den unerlaubten Handlungen. Was allerdings seinerzeit zu den Exkommunikationen geführt hatte, waren nicht die Priesterweihen, sondern erst die Bischofsweihen.

Wollte Rom die Lehrgespräche mit der Bruderschaft an die Bedingung des einstweiligen völligen Verzichts auf Sakramentenspendung knüpfen, dann hieße das, sie müsste sich erst einmal auflösen, ehe die Gespräche überhaupt begonnen haben. Kein gutwilliger und vernünftiger Mensch wird das verlangen. Wer es verlangt, will eine Bedingung stellen, von der er weiß, dass sie unerfüllbar ist.
Da die Priesteramtskandidaten sich im guten Glauben, am Ende geweiht zu werden, in die Seminare der Bruderschaft begeben haben, würde die Bruderschaft gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn sie ihnen die Weihe nun plötzlich verweigerte. Um den entstehenden Stau in den Priesterseminaren und Hochschulen zu beenden, würden die nun beginnenden Gespräche unter einen Druck gesetzt werden, der für die Erzielung eines tragfähigen Ergebnisses schädlich sein könnte.

Im Übrigen müssten dann alle Wiedervereinigungsgespräche mit den orthodoxen Kirchen suspendiert werden, weil ihre Weihen nicht vom Papst approbiert, also ‚unerlaubt‘ sind. Und ebenso hätte der Papst sich schuldig gemacht durch die Wiederaufnahme der chinesischen ‚patriotischen‘ Bischöfe, ohne dass von ihnen der Austritt aus der patriotischen Vereinigung verlangt worden wäre.

Dies obwohl der Papst in seinem Brief an die chinesischen Katholiken diese Vereinigung als unvereinbar mit der katholischen Lehre verurteilt hat. Im Übrigen: Warum hat sich in den Vereinigten Staaten niemand aufgeregt, als die Priesterbruderschaft dort unlängst ebenfalls Priester geweiht hat?

Die Barmherzigkeit, der Realitätssinn und die Zielstrebigkeit des Papstes, mit denen er ‚gschlamperte Verhältnisse‘ vorübergehend in Kauf nimmt, wird offenbar von seinen mehr an Prinzipien als an Menschen interessierten Landsleuten weniger verstanden als vom Rest der Christenheit in der Welt.“

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